Dortmund.. Monatelang war es ruhig im Rockermilieu, doch nun drohen neue Konflikte zwischen Hells Angels und Bandidos. Das Landeskriminalamt ist in höchster Alarmbereitschaft und will mit verschärften Beobachtungen einen Rockerkrieg an Rhein und Ruhr verhindern.

Droht an Rhein und Ruhr ein neuer Rockerkrieg? In diesen Tagen deutet trotz eines selbst verhängten Stillhalteabkommens einiges darauf hin: Zwischen den zwei verfeindeten Rockerbanden Hells Angels und Bandidos ist es zuletzt mehrfach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Ein blutiger Kampf in Mönchengladbach, eine Explosion in einem Hertener Bandidos-Vereinsheim und Schüsse auf die Wohnung eines Bandidos-Mitglieds in Oberhausen haben das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. „Wir haben die beiden Rockergruppen nie aus den Augen gelassen, aber nach dieser Eskalation die Maßnahmen wieder intensiviert“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. In Westfalen, so bestätigen die zuständigen Polizeibehörden, sei es bislang aber friedlich geblieben.

Es war monatelang ruhig im Rockermilieu. Gefährlich ruhig in einer – wie Experten sagen – Parallelgesellschaft, die alles dafür tut, um nicht aufzufallen. „Das sind kriminelle Organisationen und mafiose Machenschaften, mit denen wir auch genau so umgehen“, sagt Stephan Hegger von der Polizei-Gewerkschaft in NRW (GdP). Eine Organisation, die ihre Wurzeln vornehmlich in Nordrhein-Westfalen hat: Während die Bandidos nach LKA-Angaben über 25 Niederlassungen (bundesweit: 67) mit etwa 400 Mitglieder verfügen, zählen die Hells Angels neun Klubs (41) mit etwa 250 Rockern. Die Dunkelziffer ist hoch, zumal Neulinge erst nach einer mehrjährigen Probezeit als vollwertiges Mitglied gelten.

In Westfalen ist es noch friedlich

Während an Rhein und Ruhr der Konflikt neu zu entflammen droht, ist die Lage in Westfalen nach Polizeiangaben friedsam. In Dortmund und Lünen mit insgesamt vier Niederlassungen: keine Probleme. In Schwerte: völlig ruhig. Und in Menden, wo so eben der Umbau des künftigen Vereinsheims stattfindet: keine Auffälligkeiten.

Selbst in Siegen, wo beide Rockerbanden ihr Lager aufgeschlagen haben, gibt es keine besonderen Vorfälle zu berichten. „Die kommen nach unseren Erkenntnissen gut miteinander aus und leben friedlich nebeneinander her – aber wir wären ja blöd, wenn wir da nicht genau hinschauen würden“, heißt es aus der zuständigen Polizeistelle. Nicht einmal fünf Kilometer trennen die beiden Siegener Klubheime – eigentlich beste Voraussetzungen für Ärger: „Meist geht es bei Auseinandersetzungen um Revierkämpfe“, sagt Scheulen vom LKA.

Das seien aber nur die vordergründigen Machtkämpfe. Hinter den Kulissen geht es um anderes: um Prostitution, um Menschen- und Drogenhandel, um Erpressung. Und um Waffen. Allein für den Zeitraum 2002 bis 2009 registrierte das LKA in Nordrhein-Westfalen 23 Ermittlungsverfahren gegen die beiden Rockergruppen. „Egal, wann wir in einem Klubhaus eine Razzia durchführen: Wir finden immer etwas“, sagt GdP-Sprecher Hegger. Selbst bei niederschwelligen Straftaten schreite die Polizei inzwischen massiv ein.

Friedensvertrag war PR-Trick

Erst vor wenigen Tagen stürmte das LKA ein Klubhaus und nahm mehrere Personen fest: wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Aber auch wegen Fahrens ohne Führerschein. „Das ist ein Signal an die Rocker: Ihr seid unter Beobachtung. Das ist Prävention im besten Sinne“, so Hegger. Ein viel diskutiertes Vereinsverbot, wie andernorts bereits durchgeführt, halten alle Experten nur dann für eine Alternative, wenn es gerichtsfest ist. Doch selbst dann ist die Gefahr, die von der Niederlassung ausgeht, nicht gebannt. „Als 2010 der Ortsverein in Düsseldorf verboten wurde, gründete er sich wenig später in Solingen neu – und kurz darauf flog dort eine Handgranate“, sagt Hegger.

Den offiziellen „Friedensvertrag“, den beide Lager im Mai 2010 öffentlich per Handschlag und Unterschrift in einer Kanzlei in Hannover besiegelten, ist mit Blick auf die zurückliegenden Zwischenfälle anscheinend Makulatur. Für die Polizei war es – ähnlich wie die von den Banden organisierten Kinderfeste oder Spendenaktionen – von Anfang an nur ein PR-Trick, wie der GdP-Sprecher betont: „Wenn es unter den Banden heißt: Wir kriegen Dortmund, ihr kriegt Düsseldorf, dann ist der Begriff Frieden eine wunderbare Formulierung.“