An Rhein und Ruhr. Abellio hat ein Schutzschirmverfahren beantragt. Doch was heißt das für Pendler, Beschäftigte und den ÖPNV? Pro Bahn-Sprecher Ebbers klärt auf.

Das Bahnunternehmen Abellio steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Nun hat das Unternehmen nach eigenen Angaben ein Schutzschirmverfahren beantragt. Doch wie geht es danach für die bundesweit rund 3100 Beschäftigten weiter? Auf welche kurz- und langfristigen Auswirkungen müssen sich Fahrgäste einstellen? Und wie realistisch ist ein Ausstieg von Abellio aus dem NRW-weiten Bahnverkehr? Lothar Ebbers, Pressesprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn in NRW, beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist ein Schutzschirmverfahren?

Bei einem Schutzschirmverfahren handelt es sich laut Ebbers um eine „insolvente Selbstverwaltung“. Ziel eines solchen Verfahrens sei es, „den Betrieb mit Veränderungen der Verträge weiterlaufen zu lassen“. Bedeutet: Abellio fordert von den Verkehrsverbünden günstigere Konditionen, um den Bahnverkehr kostendeckend aufrechterhalten zu können. Im Zuge eines Schutzschirmverfahrens werden die Löhne und Gehälter drei Monate lang von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Das verschaffe Abellio laut Ebbers während der laufenden Verhandlungen den notwendigen finanziellen Puffer.

Und wenn es bis Ablauf der Frist keine Einigung gibt?

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„Falls das Schutzschirmverfahren nicht zum Erfolg führt, müssen die Aufgabenträger eine Notvergabe durchführen“, so Ebbers. „Ähnlich wie beispielsweise vor einigen Jahren, als der VRR mit Kelios den Vertrag über den Betrieb der S1 und S4 gekündigt hat.“ Abellio habe aber in den vergangenen Wochen deutlich zu verstehen gegeben, dass das Unternehmen seinen Bahnbetrieb in Deutschland weiterführen möchte. Ebbers gehe deshalb davon aus, dass es zu einer Einigung kommen werde.

Welche Auswirkungen hätte eine Notvergabe für Fahrgäste?

„Im Prinzip ist der Verkehr gesichert“, so der NRW-Sprecher von Pro Bahn. Personal und Fahrzeuge würden im Falle einer Notvergabe auf das neue Unternehmen übergehen. „Dass es mal ein bis zwei Tage ruckeln kann, damit müssen Fahrgäste schon rechnen. Es ist aber nicht so, dass plötzlich drei Monate lang nichts mehr fährt.“ Ebbers mache sich um den Bahnbetrieb keine Sorgen – solange der Übergang geordnet ablaufe. „Es gibt durch die Art der Verträge große Eingriffsmöglichkeiten seitens der Aufgabenträger.“

Abellio verspricht auf seiner Homepage: Für Kundinnen und Kunden ändere sich durch den am 30. Juni beantragten gesetzlichen Schutzschirm „überhaupt nichts“. Auch die Kundencenter seien nach wie vor geöffnet. „Unsere Züge fahren weiter“, so das Unternehmen. Abellio werde auch weiterhin auf allen 51 Linien mit seinen 286 Zügen unterwegs sein. Zudem gebe es laut Ebbers Notfahrpläne, sollte der Bahnbetrieb im Falle einer Notvergabe „ruckeln“.

Wie haben die Beschäftigten reagiert?

„Es gibt aktuell keinen Grund zur Panik“, sagt Ebbers. „Ich habe auch schon mit einigen Beschäftigten mit Abellio gesprochen. Die fürchten auch nicht um ihre Jobs.“ Schließlich müssten die Züge weiter gefahren werden, so der Pro Bahn-Sprecher. Zudem werde Zug- und Bahnpersonal händeringend gesucht. „Aus meiner persönlichen Einschätzung habe ich derzeit keine großen Befürchtungen um die Mitarbeiter.“

Was sagt der VRR zum beantragten Schutzschirmverfahren?

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„Der VRR weiß, dass Abellio wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, sich die Kosten des Betriebs unvorhergesehen deutlich erhöht haben, die Verkehrsverträge nicht mehr auskömmlich sind und auch die Einleitung des Verfahrens war uns rechtzeitig bekannt“, so VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik auf NRZ-Anfrage. Aktuell drohe jedoch keine Betriebseinstellung. „Es gibt zwischen den in NRW tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen und den für den SPNV zuständigen kommunalen Zweckverbänden NVR, NWL und VRR seit dem vergangenen Jahr bereits Gespräche über eine mögliche Anpassung der bestehenden Verträge.“ Eine Prognose zu den Erfolgsaussichten des Schutzschirmverfahrens und Fortsetzung des Abellio-Betriebs wolle der VRR nicht abgeben.

Welche langfristigen Folgen drohen bei einem Abellio-Ausstieg?

„Eines muss klar sein“, sagt Ebbers. „Fast alle Unternehmen haben Ansprüche gestellt. Abellio ist nur die Spitze des Eisbergs.“ Der große Wettbewerb habe für die Fahrgäste in den vergangenen Jahren zu einem Qualitätsanstieg geführt. Die Pünktlichkeit sei verbessert worden, Fahrzeuge seien saniert worden oder neu in Betrieb gegangen. „Das zeigt, was verloren gehen könnte. Je weniger Unternehmen im Markt sind, desto höher werden die Preise.“ NRW drohe im Falle eines Ausscheidens von Abellio eine „Abbestellrunde“: „Insofern sind auch Bund und Land gefordert. Sie müssen nicht nur ihre Geldschatulle öffnen, sondern die Rahmenbedingungen so ändern, dass wir einen auskömmlichen SPNV-Markt haben.“