Düsseldorf. An den NRW-Flughäfen herrscht seit Tagen Chaos, einer der Gründe: Personalmangel. Die Bundesregierung will jetzt Abhilfe schaffen.
Urlaubsfrust statt Reiselust: Für viele Menschen in Nordrhein-Westfalen starteten die Sommerferien an diesem Wochenende mit langen Warteschlangen und gestrichenen Flügen. Zumindest einer der Gründe für die Probleme: Personalnot an den Airports. Die will die Bundesregierung mit einem neuen Vorstoß in den Griff bekommen.
Gegen die Personalnot an Flughäfen in Deutschland will die Bundesregierung die Möglichkeit zur befristeten Anstellung ausländischer Hilfskräfte schaffen. Dies sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der „Bild am Sonntag“ („BamS“). „Dabei wollen wir jede Form von Sozialdumping und Ausbeutung ausschließen. Die Arbeitgeber müssen Tariflohn zahlen und für die befristete Zeit anständige Unterkünfte bereitstellen.“
Flughäfen und Dienstleister wollen Aushilfen direkt anstellen
Zur Bewältigung des Abfertigungschaos im Luftverkehr wollen die deutschen Flughäfen und ihre Bodendienstleister tausende ausländische Aushilfen direkt anstellen. Die Arbeitskräfte sollen befristet für bis zu drei Monate unter anderem aus der Türkei und einigen Balkanstaaten kommen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Sie würden voraussichtlich direkt bei Bodenverkehrsdienstleistern angestellt. Modelle zur Arbeitnehmerüberlassung wären damit vom Tisch.
Die Bundesregierung hatte am Wochenende ihre Zustimmung zu dem Branchenplan signalisiert. Eine endgültige Entscheidung in Abstimmung der Ministerien für Arbeit, Inneres und Verkehr steht aber noch aus. Insbesondere geht es um den Verzicht auf die sogenannte Vorrangprüfung, ob für die Jobs nicht auch inländische Arbeitnehmer zu Verfügung stünden.
Personalnot an Flughäfen wie Düsseldorf: Bundesregierung will Abhilfe schaffen
Am Wochenende hatte es zum Ferienstart im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen erneut Probleme in den Terminals mehrerer Flughäfen gegeben. Wegen Personalmangels entstanden lange Wartezeiten an den Passagierkontrollen, viel Gepäck blieb zunächst liegen. In Düsseldorf musste sogar die Flughafen-Feuerwehr mitanpacken.
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Der ADV hatte den Gesamtbedarf der Flughäfen einschließlich des Check-ins und der Luftsicherheitskontrollen für diesen Sommer auf rund 5500 Kräfte beziffert. Die Zeit drängt. Für die besonders an den größeren Flughäfen überlasteten Ladedienste hat ein Personaldienstleister aus Istanbul bis zu 2000 Kräfte angeboten, heißt es in Branchenkreisen. Sie hätten Flughafen-Vorerfahrung und verfügten über die entsprechenden Unterlagen für schnelle Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte angekündigt, bei der Sicherheit keine Abstriche zu gewähren.
Kurz vor Beginn der Haupturlaubszeit hatten zahlreiche Fluggesellschaften Flüge gestrichen. Grund ist insbesondere fehlendes Personal nicht nur bei der Airline selbst, sondern eben auch bei den Flughäfen etwa bei der Sicherheitskontrolle. Lufthansa sagte insgesamt knapp 3000 Flüge an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München ab, auch weil sich vermehrt Besatzungen wegen Corona-Fällen krankmelden. Auch die Billigtochter Eurowings hat Hunderte Flüge im Juli gecancelt.
Gewerkschaft der Polizei in NRW begrüßt Vorstoß
Bei der Gewerkschaft der Polizei in NRW stößt der Vorstoß auf Zustimmung, ausländische Hilfskräfte insbesondere für die Gepäckabfertigung einzustellen - "jedoch nur qualifizierte und zertifizierte Kräfte in die Luftsicherheitskontrolle", betonte Arnd Krummen als Vorstand der Gewerkschaft der Polizei (Abteilung Bundespolizei) in NRW am Sonntag gegenüber dieser Zeitung.
