Essen. Auch die E-Scooter-Verleiher wurden von Corona-Krise schwer getroffen. Warum viele von ihnen aber wieder optimistisch in die Zukunft schauen.

Sie eroberten das Ruhrgebiet im Sturm. Mit Corona aber gerieten auch die Verleiher von E-Scootern in die Flaute. Geschäfte zu, Gaststätten dicht und kaum Touristen: Im Frühsommer 2020 verschwanden die elektronischen Roller weitgehend aus den Innenstädten. Mittlerweile sind sie zurück – auch weil sich das Nutzungsverhalten der Kunden offenbar geändert hat.

Fast nichts rollte mehr. Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 nahmen alle Scooter-Verleiher – mit Ausnahme von Tier – ihre Roller vom Markt. So konnten sie zwar kein Geld verdienen, aber auch nur wenig verlieren. „Turbulent“ hat Jashar Seyfi, Deutschland-Chef von Lime, einem der Großen der Branche, das vergangene Jahr genannt – unter anderem, weil der Fuhrpark des US-Anbieters sieben Wochen lang gleich komplett ins Lager gesteckt wurden.

Kunden fahren längere Strecken

Mittlerweile aber hat Lime seine Roller im Revier längst wieder auf der Straße – derzeit in Dortmund, Essen, Mülheim, Bochum und Recklinghausen. Konkurrent Tier ist in den gleichen Städten aktiv und zusätzlich auch in Gelsenkirchen. Und Jashar Seyfi findet inzwischen, dass Corona seiner Firma sogar „geholfen“ habe. „Viele Menschen mussten Mobilität komplett neu denken.“

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Einige davon scheinen dabei die E-Scooter entdeckt zu haben. „Deutschlandweit sehen wir, dass sich das Nutzungsverhalten durch die Corona-Pandemie verändert hat“, sagt ein Lime-Sprecher: Der Anteil der Touristen- und Spaß-Fahrten liege derzeit nur noch bei knapp fünf Prozent, dafür seien aber viele neue Kundinnen und Kunden dazu gekommen, die E-Scooter für längere Fahrten zum Einkaufen oder zur Arbeit nutzen. „Im Schnitt haben wir dadurch 20-40 Prozent längere Fahrten verzeichnen können.“ Für die Anbieter ist das in den meisten Fällen bares Geld. Denn Kunden zahlen nach Entrichten einer Entsperrgebühr im Minutentakt zwischen 15 und 25 Cent pro 60 Sekunden.

Mit nötigem Abstand und viel frischer Luft

Auch bei Tier habe man in Zeiten von Corona einen Wandel bei der Nutzung der Roller feststellen können, sagt David Krebs, PR-Sprecher des Unternehmens. Die durchschnittliche Dauer einer Fahrt liege bei rund 14 Minuten, und dabei werde eine Strecke von durchschnittlich 2 bis 2,5 Kilometern zurückgelegt – meist in den Morgenstunden, in der Mittagspause sowie am Abend zwischen 17 und 18 Uhr.

In Zeiten von Corona schätzen viele Menschen die Scooter-Fahrt an der frischen Luft
In Zeiten von Corona schätzen viele Menschen die Scooter-Fahrt an der frischen Luft © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Pendlerverker also. Krebs hat dafür auch eine Erklärung. „E-Scooter bieten eine Möglichkeit, um mit dem nötigen Abstand und an der frischen Luft von A nach B zu kommen.“ Deshalb würden die Scooter mittlerweile oft für die gesamte Wegstrecke zischen Wohnung und Büro genutzt anstatt in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln. In der Pandemie, glaubt auch Seyfi, würden manche Menschen einfach nicht gerne in eine volle U-Bahn steigen.

Dass das nach Ende der Pandemie so wohl nicht bleibt, wissen sie bei den Scooter-Anbietern. Und viele sind bereits darauf vorbereitet. „Wir haben eine Vielzahl von Kooperationen mit ÖPNV-Anbietern in NRW, wie zum Beispiel der Bogestra oder der Ruhrbahn“, sagt Krebs und hofft, dass durch diese Kooperationen „die Attraktivität und Akzeptanz beider Dienste steigern“. Auch Lime hat aus der gleichen Hoffnung heraus „mit einigen ÖPNV-Betrieben Modellprojekte für die sogenannte letzte Meile gestartet“

Netz von Ladestationen geplant

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Für die, die auch nach Corona lieber an der frischen Luft bleiben wollen, bereiten die meisten Anbieter neue Angebote vor. Lime etwa will verstärkt auf Leih-E-Bikes setzen. Man sehe sich, heißt es, in Zukunft nicht mehr nur als reiner Scooter-Anbieter. Tier will die Ladetechnik verfeinern und ein flächendeckendes Netz von 4500 Ladestationen knüpfen, an denen die E-Scooter-Fahrer ihre Batterien selbst austauschen können. Was die Juicer, also die Menschen, die die Roller bisher nachts einsammeln und wieder aufladen, weitgehend überflüssig machen dürfte. Wer selbst den Akku tauscht bekommt Freiminuten, zudem sollen Cafés und Geschäfte, die den Platz für die Stationen zur Verfügung stellen, von einer „erhöhter Kundenfrequenz“ profitieren.