Hannover. Nach Vorbild der schnellen ICE-Strecke von Berlin nach München will die Bahn nun auch Richtung Ruhrgebiet Dampf machen. Weshalb ist das nötig?

Die Deutsche Bahn will auf einer ihrer am stärksten nachgefragten Strecken von Berlin Richtung Ruhrgebiet richtig Tempo machen: Zukünftig soll man innerhalb von vier Stunden von der Bundeshauptstadt nach Köln kommen.

Dafür ist eine neue ICE-Trasse für Tempo 300 zwischen Hannover und Bielefeld in Planung, sagte der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), der Deutschen Presse-Agentur. Bislang war lediglich ein Ausbau für maximal 230 Kilometer pro Stunde geplant. Dies reicht nach neuen Überlegungen aber nicht aus, um den vom Bundesverkehrsministerium geplanten "Deutschlandtakt" mit schnellen Anschlüssen in alle Landesteile umzusetzen.

Halbstundentakt geplant

Mit der neuen ICE-Trasse, deren Bau in den nächsten Jahren in Angriff genommen werden soll, könnten mehr Fahrgäste für die schnelle und ökologische Schiene gewonnen und weniger an den innerdeutschen Flugverkehr abgegeben werden, sagte Ferlemann. "Heraus kommt nachher ein Halbstundentakt, das ist doch ein Traum für die Gesamtregion." Bisher pendelt der ICE stündlich zwischen Köln und Berlin und benötigt rund 4 Stunden und 40 Minuten.

Als Vorbild nannte Ferlemann die Ende 2017 in Betrieb gegangene neue ICE-Trasse von Berlin nach München. Auf der Verbindung verdoppelte die Bahn im ersten Jahr die Zahl ihrer Fahrgäste und löste das Flugzeug als meistgenutztes Verkehrsmittel ab. Die Fahrzeit sank dank der neuen Strecke von sechs auf vier Stunden in den schnellsten Zügen, den sogenannten Sprintern.

Dialogforum mit Bürgern und Kommunen geplant

Die Planungen für die neue Trasse zwischen Hannover und Bielefeld sollten in diesem Jahr so weit vorangetrieben werden, dass im kommenden Jahr bei einem Dialogforum mit Bürgern und Kommunen über eine Vorzugsvariante beraten werden könne, so Ferlemann. Bevorzugt werde eine Trassenführung entlang der Autobahn 2. Die Deutsche Bahn wollte sich zu den Planungen auf Nachfrage noch nicht äußern, auch die Verkehrsministerien in Düsseldorf und Hannover verwiesen auf die Planungshoheit des Bundes.

"Wir müssen zwischen Hannover und Bielefeld mit 300 km/h fahren, um die Fahrzeit zwischen Hannover und Hamm auf unter eine Stunde zu drücken", sagte Ferlemann. Dann könnten die großen Knotenbahnhöfe so angefahren werden, dass auch der Umstieg in andere Regionen funktioniert und alle von dem schnellen Zug profitieren. Zwischen Hannover und Hamm ist die Bahn dafür derzeit noch zu langsam, die Fahrzeit beträgt im Moment 1 Stunde und 35 Minuten.

Schneller von Berlin nach Amsterdam

Von der Neubautrasse profitieren sollen auch die Züge zwischen Berlin und Amsterdam, die dann deutlich schneller fahren können. Die Niederländer hatten sich kürzlich in Berlin vehement für eine Beschleunigung stark gemacht. Bereits vor dem Bau der neuen ICE-Trasse soll der Wegfall kleinerer Halte in beiden Ländern geprüft werden, sagte der Bahnbeauftragte. Ab 2023 soll zudem ein neuer beim spanischen Hersteller Talgo georderter Zug auf der Strecke fahren, womit der zeitraubende Lokwechsel an der Grenze wegfällt.

In der Ausbauplanung des Bundes befindet sich die Strecke Hannover-Bielefeld mit veranschlagten Kosten von knapp 1,9 Milliarden Euro im vordringlichen Bedarf. Bislang war allerdings nur eine Erhöhung auf Tempo 230 und ein Einsparen von acht Minuten Fahrzeit geplant, wobei die Frage offen gehalten wurde, ob ein Ausbau der bestehenden Strecke reiche oder eine neue Trasse von Porta Westfalica/Bad Oeynhausen bis vor die Tore Hannovers nötig sei.

"Wir müssen alle Varianten durchprüfen, die gangbar wären, um zu einer Vorzugsvariante zu kommen", erläutert Ferlemann. Deswegen werde ein Ausbau der bestehenden Strecke, der wahrscheinlich nicht ausreicht, ebenso geprüft wie ein Neubau entlang des Mittellandkanals, der ebenfalls vorgeschlagen wurde. "Favorit ist derzeit die Autobahnvariante."

Kritische Stimmen

In der Region, wo die neue Bahnstrecke verlaufen soll, formiert sich unterdessen Protest gegen die Pläne. Sieben Kommunen von Porta Westfalica bis Seelze haben sich zusammengeschlossen und in einer "Nenndorfer Erklärung" vor wenigen Wochen eine Neubaustrecke fernab der bestehenden Strecke abgelehnt, die die Natur zerschneide und Wohngebiete beeinträchtige.

Möglichst weit weg solle die Bahn ihre Pläne verwirklichen und den Verkehr künftig über Soest, Paderborn, Kassel, Nordhausen, Halle/Leipzig Richtung Berlin lenken. Als eine denkbare Möglichkeit unter vielen tauchte diese Route zwar in der Vorbereitung des Bundesverkehrswegeplans auf, ein chancenreicher Kandidat ist sie aber nicht. (dpa)