An Rhein und Ruhr. Am Mittwoch ist Tag der Pflege - eine Studie zeigt, viele Pflegende denken seit Corona an einen Jobwechsel. Drei Personen, drei Geschichten.
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Trepp rauf, Treppe runter. Wundpflege, Windeln wechseln, umlagern, Flüssigkeiten kontrollieren und Wünsche erfüllen. Monika ist schon lange in der Altenpflege und arbeitet seit 40 Jahren als Nachtwache bei einem Duisburger Altenheim. „So habe ich meine Ruhe vor dem Stress mit Kollegen“, erklärt sie lachend. Der Belastung ihres Berufs entgeht sie damit allerdings nicht, macht sie deutlich.
Nachts seien sie zu zweit unterwegs, sie als Fachkraft und eine Kollegin als Unterstützung. „Zuständig für drei Etagen mit insgesamt 82 Menschen. Für mich ist Altenpflege heutzutage moderne Sklaverei“, schimpft sie. Auf Folge von Jahrzehnten der körperlichen Belastung wurde ihr eine Schwerbeschädigung von 60% diagnostiziert.
Seit Jahrzehnten Pflegekraft : „Heute läuft die Pflege im Akkord“
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„Was wir früher an Material nicht hatten fehlt uns heute an Personal.“ Seit Einführung der Pflegeversicherung „geht alles den Bach runter.“ Es zähle nur das Geld, für tröstende Worte oder gar Sterbebegleitung bleibt da keine Zeit. Die Anerkennung fehlt ihr, das Verhältnis zwischen Pflegenden und den Bewohnerinnen und Bewohnern und deren Angehörigen habe sich stark verschlechtert. „Viele sehen uns als Mägde. Weil sie so viel zahlen, denken sie unsere Arbeit sei selbstverständlich und sie müssten bedient werden.“ Aber: Sie liebe ihren Job, „sonst würde ich ihn nicht so lange machen.“
Von mehr Anerkennung und vom Klatschen habe sie in der Pandemie nichts gespürt. Im Dezember war Monika selbst an Corona erkrankt, die körperliche Belastung falle ihr noch immer schwer. Monika kennt viele Kolleginnen und Kollegen, die der der Pflege den Rücken zukehren. „Nicht nur körperlich, sondern auch die Psyche leidet.“ Was fehlt? Mehr Personal. „Damit diese Akkordarbeit aufhört“, und eine bessere Bezahlung. „Gerade in den privaten Einrichtungen bekommen die Menschen unter zehn Euro die Stunde.“
Alleinerziehende Mutter und Intensivpflegerin: „Wir brauchen 24 Stunden Kitas“
Katharina, 36, alleinerziehende Mutter und Intensivpflegerin bereitet gerade ihren #Pflexit vor. So heißt der Ausstieg aus der Pflege in den sozialen Medien heißt. Sie arbeitet auf einer Covid-Station. „Ich liebe die Arbeit im Krankenhaus und die Pflege, aber ich kann und will mit dem Geld nicht leben“, erklärt sie. Spannend, abwechslungsreich und herausfordernd sei ihr Job, das Team toll und die Anerkennung der Patientinnen und Patienten groß, Arbeitserfolge sofort sichtbar. „Gerade auf der Intensivstation sind die Leute besonders dankbar für unsere Arbeit“, hier geht es um Leben und Tod.
Aus ihrer Station wurde eine Covid-Intensivstation. Für Katarina eine neue Herausforderung, aber kein Hinternis. Zudem gab es zwischendurch sogar mehr Personal. Gesellschaftliche Anerkennung ist ihr nicht so wichtig. „Welcher Beruf hat das schon? Außerdem bekommen die Menschen außerhalb des Krankenhauses kaum was von unserer tatsächlichen Arbeit mit.“
Von der Intensivpflegerin zur Ärztin: #Pflexit durch das Medizinstudium
Was sie sich aber wünscht und fordert für den „Knochenjob“: „Mehr Geld, vor allem im Grundlohn.“ Wer Geld verdienen will, braucht die Nacht- und Wochenendzuschläge. „Eine 24 Stunden Kinderbetreuung, wie sie in Ostdeutschland schon üblich ist.“ Und außerdem: „Mehr Personal, mehr Weiterbildungsmöglichkeiten.
„In den USA gibt es mehr Qualifizierungsmöglichkeiten im Beruf“, sie selbst studiert neben ihrer Teilzeitstelle Medizin, um als Ärztin zurückzukehren: mehr Gehalt und keine langweiligen Hilfsdienste mehr wie Medizinschränke auffüllen. „Alle lieben diesen Job, aber viele gehen und studieren noch mal.“
Pflegeschüler: „Ist nicht jeder Beruf belastend?“
Florian Kanschat ist im dritten Lehrjahr zum Altenpfleger und begeistert von seiner Arbeit im Duisburger Christopheruswerk. „Mein Vater hatte mich heimlich für ein FSJ angemeldet, weil ich mit 15 nach dem Realschulabschluss nicht wusste, wohin mit mir“, erzählt der 20-Jährige. „Ich bin dabeigeblieben. Es ist toll, gerade mit den Kollegen.“ Auch die Vorgesetzten schätzen ihn, sagt er. Den Freiwilligendienst verlängerte er auf zwei Jahre und fing danach seine Ausbildung an.
Im Heim könne man hingegen richtige Bindungen aufbauen. „Die Leute wohnen bei uns, es ist ihr Zuhause. Man kann wirkliche Freunde finden!“ Ob zum Geburtstag oder an Weihnachten, viele ältere Leute zeigten ihre Zuneigung, gratulieren. „Manche schreiben sich die Geburtstage in den Kalender und stecken uns Süßigkeiten zu.“ Natürlich sei der Beruf auch mal belastend: „Aber ist das nicht jeder Beruf?“, sagt er. „Ich gehe aus dem Haus raus und atme tief durch.“
Angehender Altenpfleger liebt seinen Beruf
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Zwar führe die Pandemie zu mehr Aufwand „Maske tragen, vermummen und Schutzmaßnahmen“, allerdings sei seine Station ohne schwere Fälle durch die Krise gekommen. „Auf anderen Stationen war die Lage angespannter.“ Ein, zwei Pflegende mehr wären generell nicht verkehrt, meint Kanschat. Mit der Bezahlung sei er zufrieden. „Das, was ich nach der Ausbildung verdiene, reicht mir vollkommen. Ich kann davon gut leben und ich kann mir mal was gönnen“, meint er zuversichtlich. „Ich mache lieber mit Spaß meinen Job, als mit Bauchschmerzen für mehr Geld arbeiten zu gehen.“
Vorurteile und blöde Sprüche bekomme er manchmal von alten Schulbekanntschaften. „Wenn sie fragen ob ich jetzt Leuten den Hintern abwische, ist mir das egal. Frage ich zurück kommt meistens nicht viel.“ Von seiner Familie erfährt Florian Kanschat umso mehr Unterstützung, sie seien sehr stolz, erzählt er. Seinem Vater sei er heute dankbar, dass er ihn hinter seinem Rücken in die Pflege gebracht habe.