Berlin. Die Linkspartei ist nach der Wahl trotz eines schlechteren Ergebnisses als noch vor vier Jahren in Hochstimmung. Sie feiert ihre Wiederauferstehung nach Jahren der Unstimmigkeiten, noch mehr aber das Scheitern der FDP, das schlechte Abschneiden der Grünen und die Zugewinne der Linken in Hessen.

Jubel gibt es bei der Wahlparty der Linken zunächst nur über den Absturz der FDP
und die Verluste der Grünen. Als der tiefrote Balken der eigenen Partei in der
ersten Hochrechnung nur auf 8,3 Prozent steigt, bleibt es im Kesselhaus der
Berliner Kulturbrauerei dagegen seltsam still. Viele hatten nach den steigenden
Umfragewerten der letzten Wochen gehofft, dass doch noch die von Spitzenkandidat
Gregor Gysi ausgegebene Zielmarke von zehn Prozent erreicht werden könnte.

Für die Parteiführung ist trotzdem schnell klar, dass es Grund zum
Feiern gibt. Das liegt vor allem daran, dass die Linke beste Chancen hat, erstmals drittstärkste Kraft im
Bundestag zu werden - vor den Grünen. Die Co-Vorsitzende Katja Kipping spricht
von einem "ganz großartigen Tag für die Linke".
Und spätestens als Gysi auf die Bühne tritt, und das Ergebnis als Erfolg wertet,
glaubt es auch das Publikum - und dankt es ihm mit "Gregor,
Gregor"-Sprechchören. "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die
drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird. Das haben
wir geschafft", sagt Gysi.

Gewinner und Verlierer

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Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ...
Schwarz-Gelb erlebt Triumph und Absturz: Während die Union mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ... © REUTERS | REUTERS
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ...
... bei der Bundestagswahl am Sonntag ... © REUTERS | REUTERS
... klar stärkste Kraft wurde,
... klar stärkste Kraft wurde, © dpa | dpa
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag.
... verpasste die FDP erstmals den Einzug in den Bundestag. © dpa | dpa
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009).
Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erhielten CDU und CSU zusammen 41,5 Prozent der Stimmen (plus 7,7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2009). © dpa | dpa
Merkel sprach von einem
Merkel sprach von einem "super Ergebnis" und bedankte sich für das Vertrauen der Wähler. Zugleich ... © Getty Images | Getty Images
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu:
... sicherte sie mit Blick auf die neue Stärke der Union zu: "Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen". © AFP | AFP
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein.
Ihr bisheriger Bündnispartner FDP hingegen scheiterte mit 4,8 Prozent (minus 9,8) an der Fünfprozenthürde und wird zum ersten Mal seit Bestehen des Bundestags nicht im Parlament vertreten sein. © REUTERS | REUTERS
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ...
Entsetzen herrschte bei der FDP. Parteichef Philipp Rösler ... © dpa | dpa
... kündigte politische Konsequenzen an.
... kündigte politische Konsequenzen an. "Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagte er. © Getty Images | Getty Images
"Es sei "eine schlimme Stunde für die FDP", ergänze Spitzenkandidat und Fraktionschef Rainer Brüderle. © dpa | dpa
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt.
Die FDP hatte bis zuletzt um Leihstimmen von Unions-Anhängern geworben, Merkel hatte dies jedoch abgelehnt. © AFP | AFP
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7).
Zweitstärkste Kraft mit deutlichem Abstand zur Union wurde die SPD mit 25,7 Prozent der Stimmen (plus 2,7). © dpa | dpa
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte, seine Partei habe "nicht das Ergebnis erzielt, das wir wollten". Er gratulierte ebenso ... © dpa | dpa
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg.
...wie SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin zu ihrem Wahlsieg. © dpa | dpa
"Wir haben verloren. Das ist bittere Realität", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. © Getty Images | Getty Images
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine
Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt kündigte eine "klare und sehr ehrliche Analyse" an. Koalitionsspekulationen ... © dpa | dpa
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber:
... lehnte auch Trittin ab, sagte aber: "Wir machen das von der Sache abhängig." © Getty Images | Getty Images
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ...
Linksfraktionschef Gregor Gysi verwies darauf, dass seine Partei ... © dpa | dpa
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei.
... trotz Verlusten die drittstärkste Kraft im neuen Bundestag sei. © dpa | dpa
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der
Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte der Online-Ausgabe der "Mitteldeutschen Zeitung", Linke und SPD könnten nun Partner sein. Dafür müssten die Sozialdemokraten allerdings ihren "Agenda-2010-Kurs" beenden. Ihre Partei werde nicht zu Gesprächen auffordern - "die SPD muss auf uns zukommen", sagte Wagenknecht. © dpa | dpa
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ...
AfD-Spitzenkandidat Bernd Lucke wertete das Ergebnis seiner Partei als Denkzettel für ... © Getty Images | Getty Images
... die etablierten Parteien.
... die etablierten Parteien. "Wir haben hier ein kräftiges Zeichen des Widerspruchs gesetzt", sagte er. Die AfD will den Austritt Deutschlands aus der europäischen Währungsunion. © REUTERS | REUTERS
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden.
Die Wahlbeteiligung lag bei 71,5 Prozent und damit 0,7 Prozentpunkte höher als vor vier Jahren. Insgesamt konnten sich 61,8 Millionen Wahlberechtigte zwischen 34 Parteien entscheiden. © dpa | dpa
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Gysi trieb die Linke voran

