Essen. Die Polizei Essen war im vergangenen Jahr fast 32.000 Stunden im Clan-Milieu im Einsatz. Der Dauerdruck zeige merklich Wirkung, heißt es.
5176 Polizisten, die fast 32.000 Stunden im Essener Clan-Milieu im Einsatz waren, die 119 Shisha-Bars, 35 Wettbüros sowie 481 „sonstige Orte“ kontrollierten, 18 Waffen sicherstellten, 210 Strafanzeigen schrieben, um 34 Verdächtige fest und 23 in Gewahrsam zu nehmen. Dazu 3862 Autofahrer kontrollierten und dabei 80 Führerscheine als auch 26 Karossen zumindest vorübergehend einzogen.
Dies sind nur einige wenige Schlaglichter der polizeilichen Bemühungen des vergangenen Jahres, mit Unterstützung kommunaler Ämter, des Zolls, der Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaft mutmaßlich kriminelle Mitglieder bekannter türkisch-arabischstämmiger Großfamilien zu piesacken, wo und wann immer es geht - mit dem Ziel, Straftaten von der Klein- bis hin zur Organisierten Kriminalität aufzudecken.
599 Straftaten und 451 Verdächtige
Dieser lokale Blick auf die Größenordnungen polizeilicher Einsätze und Maßnahmen der Besonderen Aufbauorganisation „BAO Clan“, die seit Dezember 2018 existiert, untermauert einmal mehr einen Befund: Essen war und ist mit 599 registrierten Straftaten und 454 Verdächtigen allein in 2021 nach wie vor die Hochburg der Clan-Kriminalität in Nordrhein-Westfalen - gefolgt von Recklinghausen (447 Delikte) und Gelsenkirchen (382 Straftaten). Dies geht aus dem neuen Lagebild des Landeskriminalamtes hervor, das am Dienstag veröffentlicht worden ist.
Nach Überzeugung der Essener Polizei hat die gern als Politik der tausend Nadelstiche zitierte Zermürbungs-Taktik vor Ort merklich Wirkung gezeigt: Unter dem fast täglichen Druck der Kontrollen sei die Zahl der Delikte binnen eines Jahres von 699 um 100 genauso gesunken, wie die der Tatverdächtigen von 499 auf 454. Ebenso als „eine Folge des konsequenten Einschreitens“ beurteilt Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato den deutlichen Rückgang der sogenannten Tumultlagen mit Tendenz gegen Null, von denen sich eine besonders gravierende in dem neuen Lagebild wiederfindet.
Am 17. April wurden zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes in Altenessen massiv eingeschüchtert und bedroht, weil sie einen Parkverstoß durch den Fahrer eines hochwertigen Mercedes mit schweizerischem Kennzeichen ahnden wollten. Die Frauen wussten sich nicht anders zu helfen, als sich in ihrem Einsatzwagen einzuschließen, um dort auf die alarmierte Polizei zu warten. Als die Beamten eintrafen, versammelten sich rund „100 Symphatisanten aus den Familienclans“, wie es in dem Bericht heißt.
Tumultlage löste Sicherheitsdebatte aus
Um den Parksünder vor behördlichen Maßnahmen zu schützen, wurden die Polizisten aus dieser Menge heraus bedroht. Drei Männer konnten vorläufig festgenommen und zwei Mobiltelefone, mit denen die Einsatzkräfte gefilmt wurden, sichergestellt werden, bevor es den Einsatzkräften gelang, die Zusammenrottung aufzulösen. Dieser Zwischenfall löste eine Sicherheitsdebatte in der Stadt aus.
Doch nicht nur auf der Straße, auch in den Gerichtssälen an der Zweigertstraße zeigt die konsequente Strafverfolgung Wirkung: Vom ersten Tag der konzertierten Clan-Ermittlungen in insgesamt zwölf polizeilichen Kommissionen seien bis Ende des vergangenen Jahres 30 Tatverdächtige zu rund 80 Jahren Haft verurteilt worden, sagt Schwarz-Pettinato. Dabei ging es vor allem um Drogenhandel, Gewalt und verbotenes Glücksspiel.
Die für diese Delikte zuständigen „Staatsanwälte vor Ort“ führen inzwischen pro Jahr mehr als 200 Strafverfahren gegen kriminelle Mitglieder der behördenbekannten Großfamilien, von denen die O.s, die alleine laut Landeskriminalamt im vergangenen Jahr für 699 Straftaten in NRW verantwortlich gemacht wurden, in Essen besonders aktiv sein sollen.