Köln. Das Urteil gegen den Priester Hans U. steht fest: Er muss ins Gefängnis. Der Richter zeichnet das Bild eines Mannes mit zwei Gesichtern.

Am Landgericht Köln ist ein historischer Prozess zu Ende gegangen. Pfarrer Hans Bernhard U. muss für zwölf Jahre ins Gefängnis. Die zweite Große Strafkammer des Landgerichts Köln sieht in ihm einen „pädophilen Serientäter, der über vier Jahrzehnte seriellen Missbrauch betrieben hat“ und sprach ihn am Freitag in insgesamt 112 Fällen schuldig, darunter sind 23 Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Richter zeichnet Bild von Mann mit zwei Gesichtern

Der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann zeichnete in seiner knapp dreistündigen Urteilsbegründung das Bild eines „Mannes mit zwei Gesichtern“. Auf der einen Seite war er der hochbeliebte, einfühlsame Geistliche und Seelsorger, der sich mit viel Hingabe vor allem um Familien und da vor allem um die Kinder kümmerte.

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Dies jedoch – das brachte das Verfahren über 25 Verhandlungstage vor allem dank der Aussagebereitschaft der stets weiblichen Opfer zu Tage – wohl vor allem, um seine Pädophilie ausleben zu können. „Sie sind ein Meister des Doppellebens“, so Kaufmann. Die Kinder haben Ihnen ihre Herzen geöffnet. Ihr Missbrauch trifft in den Kern. Ihre Opfer waren mit den Delikten über Jahre allein und müssen bis heute mit dem Martyrium leben und auch mit Schuldgefühlen“, so der Richter.

Priester hatte kaum Reue gezeigt

Viele der Opfer fragten sich, ob sie nicht das Leid der anderen Kinder hätten verhindern können. „Wie viele positive Erinnerungen und Glaubensvorstellungen sind dadurch mit in Frage gestellt und entwertet?“, hielt Richter Kaufmann dem scheinbar reglos dasitzenden Priester vor.

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Zwar sei U. nicht vorbestraft, und besonders haftempfindlich, er habe jedoch kaum Reue gezeigt. Schwerer wiege die kriminelle Energie. U habe Kinder massiv manipuliert und auch das heilige Sakrament der Beichte. „Die Vorstellung, dass Sie anderen Menschen die Beichte abgenommen haben, ist verstörend“, so Kaufmann. U. habe sich immer wieder besonders verletzliche Opfer ausgesucht und selbst als gegen ihn 2010 bereits ermittelt wurde und er vorübergehend vom Dienst suspendiert war, ungehindert weiter gemacht.

Richter adressiert auch die Institution Kirche

„Sie haben Familie, Freunde, Vorgesetzte und ihren Therapeuten belogen - vor allem aber auch sich selbst“, so der Richter. „Welche Kraft hat da in Ihnen gewirkt, die Sie zum Serientäter gemacht hat?“ Auch an die Institution Kirche adressierte Richter Kaufmann einige Hinweise: Prälat Assenmacher habe vor Gericht einen völlig antiquierten Blick auf Missbrauchsfälle erkennen lassen und zudem unterstellt, eine zu großzügige Entschädigungsregelung der Kirche würde dazu führen, dass Menschen versuchten, als Opfer bei der Kirche abzukassieren.

„Wir haben hier Zeuginnen erlebt, die in finanziell prekären Verhältnissen leben, aber die Formulare der Entschädigungsstelle der Kirche abgelehnt haben“, so Kaufmann. Der damalige Personalverantwortliche und heute Erzbischof von Hamburg, Stephan Heße, habe die ersten Hinweise auf Verstöße völlig sanktionslos hingenommen.

Kirche hatte erst nach 2015 reagiert

„Gab es keine Chance, etwas herauszubekommen?“, fragte Kaufmann. Es habe weder Kontrollen noch Kommunikation gegeben, die etwa dazu geführt hätte, dass U. nach den Fällen in Gummersbach zumindest der leichte Zugang zu Kindern versperrt worden wäre. Erst nach 2015 habe die Kirche reagiert, ab 2018 die Wiederaufnahme der Ermittlungen und damit das heutige Verfahren möglich gemacht.