Essen. Immer Konzerte werden verschoben oder abgesagt. Die Veranstaltungsbranche steht vor dem zweiten harte Winter.
Beatrice Egli in Bochum – verschoben auf den März 2022. Sido in Köln zwei Mal verschoben, jetzt endgültig abgesagt. Viele andere Konzerte – unsicher. Konzertveranstalter leiden auch in diesem Winter wieder so stark unter Corona wie kaum eine andere Branche.
Was ausfällt? Was stattfindet? Ralf Kokemüller, Geschäftsführer von Mehr-BB Entertainment, einem der größten Anbieter von Live-Unterhaltung im Land, kann es noch nicht sagen. „„Wir prüfen jetzt, was in welchen Theatern und Konzerthäusern möglich ist.“ Doch das ist leichter gesagt als getan.
Viele Fragen sind noch ungeklärt
„Durch die ständige Anpassung der Auflagen sowie der unterschiedlichen Regelungen in den Regionen, fahren wir weiterhin auf Sicht“, bestätigt Dieter Semmelmann, Chef von Semmel Concerts, einer Konzertagentur, die in normalen Zeiten mehr als 1500 Veranstaltungen jährlich produziert. Zwar gilt die aktuelle Corona-Schutzverordnung für NRW landesweit, allerdings kann sie von einzelnen Städten noch einmal verschärft werden.
Und fast jede Spielstätte hat andere Bedingungen. „Es gibt noch Fragen, auf die man keine Antwort bekommt“, bestätigt Jens Michow, der Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV). Etwa: Wann handelt es sich um eine Kulturveranstaltung? Wie definieren die Länder den Begriff „Großveranstaltung?
Konzerte müssen wirtschaftlich bleiben
Aber selbst, wenn das alles geklärt ist, ist nicht alles klar. „Grundsätzlich ist unser Ziel natürlich, alle Veranstaltungen durchzuführen, die wir geplant haben“, sagt Kokemüller. „Aber“, sagt er, „das muss dann auch wirtschaftlich Sinn machen und keine weiteren Verluste verursachen.“ Nicht nur Michow hat da so seine Zweifel. „100 Prozent der Kosten bei maximal 30 bis 50 Prozent Nutzung der Raumkapazität, das kann nicht funktionieren.“ Tut es auch nicht, wie Semmelmann weiß. „Die meisten Veranstaltungen können nicht gewinnbringend umgesetzt werden.“
Der „Starlight Express“ in Bochum ist da aktuell noch eine Ausnahme. Was daran liegt, dass das Musical beim Wiederbeginn im Oktober von vornherein nicht seine volle Besucherkapazität ausgenutzt hat und maximal 1200 Zuschauer ins Theater lässt. Sie müssen allerdings nach der neuen Schutzverordnung nun auch auf ihren Plätzen während der ganzen Aufführung eine Maske tragen.
Verkauf von Tickets ist „eingebrochen“
Kleinere Veranstaltungen haben diese Kapazitätsbeschränkungen nicht. Sorgen haben ihre Veranstalter trotzdem. Grundsätzlich, heißt es, sei die „Sehnsucht nach Live-Unterhaltung“ groß. Wenn sie allerdings angeboten wird, bleiben bei manchen Events viele Stühle frei.
„Die Leute sind zurückhaltend“, hat Wilfried Kickermann, Veranstalter aus Menden festgestellt, der Künstler wie Torsten Sträter oder Ralf Schmitz durchs Sauerland und Ruhrgebiet schickt. Und sie blicken offenbar eher skeptisch in die Zukunft. Der Verkauf von Tickets für Veranstaltungen in der nahen Zukunft sei „eingebrochen“, sagt Kickermann. Gerade jetzt vor dem Fest, wo Konzertkarten eigentlich gerne verschenkt werden. „Wir haben kein Weihnachtsgeschäft, wie es sich normalerweise darstellt“, klagt auch Semmelmann.
Alte Gutscheine können gegen Geld getauscht werden
Und das neue Jahr könnte die Probleme der Branche noch verschärfen. Denn ab 1. Januar können sich Verbraucher die geschätzt mehrere Millionen Gutscheine auszahlen lassen, die sie in der ersten Corona-Welle als Ausgleich für ausgefallene Veranstaltungen und Reisen bekommen haben. Wie viele das tatsächlich machen, lässt sich kaum vorhersagen. Kokemüller etwa hofft auf die „Solidarität“ der Kundschaft, die er während der Pandemie gespürt hat. Auch Kickerman wagt keine Prognose, ahnt aber: „Wer das Geld für die Gutscheine nicht zur Seite gelegt hat, für den könnte es schwierig werden.“
Doch auch für die anderen wird es nicht einfach werden. Deshalb fordert der BDKV-Präsident eine „Nachschärfung“ des im Frühjahr vom Bund aufgelegten Sonderfonds’ für Kulturveranstaltungen. Von den 2,5 Milliarden Euros dieses Fonds’ seien bereits 1,5 Milliarden für Veranstaltungsausfälle reserviert. „Ich hoffe, dass das reicht, ansonsten muss der Bund nachlegen“, fordert Michow. Jedenfalls brauche die Branche dringend einen „Ausfallfonds forever“. „Sonst wird kein Veranstalter angesichts des großen Risikos mehr langfristig größere Events planen.“ Grundsätzlich allerdings seien die staatlichen Hilfen bisher alternativlos gewesen. „Ohne diese Unterstützung würde es diese Branche nicht mehr