Istanbul. . Istanbul ist die einzige Stadt, die auf zwei Kontinenten liegt. Das gilt nicht nur geografisch: Auch gesellschaftlich entwickeln sich die Ufer der Stadt am Bosporus auseinander. Wer nicht nur die Touristenattraktionen der Altstadt sehen möchte, sollte einen Ausflug in den Stadtteil Beyoglu machen.

Istanbuls Altstadt liefert das Pflichtprogramm: Hier steht der gigantische Sultanpalast Topkapi und die Hagia Sophia, die prachtvolle Hauptkirche des Oströmischen Reiches. Direkt daneben erheben sich die sechs Minarette der überwältigenden Blauen Moschee. Natürlich muss man im historischen Stadtzentrum von Istanbul auch eine Wasserpfeife in einem Straßencafé rauchen. Und wer nicht auf dem Großen Basar gefeilscht hat, war nicht wirklich in Istanbul.

Die Kür absolvieren Istanbul-Reisende heute eher auf der nördlichen Seite des Goldenen Horns: "Wer das moderne, das coole Istanbul erleben möchte, muss hierher kommen", sagt die 22-jährige Türkin Elyem und zeigt nach unten. Dort erstreckt sich der Stadtteil Beyoglu. Von der Dachterrasse des Restaurant-Clubs "360 Istanbul" hat man einen spektakulären Rundblick über das Viertel. "Von hier aus kannst du auch alle Touristenattraktionen der Altstadt überblicken."

Kluft zwischen Tradition und Moderne ist groß

Elyem schlürft an ihrem Gin Tonic mit Gurkenscheiben und bewegt sich langsam zur Chillout-Musik. Wie die anderen Frauen im "360 Istanbul" ist sie sexy gekleidet. Die Garderobe der Männer schwankt zwischen elegant, lässig und hip. "Das da drüben ist der berühmte Taksim-Platz", sagt Elyem und zeigt Richtung Norden. Nur vordergründig sei es bei den Protesten im vergangenen Sommer um den Abriss des Stadtparks gegangen. Eigentlich lehnten sich dort vor allem junge Türken gegen Erdogan auf, dem sie eine Islamisierung der Gesellschaft vorwerfen. "Der will uns den Alkohol verbieten, und wir sollen wieder Kopftücher tragen. Stell dir das mal vor", empört sich Elyem, während sie gleichzeitig per Smartphone mit ihrem Freund chattet.

Istanbul hip und historisch

Über den Dächern: Vom Club und Restaurant
Über den Dächern: Vom Club und Restaurant "Istanbul 360" aus haben Touristen den besten Blick über die Stadt. © dpa
Blick in die Zukunft: Vom Ufer der Altstadt aus können Touristen das Szeneviertel Beyoğlu und den Galataturm sehen.
Blick in die Zukunft: Vom Ufer der Altstadt aus können Touristen das Szeneviertel Beyoğlu und den Galataturm sehen. © dpa
Junge Türken treffen sich heute in den Szenekneipen Beyoğlus zum flirten und zum Bier trinken.
Junge Türken treffen sich heute in den Szenekneipen Beyoğlus zum flirten und zum Bier trinken. © dpa
In Beyoğlu verkaufen junge türkische Designer ihre Entwürfe in kleinen Boutiquen.
In Beyoğlu verkaufen junge türkische Designer ihre Entwürfe in kleinen Boutiquen. © dpa
Eine Wasserpfeife zu rauchen gehört für Istanbulbesucher zum Pflichtprogramm.
Eine Wasserpfeife zu rauchen gehört für Istanbulbesucher zum Pflichtprogramm. © dpa
Großer Basar in Istanbul: Das süße Baklava-Gebäck lockt nicht nur Touristen.
Großer Basar in Istanbul: Das süße Baklava-Gebäck lockt nicht nur Touristen. ©  Manuel Meyer
Aufbruch in die Moderne: Seit 2004 zeigt das Istanbul Modern Museum zeitgenössische türkische Kunst.
Aufbruch in die Moderne: Seit 2004 zeigt das Istanbul Modern Museum zeitgenössische türkische Kunst. ©  Manuel Meyer
Blick ins Abendland: Die schönsten Sonnenuntergänge kann man von der asiatischen Seite aus genießen.
Blick ins Abendland: Die schönsten Sonnenuntergänge kann man von der asiatischen Seite aus genießen. ©  Manuel Meyer
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Ein Streifzug durch die verwinkelten Gassen Beyoglus zeigt, wie groß die Kluft zwischen islamischen Traditionen und moderner Szene in dem Land ist. Das multikulturelle Beyoglu ist eines der angesagtesten Studenten- und Ausgehviertel Istanbuls. Moderner und westlicher sind auch Berlin, London oder Paris nicht. In den prachtvollen Jugendstilhäusern der Fußgängerzone Istiklal Caddesi sind von Zara bis Apple alle internationalen Warentempel vertreten. Hier wirkt die alte Straßenbahn, die sich bimmelnd den Weg durch die Masse bahnt, fast wie ein nostalgisches Relikt vergangener Tage.

Ein Viertel für Junge und Kreative

In den Seitengassen bieten junge Designer in kleinen, stylischen Boutiquen ihre neusten Kreationen an. Auch die meisten Kunstgalerien haben sich in dem Bohème-Viertel niedergelassen. In einer alten Lagerhalle im Containerhafen zeigt das Istanbul Modern Museum seit 2004 zeitgenössische türkische Kunst. Ganz in der Nähe treffen sich junge Türken zum Biertrinken, Flirten, Teetrinken und Wasserpfeife-Rauchen auf den Straßenterrassen hipper Bars.

Schon unter dem oströmischen Kaiser Theodosius und bis ins 20. Jahrhundert hieß der Stadtteil eigentlich "Pera", was auf Griechisch "drüben" bedeutet. Es war der Stadtteil, der sich von der Altstadt betrachtet "auf der anderen Seite" des Goldenen Horns befand. Heute ist vor allem für junge Türken wie Eylem die Altstadt das Viertel "auf der anderen Seite". (dpa)