Normandie. In den Sommerferien bereist “tout Paris“ die Normandie. Gerade im siebzigsten Jubiläumsjahr des D-Day, der Invasion, britischer, kanadischer und US-amerikanischer Soldaten an der französischen Küste wandeln viele Touristen auf den historischen Pfaden. Und trinken danach einen Calvados.
Das Departement an der Nordwestküste Frankreichs hat einen verräterischen Namen: Calvados. Von hier kommt der bernsteinfarbene Branntwein, den Gourmets gern als „Trou Normand“ in der Mitte eines üppigen Mahls zelebrieren. „Das normannische Loch im Magen soll Platz schaffen für den zweiten Teil des Essens“, sagt Christian Droiun.
Der 36-Jährige ist in dritter Generation Chef einer der Spitzendestillerien im Pays d’Auge. Die Region gilt mit ihren Apfelbäumen, Wäldern und Bauernhäusern als der Urtyp der Normandie. Mittendrin liegt in Pont-l’Evêque die „Domaine Cœur du Lion“ der Familie Droiun. Das alte Landgut mit seinen Fachwerkhäusern wird malerisch umringt von Apfelbäumen. Christian führt durch seine Brennerei. In der Luft liegt der Geruch von vergorenen Äpfeln. Es geht durch das Kelterhaus, die Brennerei, die Flaschenabfüllung und die Lagerkeller. „Jährlich verarbeiten wir rund 400 Tonnen. Calvados fast aller Jahrgänge sei noch vorhanden, der älteste stamme aus dem Jahr 1939, dem Jahr des Kriegsausbruchs, erklärt Monsieur Droiun. „Die Flasche kostet 700 Euro.“
Ganz andere Geschmackserlebnisse bietet das Meer, 20 Autominuten entfernt an der „Côte Fleurie“, der Blumenküste. Hier dreht sich natürlich alles um Fisch. Direkt am Hafenbecken von Trouville-sur-Mer liegt dann die Fischhalle. Sie ist der atmosphärische Mittelpunkt des Ortes. Groß das Gedränge, breit das Angebot, laut die Verkäufer.
Das Rezept von der Großmutter
Bei Piller-Sauter, einer Fischerfamilie in der achten Generation, kann man in der Sonne sitzend die weithin bekannte Fischsuppe „Poissons à la facon de Jeannette“ genießen. „Ein altes Rezept meiner Großmutter“, erläutert Sebastian Sauter. Seit 15 Jahren fischt er bei Flut vier Stunden in Richtung Ärmelkanal. „Mein Hauptfang sind Steinbutt und Seezunge“, sagt er.
Nur das Flüsschen Touques trennt den mondänen Badeort Deauville von Trouville. Dessen Tourismuschefin Virgine Gemy, erklärt die Unterschiede: „Unser Ort ist älter. Und wir haben als Fischerdorf unsere bodenständige Atmosphäre bewahrt.“ Schon in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Trouville auch von Künstlern entdeckt. Bald erhielt es den Beinamen „Sommerhauptstadt der Kunst“.
Heute kommt in den Sommerferien „tout Paris“. Wer dem Trubel entgehen will, meidet Juli und August. In der übrigen Zeit herrscht auf dem breiten pulverfeinen Traumstrand kein Gedränge. Auch Bunkertouristen, die im Jubiläumsjahr des „D-Day“ in die Normandie reisen, gibt es keine. Gekämpft wurde gut 80 Kilometer westlich. Genüsslich lässt es sich dafür auf den Holzplanken der Strandpromenade, den „Planches“, an den prächtigen Villen entlangflanieren.
Anspruchsvolles Publikum
Der luxuriöse Nachbarort Deauville, vor 150 Jahren auf dem Reißbrett geplant, hat natürlich am Strand auch schicke „Planches“. Hier hat das anspruchsvolle Publikum ein besonderes „amusement“: Die hölzernen Gatter der nostalgischen Umkleidekabinen tragen die Namen von Hollywood-Größen: etwa Elizabeth Taylor, James Coburn und Tony Curtis. Sie waren alle auf dem amerikanischen Filmfestival, das jährlich im September in Deauville stattfindet.
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Das letzte Seebad an der „Côte Fleurie“ ist Cabourg, 20 Kilometer westlich. Es ist ebenfalls auf dem Reißbrett entstanden. Fast 200 vornehme Villen mit Erkern und Türmchen scharen sich fächerförmig um Grand Hotel und Casino. Böse Zungen behaupten, im Gegensatz zu den geldadeligen Villenbesitzern von Deauville habe sich hier der auch nicht ganz arme Geistesadel niedergelassen. Befördert wurde dieses Image durch den berühmten Schriftsteller Marcel Proust, der jahrelang Sommergast war. Er wohnte bis zum Ersten Weltkrieg im Grand Hotel direkt an der Promenade. In einem seiner Romane hat Proust dem Haus ein literarisches Denkmal gesetzt. Seine Suite 414 können Fans heute mieten. Das Hotel war außerdem Kulisse für die Komödie „Ziemlich beste Freunde“.
Wer die Promenade 20 Minuten westwärts wandert, erreicht das hochmoderne „Les Bains de Cabourg“. Es besitzt als einziges Hotel am Ort ein Thalassozentrum mit riesigem Salzwasser-Pool. Frankreich ist seit gut 200 Jahren führend in dieser Therapieform, die Meerwasser zur Regeneration von Körper und Geist einsetzt. In der Normandie gibt es daher eine Reihe von Thalassotherapiezentren. Dort lassen sich die Nachwehen eines Calvados-Abends übrigens auch bestens behandeln.