Düsseldorf. NRW-Gesundheitsminister Laumann macht Corona-Schnelltests in Pflegeheimen zur Pflicht – und bereitet eine Impfstrategie für NRW vor.
- Nach Angaben des DIVI-Intensivregisters wurden am Mittwoch mit 734 Erkrankten so viele Covid-19-Patienten auf NRW-Intensivstationen gezählt wie noch nie.
- Bei einer Pressekonferenz am Mittag kündigte Gesundheitsminister Laumann an, Schnelltests in Alten- und Pflegeheimen verpflichtend einzuführen.
- Zudem stieg auch die Zahl der Positiv-Tests in NRW: Von 380.000 Tests in der vergangenen Woche waren sieben Prozent positiv.
- Im Kreis Gütersloh sind die Krankenhäuser bereits an der Kapazitätsgrenze angekommen.
Die Situation in den Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen wird durch die vielen neuen Corona-Fälle allmählich schwieriger. Am Mittwoch wurden nach Angaben des DIVI-Intensivregisters 734 Patienten mit Covid-19 auf den Intensivstationen der NRW-Kliniken behandelt – das sind mehr als beim bisherigen Höhepunkt der Pandemie Mitte April. Damals wurde am 10. April mit 657 Patienten der höchste Wert erreicht.
In keinem anderen Bundesland werden mehr Corona-Patienten auf der Intensivstation behandelt. Allerdings verfügt NRW mit 6788 Intensivbetten insgesamt über die größten Kapazitäten. Zudem werden in NRW-Kliniken aktuell auch Covid-19-Patienten aus Nachbarländern wie den Niederlanden behandelt. Aktuell gebe es auch eine Hilfe-Anfrage aus Frankreich, die derzeit mit dem Bund beraten werde. Generell helfe man sich unter Nachbarn und „spreche nicht groß drüber“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die Nachbarschaftshilfe würde aber keineswegs das Gesundheitssystem in NRW ins Wanken bringen.
Es gibt aber auch einen Hoffnungsschimmer: Der R-Wert, der anzeigt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt, liegt nicht mehr bei 1,3, sondern bei 0,94, wie Laumann erklärte. Das könne ein Anzeichen dafür sein, dass die zusätzlichen Coronamaßnahmen wirken.
Gemeinsam mit dem Leiter der Klinischen Epidemiologie der Uni-Klinik Münster, informierte Laumann am Mittag über weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und Entlastung der Kliniken und Labore.
Schnelltests werden bevorzugt an Alten- und Pflegeheime geliefert
Ein hilfreiches Mittel in der Pandemie-Bekämpfung seien aktuell die Schnelltests, die bevorzugt an Alten- und Pflegeheime ausgeliefert würden. Das Reglement sehe aktuell vor, dass jedes Pflegeheim 20 Tests pro Bewohner und Monat mit der Krankenkasse abrechnen könne.
Ab dem 8. November greift in NRW eine Testverordnung für Alten- und Pflegeheime. Dann sind die Reihentests in den Einrichtungen verpflichtend. Von den aktuell insgesamt 51.400 Infizierten in NRW seien rund 1000 Bewohner von Pflegeheimen, weitere 1000 Fälle entfallen auf Pflegepersonal, erklärte Laumann. Vor diesem Hintergrund hat die NRW-Landesregierung eine bevorzugte Belieferung der Einrichtungen mit den beiden Apothekerverbänden in NRW beschlossen. Das Personal in den Heimen soll die Tests – nach Schulung durch Ärzte – selbst vornehmen.
Mit der Maßnahme soll die besonders sensible Risikogruppen älterer und vorerkrankter Menschen geschützt werden, sagte Laumann. Auch darüber hinaus seien aber aktuell ausreichend Schnelltests für die übrige Bevölkerung vorhanden. Später könnten auch Kliniken, Schulen und Privatpersonen die Schnelltests nutzen. 13 Millionen dieser neuen Tests sollen dem deutschen Markt insgesamt bis Weihnachten zur Verfügung stehen. Wie diese verteilt würden, entscheide aber der freie Markt, sagte Laumann. „Die Alternative zum Schnelltest ist das Nicht-Testen“, betonte Laumann. Mit den bisher üblichen PCR-Coronatests seien die Behörden an der „Obergrenze“ angekommen.
NRW testete in letzter Oktoberwoche 380.000 Menschen – so viel wie nie zuvor
Bei den regulären PCR-Tests sei in der vergangenen Woche ein neuer Rekord in NRW aufgestellt worden: Mit 380.000 Corona-Tests sei so viel getestet worden wie nie zuvor. Bedenklich sei die gestiegene Positivrate, führte Laumann aus: Fielen vor den Herbstferien noch zwei Prozent aller Coronatests positiv aus, so habe die Positivrate in der vergangenen Woche bei sieben Prozent gelegen, so Laumann.
Sein Ministerium sei aktuell damit beschäftigt, eine Impfstrategie für NRW zu erarbeiten. Aktuell sei aber noch völlig unklar, wann ein solcher Impfstoff kommt. „Das ist eine gigantische Geschichte, die da auf uns zukommt“, sagte Laumann. So gebe es Impfstoffe, die nur bei enormen Minustemperaturen gelagert würden: Schon jetzt würden alle logistischen Vorbereitungen getroffen, um 18 Millionen Menschen in NRW zu impfen. Dafür seien aktuell zwölf Impfzentren in NRW geplant. Zunächst müsse eine Kommission des Bundes aber entscheiden, wer zuerst geimpft würde, sagte Laumann. Da schwere Corona-Verläufe und Todesfälle überwiegend bei älteren Menschen auftreten, müsse diese Gruppe auch als erstes geschützt werden, stellte Laumann fest.
Krankenhäuser im Kreis Gütersloh sind bereits an Kapazitätsgrenze angekommen
Der Kreis Gütersloh hatte bereits vermeldet, dass seine Krankenhäuser an der Kapazitätsgrenze angekommen seien. „Ärzte, Kliniken, Rettungsdienst, Kreisleitstelle und die Abteilung Gesundheit sind durch das Infektionsgeschehen im Dauerstress“, berichtete der Kreis Gütersloh am Dienstag. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bestätigte, es gebe erste Alarmmeldungen aus dem Gesundheitswesen.
In fast allen Kreisen und kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen liegt der wichtige Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen weit über 100 – die Warnschwelle liegt schon bei 50. Die NRW-Kliniken behandeln im Moment rund 3000 Patienten mit Covid-19. Von den 685 Patienten auf der Intensivstation müssen 428 Menschen beatmet werden. Allerdings sind nach Angaben der Landesregierung im Moment noch mehr als 1000 Intensivbetten mit Beatmung unbelegt. (mit dpa)