Aus den Niederlanden. Die Niederlande rechnen mit steigenden Zahlen der Delta-Variante, die eine neue Welle verursachen könnten. Lockerungen bleiben vorerst in Kraft.
Während in den Niederlanden aufgrund der jüngsten Lockerungen wieder in Nachtclubs getanzt oder ohne Maske in vollen Innenstädten eingekauft wird, werden Bedenken wegen einer möglichen neuen Welle durch die Delta-Variante laut. Diese Mutation, die im Dezember 2020 in Indien entdeckt wurde, gilt als besonders ansteckend und ist in Europa zunehmend auf dem Vormarsch.
Das niederländische Gesundheitsinstitut RIVM erwartet deshalb einen schnellen Anstieg der Variante im Land – und sorgt sich um den Herbst. Die steigenden Zahlen könnten zu einer „neuen Welle von Infektionen“ führen, so das RIVM in einer Mitteilung, weil bis zum Herbst die Bevölkerung wohl noch nicht vollständig geimpft sein werde. Ab Ende Juli könnte die Delta-Variante bereits genauso oft vorkommen wie die derzeit vorherrschende Alphavariante, so ein RIVM-Sprecher auf Anfrage dieser Redaktion.
Niederlande: Kommt die Delta-Welle im Herbst?
Zuletzt habe die Deltavariante rund neun Prozent der Neuinfektionen in den Niederlanden ausgemacht. In Deutschland liegt der Anteil der Delta-Variante laut Robert-Koch-Institut bereits bei 36 Prozent. „Die Deltavariante wird im Herbst die vorherrschende sein“, sagt auch Andreas Voss, Professor an der Radboud Universiteit in Nimwegen.
„Die Zahlen werden sicher in die Höhe gehen, aber ob eine neue Welle kommt, hängt noch von vielen anderen Faktoren ab.“ Der Infektionsmediziner verweist auf den Einfluss der Impfbereitschaft, die Frage nach der Vollständigkeit des Impfschutzes sowie auf die Impfung von 12 bis 17-Jährigen, die in den Niederlanden zunehmend gefordert und seit Dienstag vom niederländischen Gesundheitsrat empfohlen wird.
Niederlande halten an jüngsten Lockerungen fest
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Angesichts der drohenden neuen Welle scheinen die jüngsten Lockerungen im Nachbarland von NRW auf den ersten Blick nicht so recht ins Bild zu passen. Zuletzt hatten die Niederlande nahezu alle Corona-Maßnahmen angesichts der sinkenden Inzidenz wieder aufgehoben. Seit Samstag gilt nur noch der Sicherheitsabstand von 1,5 Meter und auch die Maskenpflicht wurde größtenteils abgeschafft.
Zwar mahnt die niederländische Regierung weiterhin zur Vorsicht, doch wäre nicht gerade jetzt mehr als nur Vorsicht gefragt? Allzu viel Kritik am aktuellen Corona-Kurs der Regierung ist aber nicht zu hören. „Laut der Berechnungsmodelle macht es keinen großen Unterschied, was wir in den kommenden Wochen tun oder nicht tun“, sagt Andreas Voss.
Sommerferien: Infektionen aus dem Ausland eingeschleppt
Das Outbreak Management Team, das die Regierung in Fragen der Infektionsbekämpfung berät und dem auch Andreas Voss angehört, sieht Medienberichten zufolge noch keinen Grund, die eingeführten Maßnahmen in den kommenden Wochen schon wieder zurückzunehmen. „Die zunehmende Inzidenz der Delta-Variante wird den Erwartungen zufolge zunächst nicht zu mehr Aufnahmen auf den Intensivstationen führen, ungeachtet der letzten Lockerungen“, heißt es auch seitens des RIVM.
Dabei scheint gerade das Verhalten der Menschen im Sommer wichtig für den weiteren Verlauf der Pandemie, wie die Pressemitteilung des RIVM gleichzeitig nahelegt: „Im vergangenen Jahr sind die Infektionszahlen im Herbst gestiegen, nach einem relativ ruhigen Sommer. Das kam daher, dass Reisende sich an ihren Urlaubsorten infizierten und das Virus zurück nach Hause brachten.“ Das habe zur steigenden Verbreitung der neuen Virusvarianten geführt.
Lokale und regionale Maßnahmen in den Niederlanden möglich
Trotz dieser Erkenntnis aus dem vergangenen Sommer gibt es in den Niederlanden noch keinen lauten Ruf nach verpflichtenden, präventiven Maßnahmen – etwa nach strengen Kontrollen von Reiserückkehrerinnen und Rückkehrern wie jüngst in Bayern gefordert.
Gesundheitsminister Hugo de Jonge hat Medienberichten zufolge Reiserückkehrerinnen und Reiserückkehrer - vor allem aus jüngeren Altersgruppen - dazu aufgerufen, sich freiwillig testen zu lassen, um seinen Worten zufolge eine vierte Welle zu verhindern. Dafür sollen niederschwellig Tests verteilt werden.
Noch scheinen Abwarten und Appelle die Mittel der Wahl. Sollte die Reproduktionszahl der Deltavariante einen Wert von 1 übersteigen, müsse über neue Maßnahmen nachgedacht werden, erklärt ein Sprecher des RIVM. Dieses Szenario werde aber eben nicht vor dem Herbst erwartet. Dennoch gibt es bereits Gespräche zwischen den niederländischen Sicherheitsregionen und der Regierung über mögliche lokale und regionale Maßnahmen – etwa Quarantäneregeln. Falls es doch schon zu größeren örtlichen Ausbrüchen im Laufe des Sommers kommt.