Ruhrgebiet.. Obwohl häufig und eindringlich vor dem sogenannten „Enkeltrick“ gewarnt wird, fallen Senioren immer wieder auf Betrüger herein. Seniorensicherheitsberater Gerd Sauer will sie misstrauischer machen.

Gerd Sauer ist nett, freundlich und gewinnend, er bringt also alles mit, was einen guten Trickdieb ausmacht. Tatsächlich aber ist der 68-Jährige, der früher Mordkommissionen in Bochum leitete, heute ehrenamtlich als Seniorensicherheitsberater der Polizei unterwegs: „Einmal Polizist, immer Polizist, das kann man nicht mehr ablegen.“

Herr Sauer, sie halten mehrmals im Monat Vorträge?

Gerd Sauer: Das Interesse ist sehr groß, ja. Ich gehe zuerst immer zu den älteren Herrschaften hin, gebe jedem die Hand und nehme mit, was ich kriegen kann (lacht). Wenn ich dann wieder vorne stehe und frage, ob schon mal jemand bestohlen wurde, meldet sich nie jemand. Dann halte ich die erste Uhr hoch und frage: Und wem gehört dann die?

Wie kann das funktionieren?

Sauer: Ich bin ja sympathisch und höflich. Ich mache ihnen Komplimente. Senioren sind auch oft weniger argwöhnisch als jüngere Leute. Viele denken sich: Ich passe ja gut auf, mir kann so etwas gar nicht passieren.

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Es gibt diese Welle von Enkeltricks. Wie kann ein Trick so oft aufgehen, bei dem eine völlig unplausible Geschichte erzählt und eine absurde Geldübergabe an Fremde verabredet wird?

Sauer: Das hat viel mit Psychologie zu tun. Die Täter tasten sich in das Gespräch, so ähnlich, wie man Leute googeln kann, und erfahren so sehr viel über ihr Opfer. Das macht sie glaubwürdig als Angehörige. Es ist aber auch so: Wenn die echten Enkel bei Oma und Opa aus- und einspazieren, dann wird das nicht passieren. Aber wer den ganzen Tag alleine sitzt, freut sich über jeden Kontakt. Das ist doch die Realität. Und dann kommt der Enkel und ist in Not . . .

Wie kann man sich da schützen?

Sauer: Vergewissern Sie sich, wer da anruft. Gucken Sie auf die Nummer im Display. Verabreden Sie, zurückzurufen. Wenn Ihnen irgend etwas komisch vorkommt: lieber die Polizei einmal mehr anrufen als einmal zu wenig.

Und vor Trickdieben aller Art?

Sauer: Den Stadtwerker kann ich fragen, wo sein Fahrzeug steht. Oder wie meine Kundennummer ist. Grundsätzlich gilt: Lassen Sie nie einen Fremden in die Wohnung. Schon gar nicht, wenn Sie allein sind. Wenn er in der Wohnung ist, haben Sie schon verloren. Er lenkt Sie dann ab, und der zweite durchsucht blitzschnell alles.

Falsche Polizisten, falsche Schwangere, falsche Handwerker. Ein Mensch mit Allerweltsnamen sagt meiner chinesischen Frau, er sei ein Ex-Kollege und wolle eine Nachricht aufschreiben und hinterlassen. Sie hat ihn nicht hereingelassen. Das war wahrscheinlich auch einer, oder?

Sauer: Das war auch einer. Die lassen sich ja auch ständig etwas Neues einfallen. Kommt der falsche Postbote und sagt: „Ich habe für Sie eine Rückzahlung von der GEZ. Sie bekommen drei Euro vierundachtzig.“ Schon ist er in der Wohnung. Das hat auch was mit Gesellschaft zu tun: Früher kannte jeder seinen Postboten, heute kommt jeden Tag ein anderer.

Wertsachen zu Hause verstecken?

Sauer: Eine alte Dame erzählte mir neulich freudestrahlend, sie habe jetzt ihr Geld in einer Dose im Küchenschrank . . . Die Leute nutzen tausend Verstecke, aber die Täter kennen tausendeins. Die finden alles. Es ist auch schon vorgekommen, dass Leute vergessen haben, wo sie ihre Wertsachen versteckt haben.

Gibt es Seniorensicherheitsberater überall in NRW?

Sauer: Ja, das ist flächendeckend. Unsere Aufgabe ist es, die Leute misstrauisch zu machen. Es kommen auch nicht alle aus der Polizei. Die werden dann speziell geschult, aber bei mir wurde das nicht mehr für nötig gehalten.

Und was bewirkt Ihre Arbeit?

Sauer: Das kann man natürlich nicht in Zahlen messen. Aber es gibt schon Rückmeldungen, dass jemand sagt, ich pass jetzt viel mehr auf, oder: Ich habe jemanden weggeschickt, den hätte ich früher reingelassen. Ich kenne aber auch eine Familie, die ist zweimal auf den Kollegentrick reingefallen. Das gibt es auch. Wie hieß nochmal Ihre Frau? Mei Chi?

Zhou Hui.

Sauer: Sehen Sie, jetzt weiß ich schon, wie Ihre Frau heißt.