München.. Der 49. Tag des NSU-Prozesses um das Terror-Trio aus Zwickau und die Hauptangeklagt Beate Zschäpe beschäftigte sich am Mittwoch mit dem Mord an dem türkischen Imbiss-Mitarbeiter Mehmet Turgut. Ein mögliches rassistisches Motiv blendete man bei den Behörden bereits nach wenigen Tagen aus.

„Die Menschen die hier
reingegangen sind, wollten nicht rauben oder zerstören. Die wollten einfach nur
töten.“ Das ist die Überzeugung eines 52-jähriger Kriminalbeamten, der am Mittwoch
im Münchner NSU-Prozess Fotos zu einem Imbiss-Container am Rande eines
Wohngebietes in Rostock erläutert. Die Tat gilt als der fünfte rassistische
Mord, der dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugerechnet wird.

Der 27-Jährige Mehmet Turgut
starb am 25. Februar 2004 durch vier Schüsse. Ermittlungsakten und Anklage
nennen das Opfer Yunus Turgut. Das aber ist seines Bruder. Mehmet Turgut hatte
in den zwei, drei  Wochen vor dem Mord in Rostock beim Betreiber des
Imbiss-Standes gewohnt.

Keine Blutspritzer bei Mord an Imbiss-Bedienung in Rostock

Die Kaffee-Maschine sei frisch
angesetzt gewesen, alles habe darauf hingedeutet, dass der Imbiss geöffnet
werden sollte, so der Ermittler, der für die Tatortarbeit verantwortlich war.
Mit einer Ausnahme: Haydar Aydin, der Betreiber des Imbiss-Standes hatte Mehmet
Turgut  gegen 10.15 Uhr angeschossen in seinem Stand gefunden. Der Betreiber war
an diesem Tag erst etwas später gekommen, weil er bei einem Bekannten
übernachtet hatte.

Das Fehlen von Kampfspuren in
dem Imbiss beschreibt der Ermittler als ungewöhnlich. So etwas habe er bis dahin
noch nicht gesehen. „Ich gehe davon aus, dass die rein sind, das Opfer zu Boden
gebracht, fixiert und getötet haben.“ Auf Nachfrage der Verteidigung räumte der
Zeuge ein, dass vor allem fehlende Blutspritzer diese Annahme nahe
legen.

Olaf Klempke, der Verteidiger
des Angeklagten Ralf Wohlleben, entgegnete, ob es nicht auch denkbar wäre, dass
sich das Opfer freiwillig hingelegt habe. Das könne er sich nicht vorstellen,
erwiderte der Ermittler. Wenn jemandem eine Pistole an den Kopf gehalten werde,
dann wehrt er sich. Auf die Frage reagierten die Zuschauer mit empörter Unruhe.

Bruder von Opfer wollte Mord auf eigene Faust klären - mit Drogengeld

Der Beamte muss einräumen, dass
bereits eine Woche nach der Tat ein ausländerfeindliches Motiv für den Mord
ausgeschlossen worden war. Das geht aus einem Aktenvermerk zu einer dann nicht
erschienen Presseerklärung für türkische Medien hervor. Es habe Zuarbeiten vom
Staatsschutz, vom Landesamt für Verfassungsschutz, vom Bundeskriminalamt (BKA)
oder von der Staatsanwaltschaft gegeben, erklärte der Zeuge. Das habe zu dieser
Annahme geführt.

Der Kriminalist bestätigt, dass
gegen die Familie des Opfers, aber auch gegen den Imbiss-Betreiber ermittelt
wurde. Dabei seien auch verdeckte Maßnahmen wie das Abhören von Telefonen
genutzt worden. Haydar Aydin gab nach dem Mord seinen Imbiss auf. Ich konnte
nicht noch einmal dorthin gehen, erzählte er am Mittwoch vor Gericht.

Ein weiterer Ermittler
schildert, dass das Bundeskriminalamt dem Bruder des Ermordeten in der Türkei
die Wiedereinreise nach Deutschland angeboten habe, wenn dieser mit der
deutschen Polizei zusammenarbeite. Das habe dieser aber abgelehnt. Der Bruder wollte lieber selber
mit Privatdetektiven die Tat aufklären, erklärt der Zeuge weiter. Er habe
gesagt, dass er die Detektive über illegalen Drogenhandel bezahlen wolle, fügte
er auf Nachfrage noch an.

Gericht will keine Ermittlungsakten über
Ex-Verfassungsschützer

Das Opfer hielt sich zum
Tatzeitpunkt offenbar illegal in Deutschland auf. Sein zweiter Asylfolgeantrag
war abgelehnt worden. Ermittlungen der Polizei auch in der Türkei ergaben, dass
der Ermordete vor Jahren mit seinem jüngeren Bruder die Identität getauscht
hatte. Allerdings soll auch auf dem Grabstein für Mehmet Turgut in der Türkei
der Name „Yunus“ stehen.

Richter Manfred Götzl
verkündete kurz vor Sitzungsende noch, dass der Antrag mehrerer Nebenkläger, die
35 Akten der Telefonüberwachung des hessischen Verfassungsschützers Andreas T.
beizuziehen, abgelehnt werde. Aus seiner Sicht hätten die Antragsteller nicht
deutlich gemacht, welche Bedeutung die Unterlagen für das Klären der in der
Anklage vorgeworfenen Straftaten habe.

Die Verteidigung von Beate
Zschäpe erklärte zudem eine Zeugin für unglaubwürdig, die gestern ausgesagt
hatte, die Hauptangeklagte kurz vor dem Mord an Ismail Yasar im Juni 2005 in
Nürnberg in einem Supermarkt in Tatortnähe gesehen zu haben. Ein Nebenkläger
entgegnete, dass sich die Frau doch sehr gut an die damalige Begegnung erinnert
habe, gerade weil die Zeugin an die Schauspielerin gedacht habe.

Die Staatsschutzkammer des
Oberlandesgerichts in München verhandelt seit Mai gegen Beate Zschäpe und vier
weitere Angeklagte wegen der Verbrechen, die der NSU begangen haben soll.
Zschäpe wird unter anderem die
Mittäterschaft an zehn Morden sowie schwere Brandstiftung und Bildung einer
Terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die Mitangeklagten Ralf Wohlleben und
Carsten S. solle Beihilfe zum Mord in jeweils neun Fällen geleistet haben. Den
Angeklagten André E. und Holger G. wirft die Bundesanwaltschaft unter anderem
Unterstützung einer Terroristischen Vereinigung vor.