Würde man das letzte Wahlergebnis als Maßstab nehmen, hätte die Linke eigentlich gar nichts zu feiern. Damals kam die
gerade aus der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei/PDS
neugegründete Partei mit Gysi und Oskar Lafontaine an der Spitze auf Anhieb auf
11,9 Prozent. Es folgte eine Zeit der innerparteilichen Streitereien, die die
Partei an den Rand des Abgrunds brachte.

Der Tiefpunkt war der Göttinger Parteitag im Mai vergangenen Jahres,
bei dem Gysi in seiner berühmt-berüchtigten "Hass"-Rede vor einer Spaltung
warnte. Damals kratzte die Linke in den Umfragen
an der Fünf-Prozent-Hürde. Dass es jetzt mehr als acht Prozent wurden, kann vor
allem Gysi für sich verbuchen. Der 65-Jährige hat in seinem vielleicht letzten
Bundestagswahlkampf mit 200 Reden, Interviews und Talkshow-Auftritten noch
einmal alles gegeben. Die anderen sieben Spitzenkandidaten blieben in seinem
Schatten. Selbst Sahra Wagenknecht konnte mit der Präsenz des Fraktionschefs
nicht mithalten.

Gysi setzte erfolgreich auf eine Doppelstrategie: Die SPD angreifen,
aber gleichzeitig für Rot-Rot-Grün werben. Gespräche auszuschließen sei "albern
und grotesk", sagt der Fraktionschef auch am Wahlabend an die Adresse der SPD.
Die zeigt der Linken aber weiter die kalte Schulter. "Die Linkspartei ist für
uns nicht koalitionsfähig - in mehrfacher Hinsicht", wiederholt
SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück in der "Berliner Runde", obwohl die
Hochrechnungen zu diesem Zeitpunkt auf eine knappe rot-rot-grüne Mehrheit
hindeuten.

Hoffnung auf Rot-Rot-Grün

Das Projekt Rot-Rot-Grün wird Gysi dennoch nicht aufgeben. Er hofft
auf die nächste Chance. Sollte es zu einer großen Koalition kommen, würde ihm
das bestens ins Konzept passen. "Das hält sie nicht durch. Dann rappelt's im
Karton der SPD", prophezeite er bereits vor der Wahl. Spätestens 2017 -
vielleicht sogar früher - ist die Zeit für Rot-Rot-Grün nach seiner Rechnung
dann reif.

Das zufriedenstellende Wahlergebnis wird den Fraktionschef auch
innerparteilich stärken. In der neuen Wahlperiode wird es darum gehen, wer das
Erbe von Gysi und Lafontaine in der Linken antritt. Als Wortführerin des vor
allem in Westdeutschland verankerten radikalen Parteiflügels hat sich Sahra
Wagenknecht als Nachfolgerin ihres Lebensgefährten Lafontaine in Stellung
gebracht. Gysi will dagegen dafür sorgen, dass die ostdeutschen Pragmatiker die
künftige Parteilinie maßgeblich bestimmen. Er würde sich Dietmar Bartsch in
führender Position wünschen, der nach seinem Scheitern im Kampf um die
Parteispitze im vergangenen Jahr weiter auf seine Chance wartet.

Eine erste Kraftprobe wird es Anfang Oktober bei der Wahl des neuen
Fraktionsvorstands geben. Zweimal hat Gysi bereits verhindert, dass Wagenknecht
an seine Seite in der Fraktionsspitze aufrückt. Der Verlauf des Wahlkampfs und
das Ergebnis könnten dazu beitragen, dass ihm das erneut gelingt. (dpa)