Am Niederrhein. Imkern ist ein Trendhobby. Damit das noch bienenschonender klappt, forscht die Hochschule Niederrhein zu digitalen Sensoren für Bienenstöcke.
Die Biene erfreut sich immer größerer Beliebtheit, Imkern gilt mittlerweile als echtes Trendhobby. Mithilfe von Einsteigersets aus dem Baumarkt lässt sich relativ einfach im Garten oder auf dem Balkon ein eigenes Bienenvölkchen aufbauen. Ein Phänomen, das nicht ganz unproblematisch ist, wie Professor Claus Brell von der Hochschule Niederrhein (Krefeld/Mönchengladbach) erklärt: „Imkern heißt, dass man eine gewisse Verantwortung den Tieren und den Menschen gegenüber hat.“
Brell selbst ist eher zufällig auf die Biene gekommen. Der Professor für Wirtschaftsinformatik und Statistik beschäftigt sich zwar schon seit vielen Jahren mit künstlicher Intelligenz und tierischen Verhaltensweisen, beobachtet in dem Zusammenhang aber vor allem Singvögel. Ein lebensnahes Thema, durch das er seinen Studierenden komplexe Prozesse anschaulich erklären kann. Auch Ameisen findet er richtig spannend. „Da hört einem aber keiner richtig zu“, sagt er und lacht. Bienen sind eben angesagter.
Die Krisen eines Imkers
Im Jahr 2016 kam Brell schließlich die Idee, einfach mal etwas auszuprobieren. Einer seiner Mitarbeiter ist Hobbyimker, besitzt also einige Bienenstöcke. Daran befestigte der Professor nach Absprache ein paar digitale Sensoren. Und weil der Kollege fand, dass seine beiden Bienenvölker nun doch viel besser bei Brell aufgehoben seien, wurde dieser auf einmal selbst zum Hobbyimker. Er begann zu recherchieren, trat einem Imkerverein ein. Denn: „Imkern ist nur einfach, wenn keine Krise kommt.“
Und Krisen, von denen durchlebt ein Imker einige. Das erfuhr auch Brell am eigenen Leib. „Eine Faustregel ist, dass ein Hobbyimker am Anfang ein Bienenvolk zum Arbeiten und ein Bienenvolk zum Totgucken hat“, sagt er. Der Grund ist ebenfalls schnell erklärt: „Ein Imker fragt sich immer: Geht es dem Volk gut?“ Das erkennen Anfänger allerdings noch nicht anhand der Geräusche oder der Flugbewegung, stattdessen müssen sie die „Beute“ regelmäßig öffnen.
Weniger Stress im Bienenstock
Ein solcher Vorgang bedeutet enormen Stress für die Honigbienen. „Manche sagen sogar, einmal Aufmachen kostet ein Kilogramm Honig“, sagt Brell. Zusätzlich könnte bei dem Vorgehen immer auch die Königin zu Schaden kommen. Eine echte Gefahr fürs ganze Volk. Das muss doch auch anders gehen, dachte sich der Professor. Und stellte einen Antrag für ein Forschungsprojekt, der schließlich bewilligt wurde. Im März konnten er und sein Team mit „Biene 4.0“ beginnen.
Projektpartner sind die Großimkerei Bienenland in Willich, das Fachzentrum Bienen und Imkerei in Mayen sowie ein Sensorikentwicklungs-Startup in Mönchengladbach. Gemeinsam wollen sie herausfinden, ob es sich mithilfe digitaler Sensorik bienenschonender Imkern lässt. Sollten die Labormuster die auf drei Jahre angelegte Testphase bestehen, könnten Imker bequem von zuhause den Zustand der Bienenvölker überprüfen. Die Folge: Weniger Stress für den Menschen, weniger Stress für die Tiere. Und mehr Honig.
Wirtschaftliches Interesse an Honigproduktion
Ein wichtiger Punkt, wie Brell betont: „Deutschland ist Honigverbrauchsweltmeister, aber nur 20 Prozent des Honigs produzieren wir selbst.“ Es gibt also durchaus ein wirtschaftliches Interesse, die Produktion der Honigbienen weiter anzukurbeln. Eine Co-Existenz von Honig- und Wildbienen sei aber ebenfalls immer möglich, so der Experte: „Wenn man etwas für Honigbienen tut, wird automatisch der Blick für Wildbienen geschult und sie profitieren davon.“ So gesehen ist ein Imker auch ein Naturschützer.“
Doch wie kann ein Imker eigentlich seinem Volk helfen, wenn die moderne Technik ein Warnsignal abgibt? Das kommt ganz drauf an, so der Experte. „Haben die Bienen im Winter nicht mehr genug Futter, muss man nachfüttern.“ Dazu reicht im Notfall eine einfache Zuckerwasserlösung, an der sich die Insekten bedienen können. Geht es dagegen der Königin schlecht, was schon am traurig klingenden Summen zu erkennen ist, muss der Imker die alte gegen eine neue Königin austauschen.
Mehr Summen im Garten
Imkern ist eine kleine Wissenschaft für sich, das wird im Laufe des Gesprächs immer deutlicher. Mit einem Bausatz aus dem Baumarkt im eigenen Garten ist es längst nicht getan. Und doch möchte Brell mit seinem Projekt das Trendhobby weiter fördern, möchte es einfacher, produktiver und vor allem schonender machen. Damit es mehr summt und brummt, auch im eigenen Garten.
>>> Biene 4.0 an der Hochschule Niederrhein
Das Verbundprojekt „Biene 4.0“ der Hochschule Niederrhein läuft noch bis Ende Februar 2024 und hat ein Gesamtvolumen von 335.000 Euro. Gefördert wird es durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Sobald erste Messreihen und Bauanleitungen für die Elektronik verfügbar sind, will das Projektteam die Ergebnisse auf der Internetseite www.bieneviernull.de frei für alle Interessierten bereitstellen. Aktuelle Informationen über den Entwicklungsstand gibt es auf Twitter unter www.twitter.com/bieneviernull
Der Deutsche Imkerbund schätzt, dass es in Deutschland 160.000 Imker mit insgesamt etwa 1.100.000 Bienenvölkern gibt. Und dennoch könnten es mehr sein, denn die Nachfrage nach Honig übersteigt bei Weitem das Angebot. Die Deutschen vernaschen rund ein Kilogramm pro Kopf und Jahr.