Ruhrgebiet. Falsch abgestellt, nicht wie erhofft genutzt. Erste Städte in NRW wollen die Zahl der E-Scooter im Stadtgebiet reduzieren. Ist der Boom vorbei?
Für die Verleiher von E-Scootern wird die Luft in den ersten großen Städten des Landes dünner. „So kann es nicht weitergehen“, hat die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ihrem Ärger über zu viele und falsch geparkte E-Scooter in der Kölner Innenstadt schon vor Wochen Luft gemacht. Von den möglicherweise Hunderten in den Rhein geworfenen Exemplaren hat sie da noch nichts gewusst.
Auch dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller reicht es. Es hagelt Beschwerden von Fußgängern und Anwohnern, die Zahl der falsch abgestellten Roller steigt stetig, regelmäßig kommt es zu Unfällen. Jetzt will die Stadt durchgreifen und die Zahl der 12.700 Fahrzeuge auf die Hälfte reduzieren. Außerdem sollen Parkverbotszonen an Gewässer und Grünanlagen vergrößert werden und die Sondernutzungsgebühr für die Anbieter soll von 20 auf 50 Euro pro Roller steigen. „Die Scooter haben keinen verkehrstechnischen Nutzen, der Großteil der Düsseldorfer lehnt sie ab“, ist Keller überzeugt.
Millionen Kilometer in Köln und Düsseldorf gefahren
Zumindest letzteres ist nicht ganz richtig. „Allein für die Städte Köln und Düsseldorf beträgt die Anzahl der gefahrenen Kilometer insgesamt 5.782.495 km“, sagt Sebastian Schlebusch, Sprecher der Arbeitsgruppe Mikromobilität bei der Plattform Shared Mobility (PSM), auf der sich sieben Verleiher von E-Scootern zusammengeschlossen haben. Und seit die Corona-Krise am Abklingen sei, gebe es in den meisten Städten eine „verstärkte Nachfrage nach Mikromobilitätsangeboten“. „Allein in den letzten Monaten lagen die Nutzungszahlen um 40 Prozent höher als vor Corona“, so Bodo von Braunmühl, Sprecher des Verleihers Lime. „Nach unserer Wahrnehmung ist insbesondere in den beiden Stadtzentren eine vermehrte Nutzung der insgesamt 400 Scooter erkennbar“, bestätigt auch Christoph Hüsken, Sprecher der Stadt Herne.
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Aber von wem und wofür? Laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Universität Dresden im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer, bei der knapp 2000 E-Scooter-Nutzer beobachtet und befragt wurden, gaben 75 Prozent von ihnen an, E-Roller in ihrer Freizeit zu nutzen. Zwölf Prozent wollten die Gefährte einfach mal ausprobieren, und lediglich drei Prozent der Befragten erklärten, den E-Roller für den Weg zur Arbeit zu nutzen. Die Hälfte wäre sonst zu Fuß gegangen, ein knappes Drittel hätte den öffentlichen Nahverkehr benutzt. Tatsächlich ließen laut Studie nur vier Prozent der Befragten für den Scooter das eigene Auto stehen.
Umweltbundesamt: Roller kein Gewinn für die Umwelt
So war das nicht geplant. Auch das Umweltbundesamt erklärte bereits Ende 2020, elektrische Tretroller seien bisher kein Gewinn für die Umwelt, weil sie oft nur den umweltfreundlicheren Fuß- und Radverkehr statt einer Autofahrt ersetzten. Studien aus Portland und San Francisco, wo die E-Roller schon viel länger zum Straßenbild gehören, zeigen allerdings, dass die Nutzung für den Weg zur Arbeit mit der Zeit zunimmt.
Für das Ruhrgebiet gibt es noch keine Zahlen. „Konkrete Erhebungen über Nutzer-Verschiebungen beispielsweise vom Auto oder Rad zu E-Scootern liegen nicht vor“, sagt Patrick Betthaus, Sprecher der Stadt Essen, wo 1400 Roller fahren. „Eine Verringerung des Individualverkehrs ist bis dato nicht valide zu belegen“, erklärt auch Herne-Sprecher Hüsken.
Geschwindigkeit der Roller automatisch drosseln
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Ärger um die Roller gibt es allerdings auch kaum im Revier. Nur in Gelsenkirchen forderten SPD und CDU nach vermehrten Beschwerden von Bürgern, die Geschwindigkeit der Roller in den Fußgängerzonen automatisch zu drosseln oder die Einfahrt ganz zu verbieten, was technisch zwar möglich, rechtlich aber als externer Eingriff in den laufenden Straßenverkehr gilt und verboten ist.
Ansonsten machen die elektrischen Roller keine Probleme in den Städten des Ruhrgebietes. Beschwerden seien „selten“, heißt es in Essen, nicht „gravierend“ sind sie in Herne. In der Stadt Bochum (ca. 1500 Roller) gibt es ein „überschaubares Maß“ davon und in Dortmund (ca. 3000 Roller) „gelegentlich“ welche. Und fast überall wird von den Stadtsprechern „die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen Anbietern“ gelobt
Debatte um öffentlichen Parkraum
Auch in der Landeshauptstadt, sagt Tier-Sprecher Anders, wolle man die aktuellen Probleme gemeinsam mit der Verwaltung „anhand kluger und weitsichtiger Verkehrspolitik lösen, statt die junge Pflanze Mikromobilität durch ein Paket überzogener Maßnahmen zu erdrücken und aus Düsseldorf zu verbannen“. Es gehe ja eigentlich auch gar nicht um Zustimmung oder Ablehnung von Scootern als innovatives Fahrzeug, glaubt Lime-Sprecher von Braunmühl. „In der Debatte geht es in erster Linie um Parkprobleme im öffentlichen Raum. Wir sind uns sicher, dass sich diese Debatte weitgehend in Luft auflösen wird, sobald intelligente Parkkonzepte umgesetzt werden.“
Bisher wirkt in diesem Punkt vor allem Abschreckung. Parkverbotszonen lassen sich so einrichten, dass Roller zwar abgestellt werden können, der Nutzer sich allerdings dort nicht ausloggen kann und weiter Miete zahlen muss.
„Das kann“, heißt es in einschlägigen Foren, „schnell richtig teuer werden.“