Elend/Sorge. Die Namen klingen wenig einladend: Elend und Sorge. Doch dort, wo diese Ortsschilder am Wegesrand auftauchen, ist der Harz besonders verführerisch: Im Sommer lockt dessen wildromantische Idylle Wanderer und Naturfreunde, im Winter Skifahrer. Allerdings sollte an robuste Bekleidung gedacht werden.
Bachtäler in schroffem Fels, Pfade unter dichten Baumkronen und schmale Stege über dahinplätschernde Gewässer: Zwischen Elend und Sorge präsentiert sich der Harz von seiner romantischsten Seite. Und wie im Heimatfilm schnauft eine betagte Dampflok vorbei, ein paar altmodische Waggons mit munteren Touristen hinter sich herziehend. Der Zug gehört zu den Harzer Schmalspurbahnen, die Elend und Sorge bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts mehrmals täglich mit der Welt verbinden.
Den Harz durchziehen aber auch zahlreiche Wanderwege unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, darunter der Harzer-Hexen-Stieg von Osterode über den Brocken zum Hexentanzplatz Thale. Für die fast 100 Kilometer müssen Wanderer mehrere Tagesmärsche einplanen. Wer nicht auf den höchsten Gipfel will, der geht auf der Brockenumgehung und kommt so direkt nach Elend.
Das Mittelgebirge gilt als regenreich
Auf diesem Weg ist robuste Outdoorbekleidung von Vorteil, denn das Mittelgebirge gilt als regenreich. Der meiste Niederschlag fällt im Juni. Und auch auf Wetterumstürze müssen Wanderer gefasst sein.
Elend, das wie Sorge seit 2010 zur Stadt Oberharz am Brocken gehört, verweist mit Stolz auf seinen Status als staatlich anerkannter Luftkurort. Die Bewohner glauben, dass der Ortsname auf den althochdeutschen Begriff "eli-lenti" zurückgeht, was in etwa "fremdes Land" bedeutet. Laut Chronik besuchten das Bergdorf bereits 1890 rund 50 Sommergäste. Zwischen den beiden Weltkriegen war es jedes Jahr Ziel Zehntausender Urlauber. Zu DDR-Zeiten durften vor allem verdiente und linientreue Genossen ihre Ferien in den Erholungsheimen an der innerdeutschen Grenze in Sachsen-Anhalt verbringen.
Im Sommer wie im Winter gefragt
Laut Mandy Leonhardt vom Tourismusbüro bietet der Ort etwa 370 Betten, verteilt auf zwei Hotels sowie einigen Pensionen und Ferienwohnungen. Sie seien im Sommer wie im Winter gefragt. Ein Loipennetz für Langläufer, Wanderwege und Rodelbahnen zieht Urlauber an - wenn Schnee liegt. "Wir liegen etwa 500 Meter über dem Meeresspiegel und sind eigentlich schneesicher", sagt Leonhardt. Abfahrtsläufer müssen jedoch ins nahe Schierke oder Braunlage fahren.
Auch im Nachbarort Sorge mag man den Namen nicht auf schlechte Verhältnisse zurückführen. Der Name stamme vom mittelhochdeutschen Wort Zarge ab, was Grenze bedeute, meint Ortsbürgermeisterin Inge Winkel. Früher trafen hier verschiedene Hoheitsgebiete aufeinander. Nach der Teilung Deutschlands lagen Sorge und Elend direkt am Todesstreifen und wurden zu Sperrgebiet.
Nicht nur Geschichte, sondern auch Zukunft
Inge Winkel lebte zur DDR-Zeit im Grenzgebiet. Heute will sie "die Erinnerung an die Zeit der Teilung Deutschlands wachhalten". Auf dem ehemaligen Grenzstreifen blieben ein Wachturm, Grenzzäune, eine Gewässersperre, eine Hundelaufanlage und ein Erdbunker erhalten. Auf dem ehemals schwer gesicherten Patrouillenweg spazieren heute unbehelligt Touristen und Einheimische. Informationstafeln stellen das System der Grenzsicherung dar.
Doch der Harz ist nicht nur Geschichte, sondern auch Zukunft: Veranstaltungen wie das Freiluftfestival "Rocken am Brocken" ziehen zunehmend jüngeres Publikum an. Das kommt auch zum Skikjöring im Winter: Bei dieser skandinavischen Sportart ziehen Pferde oder Geländewagen und Motorräder die Skiläufer über die Piste. Statt Elend und Sorge zu leiden, genießen sie dabei Erholung, Sport und die romantisch wilde Natur. (dpa)