Amsterdam/Essen. Wohnen in Amsterdam ist teuer, vor allem für Studierende. Ein Erasmusstudent aus NRW spricht über sein 800-Euro-Zimmer ohne Heizung und Internet.
Tausend Euro aufwärts – und das für ein Miniwohnung. Derart horrende Preise gehören mittlerweile zur Lebenswirklichkeit vieler Studierenden in den Niederlanden. Denn Wohnen in der Metropolregion Amsterdam ist teuer. Am eigenen Leib erlebt das Lorenz Schulze-Marmeling. Der 23-Jährige studiert in Münster Niederlande-Deutschland-Studien und ist für ein Auslandsemester nach Amsterdam gezogen. Die Stadt: ein Traum. Doch die Unterkunft: ein Desaster.
Rund 800 Euro zahlt Schulze-Marmeling für sein unmöbliertes Zimmer, in dem er sich im August sporadisch eingerichtet hat. Ob der Mietpreis kalt oder warm ist, kann er nicht mal genau sagen. „Es befindet sich keine Heizung im Zimmer“, erklärt der Student. Internet gebe es auch nicht. Ebenso wenig wie ein Waschbecken im Bad, das er sich mit dem Vermieter und einem anderen Studierenden teilen muss. Dafür gibt es wenigstens warmes Wasser.
Amsterdam: Studentenzimmer ohne Heizung und Internet
Erst im kommenden Jahr solle das überalterte Haus im Amsterdamer Zentrum renoviert werden. Wie er es den Winter über in einem unbeheizten Zimmer aushalten soll? „Die Frage muss ich mir zum Glück nicht mehr stellen. Nachts hätte ich wahrscheinlich noch einen Pulli übergezogen“, sagt Lorenz Schulze-Marmeling am Telefon und lacht auf. Im Oktober kann er sein kaltes Zimmer gegen die „kamer“ eines Studierendenwohnheims eintauschen, das ihn dann nur noch 450 Euro kostet. Die Küche allerdings muss er sich nicht mehr mit nur zwei Personen, sondern mit 13 teilen.
Lorenz Schulze-Marmelings Geschichte ist nur eine von vielen, die Studierende in den Niederlanden über ihre prekären Wohnverhältnisse erzählen könnten. In den niederländischen Medien ist inzwischen die Rede von einer „wooncrisis“, rund 279.000 Wohnungen fehlen nach Angaben der Regierung im Nachbarland. Das treibt die Preise schon seit Jahren in die Höhe. Immer mehr junge Menschen wollen sich damit nicht mehr zufriedengeben und demonstrieren. In Groningen etwa besetzten frustrierte Studierende Anfang September zum Protest das Universitätsgebäude.
Studierende in den Niederlanden demonstrieren für bezahlbaren Wohnraum
In der Stadt im Norden des Landes lag der Mietpreis laut niederländischem Maklerverband NVM im zweiten Quartal diesen Jahres durchschnittlich bei 12,68 Euro pro Quadratmeter. Andere Städten im Land sind noch teurer. Spitzenreiter bleibt Amsterdam. Die niederländische Hauptstadt schlägt mit 19,78 Euro pro Quadratmeter sogar die Mietpreise der deutschen Statista-Top-3: München (18,78), Frankfurt (15,85) und Stuttgart (14,92).
Ob Mieten oder Kaufen: Der Wohnungsmarkt in den Niederlanden ist allgemein ein schwieriges Pflaster, da im Nachbarland in den vergangenen dreißig Jahren die Wohnpreise schneller als die Löhne gestiegen sind. So lag der durchschnittliche Verkaufspreis für Eigentum in diesem Jahr trotz Coronapandemie wieder auf einem Rekordhoch. Auch an Sozialwohnungen mangelt es. Und wer eine hat, lebt mitunter in einem schlechten Zustand. Schimmel, Wasser- und Gebäudeschäden: Erst vergangene Woche berichtete RTL Nederland über den schlechten Zustand von rund 800.000 Sozialwohnungen im gesamten Land.
Wohnungsmarkt in Amsterdam: teuer und voller Scams
Zustände, die es auf dem Wohnungsmarkt in NRW so zumindest nicht in großem Stil gibt. Zwar ist auch Münster unter den Universitätsstädten für eher teurere Mieten bekannt, doch es sei schon eine „ganz andere Welt in Amsterdam“, sagt Schulze-Marmeling. „Bei der Zimmersuche bin ich Woche um Woche beim Preis hochgegangen. Ich habe mit 500 bis 600 Euro angefangen. Am Ende, als ich unter Zeitdruck geraten bin, hätten es auch 900 getan.“
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Letztendlich habe er sich für das unbeheizte Zimmer entscheiden müssen, zwei Wochen vor Umzugstermin. Andere Studierende hätten ähnliche Probleme, etwas Qualitatives und gleichzeitig Erschwingliches zu finden. „Meine Freundin hat auch nur kurz vor knapp eine Wohnung in Leiden bekommen, die nicht groß, aber gut ausgestattet ist. Sie zahlt dafür aber auch 1000 Euro.“ Doch Schulze-Marmeling ist auch froh, dass er wenigstens nicht auf sogenannte „Scammer“ reingefallen ist, die Zimmer vermieten, die gar nicht existieren und eine hohe Kaution vorab einstreichen. „Ich hatte auch ein Angebot, das Dubios war.“
Das Thema Wohnen berührt viele Studierende in Amsterdam. „An der Uni hängen natürlich Flyer für Proteste aus“, sagt der 23-Jährige. Die Kritik richte sich auch gegen die Uni, die aus Sicht der Protestierenden nicht genügend Wohnraum für Studierende zur Verfügung stelle. Als Erasmus-Student hat Lorenz Schulze-Marmeling noch Glück: Er bekommt einen finanziellen Zuschuss, muss nicht wie andere einen Kredit aufnehmen - und kann das Thema Wohnungssuche nach dem Semester wieder abhaken. Im Februar wird er in sein WG-Zimmer nach Münster zurückkehren, das unter 300 Euro kostet - und beheizt ist.