Ruhrgebiet. Das Bäckerhandwerk hat große Nachwuchssorgen, die ständige Nachtarbeit schreckt Interessenten ab. Manche Bäcker haben aber eine Lösung gefunden.
Dass das Bäckerhandwerk sich um die Jugend bemüht, ist mit Susanna Rupp wirklich nicht zu übersehen und mit ihren Podcasts auch nicht mehr zu überhören. Rupp, die Deutsche Meisterin der Bäckerjugend, ist nämlich fleißig als ,Backfluencerin’ unterwegs und erzählt von den Sonnenseiten eines anstrengenden Berufs. Zum Beispiel dem „Wow-Moment am Morgen, wenn man vor einer vollen und duftenden Ladentheke steht“. Ja, das muss toll sein.
Freilich ist die Sonnenseite in Nachtarbeit entstanden. In jeder Nacht aufs Neue. Ein großes Problem für die Branche: Sie hat es schwer, Nachwuchs zu finden, Fachkräfte fehlen zusehends, unter anderem wegen dieser Arbeitszeiten. Denn schließlich erwarten die Kunden, dass von sechs Uhr an oder spätestens sieben Brötchen und Brote frisch und fertig sind. Die Mitarbeiter sind dann eher fix und fertig.
„Bäcker/Konditor (m/w/d) für Tagschicht gesucht“
Es sei denn, sie arbeiten bei einem wie Berthold Brinkert. Von der Zentrale in Olfen (bei Datteln) aus beliefert der Bäckermeister zehn Filialen. „Naturbäcker“ nennt er sich, unter anderem, weil er vor drei Jahren weitgehend auf Solarenergie umgestellt hat. Seitdem zahlt der Mann nur noch 2000 Euro monatlich für Strom, ein Viertel der vorherigen Rechnung. Aber das ist noch immer nicht der Clou in dieser Geschichte.
Der Clou ist: Weil es mit dem Speichern erneuerbarer Energien noch hapert, muss, wer mit Sonnenenergie backt, dann backen, wenn die Sonne scheint. Also tagsüber. Und damit wird er attraktiv für Fachkräfte, die gerne backen, aber nicht nachts. Vor drei Wochen hat er jemanden eingestellt, und vor zwei Wochen hat er noch jemanden eingestellt. Der Aushang liegt noch in seinem Büro: „Bäcker/Konditor (m/w/d) für Tagschicht gesucht.“
Ein konventioneller Ofen arbeitet noch für die frühen Brötchen
Die Lebensqualität habe sich für ihn „um 180 Grad gedreht“, sagt nun etwa sein Bäckermeister Claus Kaiser im WDR: „Ich kann abends auf einen Geburtstag gehen oder kann in die Muckibude gehen.“ Er habe bisher nur nachts gearbeitet: „Ich habe das normale Leben ja nie kennengelernt.“ Und um die Frage zu beantworten, die Ihnen gerade ins Gesicht geschrieben steht: Ja, auch in diesen Filialen bekommt man Brötchen frühmorgens. Ein Ofen arbeitet noch mit konventioneller Energie.
Einen anderen Weg aus der Nacht hat Max Kugel gefunden, Bäcker in Bonn. Kugel verzichtet auf das Frühstücksangebot und hat sich stattdessen auf besondere Brotsorten spezialisiert. Arbeitszeit: Sechs Uhr bis 14.30 Uhr. „Das unterscheidet sich kaum von der Arbeitszeit eines Bürojobs, und nachmittags bleibt viel freie Zeit“, sagt Kugel.
Arbeitsbeginn verschiebt sich von zwei Uhr auf sechs Uhr
Seine Leute kommen um sechs Uhr morgens, und geht jemand, kennt er keine Probleme, die Stelle neu zu besetzen. Inzwischen wirbt er mit seiner Spezialisierung (“Da wo’s nur Brot gibt“), hat komplett umgestellt auf bargeldloses Zahlen und versucht auch noch, nicht zuviel Überschuss zu produzieren. Dann steht ein nachhaltiges Schild im Schaufenster: „Sorry, Leute, wir sind ausverkauft.“ So geht Backen heute.
Und noch ein drittes Modell gibt es, das die Deutsche Handwerks-Zeitung beschreibt. Auch bei Bäckermeister Wolter in Rosenheim beginnen die meisten Beschäftigten nicht schon um ein oder zwei Uhr, sondern um vergleichsweise kommode sechs Uhr.
„Ich habe noch nie eine Stellenanzeige geschrieben“
„Die gesamte Vorbereitung erfolgt am Vortag, und morgens müssen wir dann nur noch backen“, sagt Wolter: „Die Kunden bekommen ab sieben Uhr ihre Semmeln und was sie sonst noch wollen.“ Diese sogenannte „lange Teigführung“ mache auch noch die Brote bekömmlicher.
Und so steht auf Wolters Seite im Internet: „Wir haben keine Nachwuchssorgen.“ Dann redet im Film ein Auszubildender, der seine erste Lehre in einer Nacht-Bäckerei abgebrochen hat, sie jetzt aber hier im 3. Lehrjahr absehbar vollendet. Sein Meister sagt: „Ich habe noch nie eine Stellenanzeige geschrieben.“ Und: „Dass die Jugend keine Lust aufs Handwerk hat, ist nicht das, was ich erlebe.“ Offenbar kriegt es da einer - gebacken.