Middelburg. Die niederländische Provinz Zeeland ist sehr ländlich geprägt und deshalb für Touristen reizvoll - aber auch für Gourmets hat sie einiges zu bieten. Dabei kommen wieder mehr regionale Meeresprodukte auf den Teller. Neben den vielleicht weltbesten Hummern sind das auch Seetang und Strand-Aster.
Eine verrückte Idee war‘s schon, die die beiden Freundinnen vor einem Jahr hatten. In leuchtenden Fischer-Overalls sitzen Rebecka und Jennifer jetzt in ihrem winzigen Motorboot: „Wir haben uns immer gewundert, warum die Holländer ihr Meerwasser nicht richtig nutzen.“ Auch auf der Oosterschelde, einem großen Meeresarm in der Provinz Zeeland, könne man noch so viel mehr machen. In den Staaten und in China gibt es sie längst – große Farmen, auf denen das schwarze Meeresgemüse Seetang angebaut wird. Die Holländerin Rebecka Wiering und ihre amerikanische Partnerin Jennifer Breaton pflanzen ihn in der Bucht des Jacobahaven an 36 Bojen an. Ihre persönliche Testfarm.
Ganz in der Nähe, auf den Deichen, holen Windräder die Energie aus der Natur. Die Algen holen sich die Unternehmerinnen aus dem Meer. „Der Seetang wächst wie sonst etwas“, freut sich die Anwältin aus den USA, während sie zwei große Hände voll des Meeresgemüses aus dem Wasser zieht. Alle vier Tage wird geerntet. „Unser Ziel ist es, die Algen im ganzen Hafen anzupflanzen.“ Die 48-Jährige studierte Umweltrecht in Holland und war schon länger an nachhaltigen Geschäftsideen interessiert. Nur: Die Finanziers fehlten. Nun unterstützt die Provinz Zeeland sie mit rund 18.000 Euro, einen Großteil finanzieren die engagierten Frauen jedoch selbst. Und sie haben große Pläne: Sie wollen das proteinreiche und gesunde Meeresgemüse auf dem holländischen Markt platzieren. „Es wird mit Seewasser gewaschen, getrocknet und eingefroren“, erklärt Jennifer. In den USA gibt es Seetang bereits in vielfältiger Form. Ein Produkt, für das es sich wirklich lohnt, einen gut bezahlten Anwaltsjob an den Nagel zu hängen? Jennifer und Rebecka sind optimistisch: „Na klar doch, wir schaffen das!“
Einzigartiger Geschmack dank besonderer DNA
Gleich in der Bucht tummeln sich Exemplare der leckersten Meerestiere weltweit in ein paar Käfigen: der sogenannte Oosterschelde-Hummer ist für viele Kenner der Rolls Royce unter den Großkrebsen. „Dieses Jahr ist er besonders gut“, meint Gerrie van den Hoek. Der Fischer ackert von früh bis spät, zieht die Käfige aus fünf Metern Tiefe hoch – bei Wind und Wetter. „In etwas über drei Monaten muss alles erledigt sein, wir haben strenge Gesetzesvorlagen.“ Die Käfige sind voll mit Hummern. Rund 40 Tonnen holen er und 24 andere Fischer jedes Jahr aus den Gewässern vor dem urigen Hafendörfchen Zieriksee. „Nur die sieben bis acht Jahre alten Männchen kommen auf den Tisch“, so Gerrie. Sie haben die Mindestlänge von 24 Zentimetern erreicht. „Vom Hummer allein kann ich nicht leben“, muss er zugeben. Deshalb angelt er nebenher Aale, Krabben und Seebarsch.
Der Oosterschelde-Hummer lebt in einer isolierten Population. „Viele Tiere sterben hier aufgrund der starken Schwankungen des Salzgehalts und der Wassertemperatur“, erklärt Gerrie. So bestehe die Population nur aus den Stärksten. Das führt dazu, dass diese holländische Gattung der Zehnfußkrebse eine andere DNA-Struktur hat als die in anderen europäischen Gewässern – und einen einzigartigen Geschmack. Die sieben Sterne-Restaurants von Zeeland – keine andere holländische Provinz hat so viele – profitieren davon. Sie bieten im Sommer Hummer-Menüs an. Gerrie hingegen isst das edle Meerestier am liebsten ganz einfach. „Mit Mayonnaise und viel Weißbrot.“
Queller macht viel Arbeit
Etliche Lokale auf den Halbinseln haben noch andere regionale Meeresprodukte in ihre Karte aufgenommen – allen voran die krautige Strand-Aster und der stängelartige Queller. Beide wachsen besonders gut auf regelmäßig überfluteten Salzwiesen. Aart-Jan Bil besitzt den einzigen Hof auf Zeeland, der Strand-Aster anbaut. Seit sechs Jahren wächst sie neben Kartoffeln und Winterroggen – noch im kleinen Rahmen, da der Anbau ziemlich arbeitsintensiv ist. „Sie wächst sehr schnell, man muss rechtzeitig pflügen und ernten, wenn sie noch grün ist.“ Insbesondere älteren Zeeländern sei sie noch bekannt, so der Bauer: Die Menschen ernteten früher das „Arme Leute-Essen“ direkt überm Deich – jetzt ist das leckere „Lamsoor“ aufgestiegen in die Sterne-Gastronomie.
Reise-Infos
Anreise: Mit dem Auto über die A40 bis Venlo, dort weiter auf der A67 und A2 Richtung Amsterdam, weiter auf der A58 Richtung Antwerpen, auf die A256 Richtung Goes bis zur Ausfahrt Goes-Zuid.
Veranstalter: Über VVV Zeeland (siehe unten) sind Unterkünfte und Pauschalen buchbar.
Kontakt: VVV Zeeland, 0031/1 18 63 01 72, www.vvvzeeland.nl
Den Großteil seiner Arbeit investiert Aart-Jan Bil allerdings in das Meeresgemüse Queller, ebenfalls kein einfacher Anbau: Stundenlang werden die Pflanzen im Mai bei der Ernte mit der Hand geschnitten, dann gewaschen, getrocknet und gegebenenfalls, zum Beispiel für Senf, noch gesiebt. Viel Arbeit für einen kleinen Bauernhof mit gerade einmal vier Mitarbeitern im Sommer – doch geerntet werden jährlich mehrere Tausend Kilos.
Hoffen auf feste Kundschaft
Verarbeitet hat auch ein anderer Hof auf Zeeland den beliebten Queller: 2012 führte der Bauernhof „Schellach“ im bekannten Urlaubsort Middelburg den Queller-Käse ein – und ließ ihn sogar patentieren. Heute verkauft die Familie 40 Kilo pro Woche. „Wir haben einige Stammkunden aus Deutschland, die regelmäßig vorbeikommen“, freut sich Inhaberin Els Mesu über die gelungene Geschäftsidee.
Die beiden Freundinnen Rebecka und Jennifer wünschen sich, dass auch sie eines Tages eine feste Kundschaft haben – und ihr Seetang-Projekt ein voller Erfolg wird.