Essen. Bis vor einiger Zeit galt Entbehrung als Basis für einen Campingtrip. Seit kurzem erfährt jedoch auch diese Branche eine Wellnessrevolution. Das sogenannte Glamping verbindet abenteuerliche Safaritouren mit luxuriösen Zelten, die mit Wasserbetten und feinsten Möbeln ausgestattet sind.

Heiße Dusche im Himalaya? Das waren zwei sich ausschließende Welten. Entbehrung, Schweiß und Muskelkater galten als notwendige Basiszutaten für einen erfüllenden Bergaufstieg. Danach labende Entspannung im Wellnessbereich schien hingegen etwas für Weicheier zu sein und ohnehin unmöglich.

Seit kurzem stellt sich bei Reisenden, die bewusst in die Natur gehen, ein Trend ein, der den Luxus von zu Hause im Gepäck hat. Glamping heißt Ferien im Freien mit Sektkübel und Ledersitzen. Es ist eine Kreuzung aus Glamour, also Glanz oder Zauber, und Camping. Die neue Bewegung ist sogar geadelt worden: Der britische Thronfolger William und seine Frau Kate haben bei ihrem jüngsten Australienbesuch am Ayers Rock in einem Luxuszelt die Nacht verbracht.

Luxus-Zelte selbst für Königsenkel zu übertrieben

15 dieser mit allem Komfort, Dusche und Himmelbett ausgestatteten Zelte hat James Bailie, der Besitzer, mit Blick auf das rote Herz des fünften Kontinents dermaßen mit teuren Möbeln und Accessoires bestückt, dass es sogar dem Königsenkel etwas übertrieben vorkam. Doch es sind diese einmaligen Blickachsen auf Naturschönheiten wie Ayers Rock oder die romantischen Nächte im Moonlight Camp, die mit dem passenden Wein und dem gewohnten feinen Silberbesteck zum wertbeständigen Eintrag ins Erinnerungsbuch eines jeden Reisenden führen.

„Die Luftmatratze ist out“, ruft Markus Meier, ein Zeltanbieter auf der Outdoor-Messe in Trier. „Die schlafen doch lieber im Himmelbett.“ Schon stellt sich eine neue Gemeinde mit erstklassigen, verwegen klingenden Angeboten auf die wachsende Schar der wohlbetuchten Outdoor-Fans ein.

Luxus auch in Baumhäusern

Da warten abgelegene Bergfelsen-Resorts mit Schlafnischen im Freien, denn von dort bieten sich atemberaubende Aussichten auf Viertausender. Es sind klimatisierte Holzhütten mit Schieferplattenbadezimmer an weißen Stränden, die die Urlauber jetzt locken. Auch Baumhäuser mit geölten Vollhölzern und gekämmter ägyptischer Baumwollbettwäsche schmeicheln den Gästen.

„In unseren Baumsuiten nehmen wir nur feinste Qualität“, versichert Insa Otteken. Sie betreibt in Bad Zwischenahn seit kurzem ein Baumhaushotel. Doch es ist nicht der Luxus allein, der ihr wichtig ist.

Ein handgeschriebener Gruß auf der Brottüte

„Morgens um 9 Uhr bringen wir den Gästen in einem Korb das Frühstück“, beschreibt Otteken ihren Tagesbeginn. Darin sind frische, selbstgekochte Marmeladen, Eier von glücklichen Hühnern, aus Bioteig selbst gebackene Brötchen und ein handgeschriebener Gruß von ihr auf der Brottüte.

So wie die Gäste der Baumhaussuite, die es wegen ihrer Einmaligkeit von enger Verzahnung des Luxus mit Natur und natürlicher Herzlichkeit bis in russische Gartenzeitschriften oder auch ins Trendmagazin „The New Yorker“ gebracht hat, sprießt quer durch Europa ein Glamping-Verlangen. „Die Nachfrage geht eindeutig zum hochwertigen Outdoor-Angebot“, versichert Anton Lürgi von der Travelexpo in Luzern. Da wird im großräumigen Zelt Seidenbettwäsche aufgezogen. Statt lehmigem Matschboden im Zelt schwebt der Urlauber über Holzpaneele.

Trend hat in Deutschland nur wenig Anhänger

Die neue Bewegung hat in den USA, Kanada sowie in England, Schottland und Frankreich schon wesentlich mehr Anhänger gefunden als in Deutschland. Die weiße Jurte mit goldenen Wasserhähnen in den Highlands im Norden Englands wird ebenso vermarktet wie ein umgebauter Kutschwagen mit Mahagoniwänden und Whirlpool irgendwo im Süden der britischen Insel. Am Safarizelt mit Wasserbett warten die schnaubenden Pferde zum Ausritt. In der französischen Dordogne bietet ein abgelegenes Baumhaus nicht nur absolute Ruhe, sondern nachts den freien Blick in die Sterne – samt Teleskop und elektronischer Erläuterung aller Sterne des Universums.

Ines Otteken erinnert sich gern an einen Astronauten, den sie in ihren Baumhaussuiten zu Gast hatte. Seine Freundin zeigte ihm nachts die Sterne etwa nach dem Motto: „Schau, da oben warst du schon ....“

Für Otteken sind Glamping-Orte auch etwas für Ja-Sager. Sie meint das nicht abwertend. „In solch einer Umgebung stellen Männer ihrer Partnerin gern einen Heiratsantrag“, behauptet die Mutter. „Das buchen Gäste bei uns, und wir bereiten das gern mit vor – Blumen, Champagner und was sonst dazu gebraucht wird.“

"Jeder zweite Deutsche mag Camping"

„Jeder zweite Deutsche mag Camping“, versichert der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland. Mehr als 3,2 Millionen Nächte im Jahr werden deshalb auf Campingplätzen zwischen Flensburg und Görlitz oder Borkum und Berchtesgaden verbracht. Doch auch diese Gäste hätten es oft gern etwas feiner. Dem Wunsch folgen erste Campinganbieter in der Toskana und im Languedoc Südfrankreichs. „Wir tasten uns vorsichtig ins Luxussegment vor und haben teure Betten in Safarizelte gestellt“, teilen die Betreiber mit.

Die Hersteller der Outdoor-Industrie halten gut mit. Längst taufen sie Wohnanhänger „Glampingtrailer“. Große Zelte heißen nun „Glampingtents“ und die Tasche mit dem Picknickbesteck und eingebautem Kühlfach für den Rosé-Wein nennt sich stilecht „Glampingaccessoire“. „Jetzt haben wir Fünf-Sterne-Komfort beim Zelten auch in der Wüste oder im Himalaya“, sagt Stefanie Mespelkamp, eine Reisebüroverkäuferin in Frankfurt. Für Insa Otteken am Zwischenahner Meer sei das zwar sehr schön, wie sie sagt, „aber das ist doch nichts gegen unsere Abertausend Sterne jede Nacht am Himmel über dem Baumhaus, das ist der Zauber im Glamping“.

www.glamping.com
www.goglamping.net
www.glampinghub.com
www.baumgefluester.de