Die EU will die 100-Milliliter-Regel für Handgepäck kippen - doch der Plan hat einen Haken.

Seit Terroristen 2006 dabei ertappt wurden, Chemikalien durch eine britische Flughafenkontrolle schmuggeln zu wollen, um sie zu flüssigem Sprengstoff zu mischen, dürfen Flugpassagiere Flüssigkeiten nur noch in Behältnissen bis maximal 100 Milliliter mit an Bord nehmen. Die Tuben und Fläschchen müssen zudem in einem durchsichtigen Plastikbeutel verstaut sein. Ursprünglich sollten die Beschränkungen nur vorübergehend gelten, doch alle Versuche, sie aufzuheben, scheiterten bislang.

Nun plant die Europäische Union doch wieder, die Tütchen-Regel zu kippen. Demnach dürfen Flugpassagiere ab April 2010 wieder unbeschränkt Getränke, Parfüms und Cremetuben mit an Bord nehmen. Wir sprachen mit Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, über den Sinn und Unsinn der Regel.

Frage: Nach langen Diskussionen will die EU die Tütchen-Regel wieder abschaffen. Ergibt das Sinn?

Beisel: Die EU-Kommissionplant nicht, die Regelung generell aufzuheben. Lediglich die Begrenzung auf Behältnisse mit maximal 100 Millilitern soll wegfallen. Kontrolliert werden sollen die Flüssigkeiten aber auch weiterhin. Die EU setzt dabei auf eine Weiterentwicklung der Technik. Zukünftig soll Kontrolltechnik eingesetzt werden, die bei der Durchleuchtung gefährliche Flüssigkeiten wie Flüssigsprengstoff von ungefährlichen Substanzen wie Parfüm oder Zahnpasta unterscheiden kann. Das hat den Vorteil, dass die Flüssigkeiten im Handgepäck verbleiben können.

Frage: Wie wirkt sich die neue Überprüfungsmethode auf die Wartezeiten aus?

Beisel: Wir als Flughafenverband unterstützen die Passagiere in ihrem Anspruch auf schnellere und effiziente Sicherheitskontrollen. Werden in Zukunft tatsächlich Geräte eingesetzt, bei denen die Flüssigkeiten im Gepäck verbleiben können, dann hat das eine erheblich schnellere Abwicklung zur Folge. Müssen Flüssigkeiten jedoch weiterhin aus dem Gepäck heraus genommen werden, dann ist die Konsequenz eine ebenso lange Kontrollzeit wie bisher.

Frage: Bedeutet die Aufhebung der Regel auch, dass ich in Zukunft als Passagier so viel Flüssigkeit an Bord mitnehmen kann, wie ich will?

Beisel: Wenn die derzeit diskutierten Pläne von der EU so umgesetzt würden, gäbe es nach der Flüssigkeitsregelung keine Einschränkung mehr. Natürlich sind aber auch in Zukunft der Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck Grenzen gesetzt. So bleiben die Obergrenzen für Maße und Gewicht des Handgebäcks bestehen.

Frage: Die Bundesregierung ist gegen die Abschaffung der 100-Milliliter-Regel - aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Was halten Sie als Flughafenverband davon?

Beisel: Wir setzen uns bereits seit langem für ihre Abschaffung ein und fordern eine Sicherheitsanalyse, ob und inwieweit die Flüssigkeitsregel überhaupt zu einem höheren Maß an Sicherheit führt. Die Passagiere sind oft frustriert über den Ablauf an den Sicherheitskontrollen. Hier gilt es, den hohen Standard an Sicherheit zu gewährleisten, den wir an den Kontrollstellen auf den Flughäfen in Deutschland und Europa haben, aber gleichzeitig die Prozesse zu straffen.

Frage: Die Hersteller der neuen Geräte warnen, dass sie mit der Produktion nicht hinterherkommen können. Kann die Einführung an allen deutschen Flughäfen bis 2010 überhaupt gelingen?

Beisel: Wir sind nicht besonders optimistisch, was eine flächendeckende Einführung neuer Kontrollgeräte bis April 2010 angeht. Trotzdem unterstützen wir die EU-Kommission in ihren Plänen und werden als Fachverband mit unserem Wissen unseren Beitrag leisten, die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten und gleichzeitig ihren Reisekomfort zu erhöhen.