Bochum. Dugyu Ö. aus Bochum hat illegal tausende Lippen und Nasen aufgespritzt. Fünf Jahre Haft drohen ihr. Vor Gericht erzählt sie, warum sie’s tat.
Der Wunsch nach vermeintlicher Schönheit, nach volleren Lippen, nach perfekt geformten Nasen – er befeuerte ihr Geschäft. „Man sieht diese Fotos auf Instagram, und dann will man das auch haben“, flüstert ein bisschen verschämt eine ihre jungen Kundinnen, die jetzt als Zeugin vor Gericht aussagt. Denn die 26-jährige Frau aus Bochum, die auf der Anklagebank sitzt, soll im Dachgeschoss eines Bochumer Wohnhauses mehr als 3000 Männern und Frauen Lippen oder Nasen aufgespritzt haben, obwohl sie dazu keine Lizenz hat. Duygu Ö. hat laut Anklage 34 dabei verletzt, fünf Frauen sagen an diesem Mittag vor der 2. Strafkammer des Bochumer Landgerichts aus.
Die Vorwürfe sind happig, wie berichtet soll die 26-Jährige 1,3 Millionen Euro mit ihren Behandlungen eingenommen haben, versteuert hat sie laut Anklage nichts. Dazu der Vorwurf der Körperverletzung und Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz; bei einem informellen Rechtsgespräch hat die Staatsanwaltschaft fünf Jahre Haft in Aussicht gestellt. Duygu Ö. sitzt seit April in Untersuchungshaft.
Wohl auch deshalb fließen ein paar Tränen im Zuschauerbereich des Gerichtssaals. Der ist voll besetzt, mindestens 25 Verwandte der Angeklagten sind gekommen. Und sie hören zum Auftakt des zweiten Prozesstags ein Geständnis, das Verteidiger Oliver Gaertner im Auftrag seiner Mandantin verkündet. „Sie wusste, dass sie das nicht darf, und sie hat weder eine Buchführung über ihren Verdienst gemacht noch eine Steuererklärung abgegeben.“
Duygu Ö., eine zierliche, junge Frau mit langem schwarzen Haar und schwarzem Top, nickt und erzählt von einem Jura-Studium, das sie begonnen habe. „Das war aber nichts für mich“, sagt sie mit dünner Stimme. „Das hätten Sie mal weiter machen sollen“, entfährt es dem Vorsitzenden Richter Markus van den Hövel. Bei „Papa und Mama“ wohnt sie noch immer, drei Tage vor ihrer Verhaftung hat sie geheiratet. „Ich bin natürlich noch nicht im Eheleben angekommen“, sagt sie.
Eigentlich will sie über ihre Motive noch nicht reden und dann spricht sie plötzlich doch davon, wie sie es genossen habe, als Star gefeiert zu werden bei der Internetplattform Instagram, wo sie für ihre kosmetischen Eingriffe mit großem Erfolg warb. „Es war wegen des Ruhms, ich war im Größenwahn, es war verlockend, angehimmelt zu werden, und deshalb habe ich nicht aufgehört.“
Und als die erste Zeugin, eine 23-Jährige, von Schmerzen nach der Behandlung spricht, von einer schwer geschwollenen Nase, davon, dass sie wochenlang nicht richtig schlafen konnte und von einer Schwester der Angeklagten als „Hure“ beschimpft worden sei, als sie sich beklagte, da fängt Duygu Ö. an, zu weinen. „Ich hoffe, Du kannst mir verzeihen, ich habe falsch gehandelt“, ruft sie der Zeugin zu, die sich großzügig zeigt: „Ja, alles gut.“
Die Geschichten der jungen Frauen, die das Gericht geladen hat, decken sich weitgehend. Sie hatten die Instagram-Werbung gesehen oder Freundinnen hatten ihr die vermeintliche Heilpraktikerin empfohlen. Sie alle glaubten, dass die Angeklagte eine Lizenz für die Eingriffe habe, eine 18-jährige Essener Studentin betont, dass sie ausdrücklich danach gefragt habe. „Da hat sie Ja gesagt.“ Die Folge: Blaue Flecken, Dellen und Bläschen in den Lippen, Schmerzen, „bei denen ich geweint habe“, sagt eine. Schwerere Fälle, wie sie in der Anklage stehen, spielen an diesem Tag keine Rolle.
Dass die Familie von Duygu Ö. schnell zur Ruhe kommt, ist nicht zu erwarten. Am Freitag steht ihre Cousine (29) vor Gericht. Ebenfalls in Bochum. Wegen ähnlicher Vergehen.