Wichtig sei, "dass die ganze Kette reibungslos funktioniert, vom Check in bis zum Verlassen des Gates zum Flugzeug. Wenn diese Kette an einer Stelle hakt, zum Beispiel bei der Gepäckabfertigung, setzt das auch die Sicherheitskontrolle unter Druck."
Krummen bekräftigte darüber hinaus noch einmal: "Die Luftsicherheit gehört in altbewährter Form wieder in die Hände der Bundespolizei und darf nicht weiter von den Interessen gewinnorientierter Unternehmen abhängen.“
Verdi-Gewerkschaftssekretär: "Schlag ins Gesicht" für alle entlassenen Flughafen-Mitarbeiter
Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim sieht ebenfalls dringenden Handelsbedarf. Ausländische Hilfskräfte würden dringend gebraucht, weil wider besseres Wissen zu viel Personal an den Flughäfen abgebaut worden sei, erklärte Tarim am Sonntag gegenüber dieser Zeitung. "Mit ihnen darf aber nun kein Lohndumping betrieben werden."
Und weiter: "Dass nun ausländische Beschäftigte eingestellt werden sollen, ist leider auch ein Schlag ins Gesicht all jener Flughafen-Mitarbeiter, die vor die Tür gesetzt wurden." In der Sicherheitskontrolle dürften die im Ausland Angeworbenen aus rechtlichen Gründen nicht arbeiten, so Tarim.
Große Probleme am Wochenende in Düsseldorf und Köln/Bonn
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Der Köln/Bonner Airport hatte am Samstag bei den Kontrollen mit größeren Problemen zu kämpfen: „Dort haben wir an den Sicherheitskontrollen Wartezeiten von 60 bis 90 Minuten“, so ein Sprecher. Dies liege an krankheitsbedingten Personalausfällen von mehr als hundert Mitarbeitern. „Das kann man dann nicht mehr kompensieren.“
In Düsseldorf machten den Reisenden dagegen das ganze Wochenende über kurzfristige Flugausfälle das Leben schwer. „Gestrandet statt Strand“, bemerkte ein Passagier am Samstag süffisant, die Reportage lesen Sie hier: Flughafen Düsseldorf - Reisende wollen „nur noch wegkommen“. Chaos gab es am Sonntag weiterhin mit kurzfristigen Ausfällen, zum Überblick geht es hier.
Große Reisewelle bleibt auf den Autobahnen am Samstag aus, Bahn meldet viel Betrieb
Da viele Menschen nach der coronabedingten Zwangspause wieder in den Urlaub fliegen, verliere das Auto etwas an Bedeutung, hatte der ADAC prognostiziert. Und tatsächlich blieb die große Reisewelle auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen am Samstag aus.
Die Deutsche Bahn verzeichnete dagegen einen verstärkten Reiseverkehr. Es sei mehr los als an normalen Wochenenden, sagte ein Sprecher. Hinzu kommt noch das 9-Euro-Ticket, das es nun seit fast vier Wochen gibt. Damit können Fahrgäste im Juni, Juli und August im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch ganz Deutschland reisen. „Natürlich wird es auf den einzelnen Regionalverkehrsstrecken, zwischen den großen Städten in NRW und Richtung Nordsee zu angespannten Situationen kommen“, teilte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf den Ferienbeginn in NRW mit. Lesen Sie auch: Ferienstart in NRW - So läuft es mit dem Bahnverkehr
Als erstes der 16 deutschen Bundesländer war mit Nordrhein-Westfalen zugleich das bevölkerungsreichste Land am Freitag mit dem letzten Schultag in die Sommerferien gestartet. Eine Woche später folgen die Küstenländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, am Mittwoch danach (6.7.) Hamburg, Berlin und Brandenburg. Als letzte sind wieder die südlichen Länder Baden-Württemberg und Bayern an der Reihe - Ende Juli beziehungsweise zum 1. August. (mik/dpa)
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