Fulpmes. Wer als Erwachsener mit dem Skifahren beginnen will, muss vor allem seine Angst vor der Abfahrt besiegen. Und die richtige Technik braucht seine Zeit. Was kann man als blutiger Anfänger in vier Tagen auf der Piste lernen? Ein Selbstversuch.
Der Winter kommt bald, und alle reden vom Skifahren. Nur ich nicht. Meine Eltern haben nie Wintersport betrieben. Meine Urlaube verbrachte ich fast immer am Meer. Doch in diesem Jahr soll es anders sein. Ich will mitreden können, über das Panorama in den Bergen, die schönsten Routen und die beste Technik.
Als Mittdreißigerin melde ich mich für einen Privatkurs an, in der Schischule Stubai Tirol im Örtchen Fulpmes. Die Schlick 2000 - so heißt das Skigebiet hier - ist auf Neulinge wie mich vorbereitet: Mit Skilehrer Jonas Oberrauch fange ich auf der "Übungswiese" an, die man auch Idiotenhügel nennen könnte: ein kleines Stückchen Abfahrt für alle, die noch nicht auf die echte Piste dürfen.
Eine gute Ausrüstung ist Voraussetzung, wenn man das Skifahren lernen möchte. Georg Tanzer vom Skiverleih in Fulpmes rät zum Rocker-Ski, eine Variante der bekannten Carving-Skier: "Er ist vorne leicht aufgebogen, damit er sich schneller und einfacher drehen lässt."
Hüfte zum Berg, Oberkörper stabil
Erste Grundübung: auf Skiern stehen, die Füße und Beine abwechselnd links und rechts belasten. "Sich an das Gerät gewöhnen" nennen das hier die Fachmänner. Skilehrer Jonas erklärt: "Wenn du parallel zum Hang stehst, zeigt der Bergski immer etwas nach vorne." Das kriege ich hin. Danach ist die alpine Skihaltung dran: "Mittig stehen, die Hüfte zum Berg drehen. Dabei bleibt der Oberkörper stabil und lehnt nach vorne."
Langsam tasten wir uns an die erste Bremsposition heran: Gewicht auf die innen liegenden Kanten geben, Knie nach innen beugen und die Skispitzen zusammenführen. Schneepflug nennt das der Skifahrer. In dieser Position fahre ich schleichend den Hügel herunter. Kinder schauen mich an. Mein Fahrstil muss komisch aussehen.
Einsteigerkurs für Erwachsene
Etwa auf der Mitte des Übungshügels beginnen wir, aus dem Pflug heraus einen großen Slalom zu fahren. Jonas fährt voraus, ich versuche zu folgen. Nach zwei Kurven falle ich rücklings zu Boden. "Du hast dich nach hinten gesetzt", ruft Jonas. "Das darfst du nicht." Natürlich nicht. Mir ist nach einer Pause.
Zur Abwechslung mal ohne Stöcke
Beim nächsten Anlauf fahren wir ohne Stöcke. "Die brauchst Du eigentlich gar nicht", weiß Jonas. Es stimmt. Ohne die Stöcke achte ich mehr auf meinen Körpereinsatz. Die Innenkante des Talskis erhält mehr Gewicht, so dass ich den Slalom jetzt etwas enger fahren kann. Meine größte Angst hier am Hang, das Tempo, bekomme ich langsam in den Griff. Das sieht auch der Profi und lässt mich die Übung einige Male wiederholen. "Morgen üben wir auf der blauen Piste", sagt Jonas.
Der nächste Tag bricht an. Von der Talstation in Fulpmes fährt die Bergbahn bis hinauf zum Kreuzjoch in über 2000 Metern Höhe. Nach einem hastigen Blick auf die umliegenden Berge geht es auch schon los. Jonas fährt wie immer voraus. Wie im Lehrbuch, denke ich, und gleite etwas holprig hinterher. Irgendwann versagt meine Technik, und ich lande mal wieder in Schräglage.
Ans Aufgeben ist trotzdem nicht zu denken. Ich probiere erneut, mich beim Parallelfahren in Richtung Tal zu drehen. Es funktioniert. Für ein paar Minuten fühle ich mich wie eine richtige Skifahrerin. Bis Jonas an einem Abzweig stehen bleibt und die nächste Anfängerübung zeigt: Tretroller fahren, das heißt Skilaufen auf einem Bein. So holprig, wie ich jetzt unterwegs bin, erkennt mich jeder von weitem.
Größtes Gletscherskigebiet Österreichs
Dritter Tag im Gebirge, es geht auf den Stubaier Gletscher bei Neustift, in das größte Gletscherskigebiet Österreichs. Es hat geschneit. Ich treffe Skilehrer Roland Lenzi, einen redegewandten 25-Jährigen aus Innsbruck. Er ist ausgebildeter Lawinenretter. Um uns herum wirbelt der Schneesturm. "Hier kommst du mit den Pflugkurven nicht weit", sagt Roland. "Versuche direkt parallel umzusetzen."
Durch den pulvrigen Neuschnee sacke ich so tief ein, dass beim Drehen doppelte Kraft erforderlich ist. Schon nach den ersten Pistenmetern geht mir die Puste aus. Doch die Blöße will ich mir nicht geben. Ich bewege mich zwischen Fahren und Rutschen in großen Schlangenlinien den Berg runter. "Gut gemacht", lobt Roland. "Du hast Talent." Bis zu einem bestimmten Punkt, räumt er später bei einem Kaffee im Bergrestaurant ein.
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Am letzten Tag strahlt die Sonne, der Schnee glitzert, weiße Gipfel begrüßen die Wintersportler auf 3000 Höhenmetern. Die Angst habe ich abgelegt. Ich fahre und fahre. Kleine Kurven, große Kurven, ein paar Versuche in Parallelschwung. "Was Dir jetzt noch fehlt, ist ein bisschen mehr Geschwindigkeit", sagt Roland. Aber Kondition und Kraft lassen langsam nach, die Oberschenkel brennen. Die letzten Meter überwinde ich mich und lasse die Skier einfach laufen. "Geht doch", ruft Roland. Die Lektion habe ich bestanden. (dpa)