An Rhein und Ruhr. Ab Montag gibt es wieder das volle Betreuungsangebot, Gruppen dürfen gemischt, Kinder sollen getestet werden. Eltern sind froh über Lockerungen.

Der Karton mit den Lollitests für die Kinder ist gerade in Sandra Hoppmanns Büro eingetroffen. Auf den letzten Drücker. Denn wenn am Montag die Weseler „Sonnenburg“ wie alle anderen über 10.000 Kindertagesstätten in NRW wieder in den regulären Betrieb zurückkehrt, wird es höchste Zeit. Am morgigen Freitag können die Tests noch so gerade rechtzeitig an die Eltern verteilt werden, um die Kinder am Montag vor dem Kita-Besuch zu testen. Die Kitas kehren in den Alltag zurück. Und doch herrscht Pandemie und damit eigentlich Ausnahmezustand.

„Wir freuen uns total“, sagt Sandra Hoppmann, die Leiterin des Weseler Familienzentrums. Einerseits. Kinder unterschiedlicher Gruppen dürfen wieder draußen zusammen spielen, bei personellem Engpass darf eine Erzieherin in einer anderen Gruppe eingesetzt werden, die Kolleginnen dürfen die Pause gemeinsam verbringen. Schön.

Und dann ist da das Andererseits: Die Sorge vor einer Ansteckung, vor einer womöglich kompletten Schließung der Kindertagesstätte. Denn wenn die Kinder nun nicht mehr in strikt getrennten Gruppen betreut werden, wenn sie wieder mehr Kontakte haben, kann es sein, dass nicht nur eine Gruppe, sondern die gesamte Einrichtung geschlossen werden müsste.

Landesregierung: „Werden die Situation sehr genau beobachten“

Das ist der Landesregierung klar. „Uns ist bewusst, dass die Aufhebung der Gruppentrennung jetzt, wie auch im letzten Jahr, bei allen Beteiligten immer auch mit Ängsten verbunden ist. Wir werden daher sehr genau beobachten, wie sich die Situation entwickelt“, erklärt eine Sprecherin des Familienministeriums auf NRZ-Anfrage. Warum aber wird trotz allem geöffnet? Die Sprecherin verweist auf das sich positiv entwickelnde Infektionsgeschehen, insbesondere den Impffortschritt.

Doch wie viele Erzieherinnen und Erzieher tatsächlich geimpft sind, können nach NRZ-Recherchen weder das NRW-Familien- oder Gesundheitsministerium noch das Robert Koch-Institut oder die Träger selbst benennen. Der Kita-Zweckverband im Ruhrbistum zum Beispiel spricht auf Anfrage lediglich von einer „sehr hohen Impfquote“. Das bestätigt auch Sandra Hoppmann für ihre dreigruppige Einrichtung in Wesel. Am Wochenende starten bei einigen ihrer Kolleginnen die Zweitimpfungen.

Für die Landesregierung ist das ein Grund, um sich der Normalität ein Stück anzunähern. „Es ist jetzt notwendig und angemessen, nicht nur den Erwachsenen Lockerungen zu ermöglichen, sondern auch den Kindern ihren Alltag und ihre Kontakte zurückzugeben und ihnen wieder umfassend frühkindliche Bildung im Rahmen des pädagogischen Konzeptes ihrer Einrichtung zu ermöglichen“, meint die Ministeriumssprecherin. Sollten die Inzidenzen lokal steigen, können Kommunen im Rahmen einer Allgemeinverfügung auch wieder in den eingeschränkten Kita-Regelbetrieb gehen.

Tagespflege kritisiert Test-Ausgabe

Für die Kindertagespflege indes ändert sich nichts. „Abgesehen vom Frühjahr 2020 befindet sich die Kindertagespflege durchgehend im Regelbetrieb“, erläutert Tanja Böttcher vom noch jungen Netzwerk Kindertagespflege. Aber: Auch die Tageseltern haben oft eigene Kinder, die in der Kita betreut werden. Die Rückkehr zum Regelbetrieb entlaste sie damit also auch.

Problematisch sei allerdings die Versorgung mit Tests. Die Jugendämter verteilen sie an die Tagespflegepersonen, die sie aber selbst abholen müssen. Das bedeutet mehr Aufwand für die Tageseltern. Grundsätzlich hätten die Nasenabstriche bei Eltern und Kindern viel Ablehnung erfahren. Böttcher hofft, dass die Lollitests mehr Anklang finden. Die werden laut Anwendungsbeschreibung übrigens erst für Personen ab 18 Jahren empfohlen. Deswegen weist das Ministerium in einem Schreiben an die Eltern darauf hin, dass die Tests von den Eltern durchgeführt werden sollen.

Der Landeselternbeirat hätte sich die Rückkehr zum Regelbetrieb zwar zeitgleich mit der Rückkehr zum Präsenzunterricht in den Schulen gewünscht, freut sich aber trotzdem, dass es jetzt so weit ist. Vorschulkindern könnte so ein guter Abschluss bereitet werden. „Insbesondere die Kürzung des Betreuungsumfanges um zehn Stunden hat vielen Familien großes Organisationsgeschick abverlangt und war nicht immer mit anderen Verpflichtungen ohne Probleme zu vereinbaren“, meint Daniela Heimann vom Landeselternbeirat.

  • Lesen Sie hier unser Pro und Contra: Ist die Rückkehr zum Regelbetrieb richtig?