Berlin. Die Linkspartei ist nach der Wahl trotz eines schlechteren Ergebnisses als noch vor vier Jahren in Hochstimmung. Sie feiert ihre Wiederauferstehung nach Jahren der Unstimmigkeiten, noch mehr aber das Scheitern der FDP, das schlechte Abschneiden der Grünen und die Zugewinne der Linken in Hessen.
Jubel gibt es bei der Wahlparty der Linken zunächst nur über den Absturz der FDP
und die Verluste der Grünen. Als der tiefrote Balken der eigenen Partei in der
ersten Hochrechnung nur auf 8,3 Prozent steigt, bleibt es im Kesselhaus der
Berliner Kulturbrauerei dagegen seltsam still. Viele hatten nach den steigenden
Umfragewerten der letzten Wochen gehofft, dass doch noch die von Spitzenkandidat
Gregor Gysi ausgegebene Zielmarke von zehn Prozent erreicht werden könnte.
Für die Parteiführung ist trotzdem schnell klar, dass es Grund zum
Feiern gibt. Das liegt vor allem daran, dass die Linke beste Chancen hat, erstmals drittstärkste Kraft im
Bundestag zu werden - vor den Grünen. Die Co-Vorsitzende Katja Kipping spricht
von einem "ganz großartigen Tag für die Linke".
Und spätestens als Gysi auf die Bühne tritt, und das Ergebnis als Erfolg wertet,
glaubt es auch das Publikum - und dankt es ihm mit "Gregor,
Gregor"-Sprechchören. "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die
drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird. Das haben
wir geschafft", sagt Gysi.
Gewinner und Verlierer
Gysi trieb die Linke voran
Würde man das letzte Wahlergebnis als Maßstab nehmen, hätte die Linke eigentlich gar nichts zu feiern. Damals kam die
gerade aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei/PDS
neugegründete Partei mit Gysi und Oskar Lafontaine an der Spitze auf Anhieb auf
11,9 Prozent. Es folgte eine Zeit der innerparteilichen Streitereien, die die
Partei an den Rand des Abgrunds brachte.
Der Tiefpunkt war der Göttinger Parteitag im Mai vergangenen Jahres,
bei dem Gysi in seiner berühmt-berüchtigten "Hass"-Rede vor einer Spaltung
warnte. Damals kratzte die Linke in den Umfragen
an der Fünf-Prozent-Hürde. Dass es jetzt mehr als acht Prozent wurden, kann vor
allem Gysi für sich verbuchen. Der 65-Jährige hat in seinem vielleicht letzten
Bundestagswahlkampf mit 200 Reden, Interviews und Talkshow-Auftritten noch
einmal alles gegeben. Die anderen sieben Spitzenkandidaten blieben in seinem
Schatten. Selbst Sahra Wagenknecht konnte mit der Präsenz des Fraktionschefs
nicht mithalten.
Gysi setzte erfolgreich auf eine Doppelstrategie: Die SPD angreifen,
aber gleichzeitig für Rot-Rot-Grün werben. Gespräche auszuschließen sei "albern
und grotesk", sagt der Fraktionschef auch am Wahlabend an die Adresse der SPD.
Die zeigt der Linken aber weiter die kalte Schulter. "Die Linkspartei ist für
uns nicht koalitionsfähig - in mehrfacher Hinsicht", wiederholt
SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück in der "Berliner Runde", obwohl die
Hochrechnungen zu diesem Zeitpunkt auf eine knappe rot-rot-grüne Mehrheit
hindeuten.
Hoffnung auf Rot-Rot-Grün
Das Projekt Rot-Rot-Grün wird Gysi dennoch nicht aufgeben. Er hofft
auf die nächste Chance. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, würde ihm
das bestens ins Konzept passen. "Das hält sie nicht durch. Dann rappelt's im
Karton der SPD", prophezeite er bereits vor der Wahl. Spätestens 2017 -
vielleicht sogar früher - ist die Zeit für Rot-Rot-Grün nach seiner Rechnung
dann reif.
Das zufriedenstellende Wahlergebnis wird den Fraktionschef auch
innerparteilich stärken. In der neuen Wahlperiode wird es darum gehen, wer das
Erbe von Gysi und Lafontaine in der Linken antritt. Als Wortführerin des vor
allem in Westdeutschland verankerten radikalen Parteiflügels hat sich Sahra
Wagenknecht als Nachfolgerin ihres Lebensgefährten Lafontaine in Stellung
gebracht. Gysi will dagegen dafür sorgen, dass die ostdeutschen Pragmatiker die
künftige Parteilinie maßgeblich bestimmen. Er würde sich Dietmar Bartsch in
führender Position wünschen, der nach seinem Scheitern im Kampf um die
Parteispitze im vergangenen Jahr weiter auf seine Chance wartet.
Eine erste Kraftprobe wird es Anfang Oktober bei der Wahl des neuen
Fraktionsvorstands geben. Zweimal hat Gysi bereits verhindert, dass Wagenknecht
an seine Seite in der Fraktionsspitze aufrückt. Der Verlauf des Wahlkampfs und
das Ergebnis könnten dazu beitragen, dass ihm das erneut gelingt. (dpa)