An Rhein und Ruhr. Der soziale Wohnungsbau in NRW ist seit Jahren rückläufig. Welche Pläne die Grünen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus haben.
Im Duisburger Süden entsteht eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in NRW: 3000 Wohneinheiten werden in den kommenden Jahren auf einer alten Güterbahnhofsbrache in Wedau gebaut; davon sollen 300 öffentlich geförderte Sozialwohnungen, das sind zehn Prozent. Zu wenig, sagen nicht nur die Grünen in Duisburg. Die Landesgrünen gehen jetzt einen Schritt weiter und fordern, dass „in der Landesverfassung ein Recht auf Wohnen festgeschrieben wird.“ Einen entsprechenden Antrag bringen die Grünen in die Plenarsitzung des Landtags in der kommenden Woche ein. Zudem soll eine „nachhaltige und sozial gerechte Bodenpolitik“ als Ziel definiert werden und Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt sollen zu einer „sozialgerechten Bodennutzung mit mindestens 30 Prozent gefördertem Wohnraum“ verpflichtet werden. Auch der Landesentwicklungsplan soll entsprechend geändert werden.
In Ballungsräumen geben viele Mieter inzwischen mehr als ein Drittel für die Miete aus, für immer mehr Menschen werde Wohnen zum Armutsrisiko. „In Großstädten ist das Wohnen nur noch mühsam bezahlbar“, begründeten Arndt Klocke, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, und Johannes Remmel, Grünen-Sprecher für Stadtentwicklung, die Initiative „Recht auf Wohnen“, die gestern vorgestellt wurde.
Immer mehr Wohnungen fallen aus der Sozialbindung
Der Anteil der Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, ist seit Jahren größer als die Zahl der Wohnungen, die mit Sozialbindung mit den Mitteln aus der Wohnraumförderung des Landes neu gebaut oder gekauft werden. Während es 2010 noch knapp 544.000 preisgebundene Wohnungen in NRW gab, hat sich ihr Bestand bis 2019 auf gut 456.000 Wohnungen reduziert. Eine Modellrechnung der NRW.Bank prognostiziert für das Jahr 2030 ohne weitere Bewilligungen eine Reduktion auf etwa 240.000 Wohnungen.
Das Land NRW steuert bislang den Bedarf an Wohnbauflächen in den Kommunen auf Basis des Landesplanungsgesetzes (LPlG) und dem Landesentwicklungsplan (LEP). Das Thema „Wohnen“ ist im aktuell geltenden LEP im Kern auf die quantitative Wohnflächennachfrage beschränkt. Die sozialpolitische Dimension mit dem Thema „bezahlbares Wohnen“ finde bislang keine Erwähnung. Dies müsse sich ändern.
Im vergangenen Jahr sind in NRW gut 5.200 neue Sozialwohnungen für Mieter mit niedrigem Einkommen gebaut worden - etwas weniger als in den Vorjahren. Landesbauministerin Ina Scharrenbach räumte jüngst ein, dass dies „deutlich zu wenig“ sei, verwies aber auf das „Katastrophenjahr“ 2021 mit Corona und Flut. Es hätten Architekten und Ingenieure gefehlt, die wegen der Flut im Einsatz waren. Baugenehmigungen seien nicht rechtzeitig ausgestellt worden. Laut Statistischem Landesamt IT.NRW wurden in NRW im vergangenen Jahr für insgesamt 60 918 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt, 1,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW) rechnet damit, dass sich diese negative Tendenz aufgrund der aktuellen Probleme beim Wohnungsbau verstärken könnte. „2022 wird es äußerst schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt VdW-Verbandsdirektor Alexander Rychter.
Arndt Klocke: Es gibt nicht genug Wohnungen, um die Nachfrage zu decken“
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Der Rückgang der genehmigten Wohnungen gehe in erster Linie auf Mehrfamilienhäuser zurück, in denen vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen wohnen. In ihnen wurden laut IT.NRW 2,4 Prozent weniger Wohnungen genehmigt als 2020, während neue Wohnungen in Zweifamilienhäusern boomen (plus 17,1 Prozent). „Steigende Rohstoffpreise, der Ukrainekrieg und die dadurch in die Höhe schnellenden Energiepreise werden diese Entwicklung noch verstärken“, befürchtet Alexander Rychter. Bereits jetzt würden immer weniger Baufirmen konkrete Angebote abgeben, weil sie die Preise nicht einmal über kürzere Zeit garantieren können.
Das NRW-Aktionsbündnis „Wir wollen wohnen!“ forderte jüngst eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Soweit wollen die Grünen nicht gehen. „Wir brauchen kein neues zentrales Konstrukt. Wir wollen die kommunalen Gesellschaften stärken“, sagt Arndt Klocke. Die Kommunen sollen bei der Flächenpolitik Instrumente nutzen, die Spekulation mit dem dann öffentlichen Grund und Boden verhindern. Dazu zählen die Vergabe von Erbbaurechten oder Regelungen, die vorsehen, Bebauungspläne erst dann zu erstellen, wenn sich mindestens 50 Prozent der Grundstücke - wie beispielhaft in der Stadt Münster angewendet - in kommunaler Hand befinden.
Allein in Köln hätten gut 50 Prozent der Einwohner aufgrund ihres Einkommens einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. „Aber soviel Sozialwohnungen gibt es gar nicht, um den Bedarf zu decken“, so Klocke. Es sei klar, dass eine Verfassungsänderung allein keine einzige neue Wohnung schafft. Aber sie könnte der Anfang für verschiedene Gesetzesänderungen aus dem Verfassungsauftrag „Recht auf Wohnen“ sein.