Essen. Camping mal anders - statt das Zelt auf der Wiese aufzuschlagen, können Urlauber mit dem Hausboot das niederländische Friesland erkunden. In den Verleihbooten ist es meist eng und nachts wärmen nur die Schlafsäcke. Dafür locken frische Seeluft und nahezu unberührte Landschaften.

Das ist der Inbegriff der Gemütlichkeit: Der Regen prasselt aufs Dach der „Dolte“, die Heizung bullert, in der Kombüse köcheln die Nudeln auf dem Gasherd und die Familie rückt auf den Polsterbänken zusammen. Am Nachmittag sind wir mit dem flachen Flussschiff bei der „Blauwe Hand“ im niederländischen Friesland aufgebrochen. Und als die Felder rechts und links der Walen-gracht in der Dunkelheit versinken, machen wir an einem Anleger fest.

Eine Woche Camping auf dem Wasser liegt vor uns. Camping? Ja! Denn allzu große Erwartungen darf man an die meisten Verleihboote nicht haben – sie sind eng und nachts mummeln wir uns in Schlafsäcke ein. Leichtmatrose Lucas findet die „Dolte“ trotzdem toll, nur „die Dusche ist so klein“. Immerhin gibt es eine. Und auch die Menüs fallen allzu üppig nicht aus, denn der dreiflammige Herd und ein kleiner Kühlschrank lassen keine großen kulinarischen Sprünge zu. Macht aber nichts, dafür haben wir jetzt, ganz zu Beginn der Saison, die meisten Stege für uns. An Schleusen und Brücken gibt es kein Gedränge.

Kaffee trinken auf der Heckplattform

In der Nacht regnet es noch kräftig, aber am Morgen strahlt die Sonne wieder. Das reicht für einen Kaffee auf der kleinen Heckplattform. Still ist es, die Bäume spiegeln sich im glatten Wasser. Einige Meter entfernt stelzt ein Graureiher und äugt herüber. Noch am Frühstückstisch studieren wir die Karte.

Wichtig sind für uns zwei Angaben: Die blauen Zahlen mit einem „D“ davor an allen Gewässern: Sie geben die Wassertiefe an. Alles unter „D8“ meiden wir, obwohl die „Dolte“ mit ihren gerade 60 Zentimetern Tiefgang praktisch überall durchkommt. Und dann sind da noch die Infos über „BB – beweegbare brug“, also Zug- und Drehbrücken.

Geld im friesischen Holzschuh

Bei manchen passen wir durch, ohne dass die Brücke geöffnet werden muss, bei anderen müssen wir warten, bis der Wärter uns sieht, die Straße sperrt und den Weg freigibt. Manchmal schwingt er auch einen an einer Art Angel befestigten Klompen, einen friesischen Holzschuh, zu uns herüber. Dann müssen wir ruckzuck zwei Euro hinein werfen, bevor wir vorbei sind. Das macht Spaß. Lucas und Pauline sehnen jede Brücke herbei.

Doch so schnell geht das nicht. Denn mit gerade acht Kilometern pro Stunde zuckeln wir durch nahezu unberührte Sumpflandschaften wie den Nationalpark „De Weerribben“, dann wieder stehen auf beiden Seiten der Gracht Wohnhäuser. Eine ältere Dame, die gerade ihr Wohnzimmerfenster putzt, winkt uns begeistert zu. Zu dieser Jahreszeit kommen nur wenige Hausboote hier durch.

Fast wie richtige Seeleute

Es ist zwölf Uhr, in Ossenzijl stehen die Ampeln an der Zugbrücke auf Doppelrot – Mittagspause, auch Brückenwärter wollen mal essen. Nach der Pause nutzen wir eine kleine Marina hinter der Brücke, um unseren Wassertank wieder aufzufüllen. Und dann kaufen wir noch ein paar holländische Leckereien im einzigen Lebensmittelgeschäft weit und breit.

Weiter geht es, der große Diesel unter den Bodenplatten arbeitet kräftig, die Schraube wirbelt das grünliche Wasser auf, die Pinne in der Hand vibriert. Es kommt Wind auf. Als wir dann aufs Tjeukemeer, einen riesigen See, kommen, ist es schon recht böig. Mühsam arbeitet sich die „Dolte“ durch die Wogen, uns sprüht Gischt ins Gesicht und wir fühlen uns fast wie richtige Seeleute.

Wenn Wellen in den Schlaf schaukeln

Belohnt wird die Fahrt mit einem Abend auf einer kleinen, künstlich aufgeschütteten Insel, der Tsjûkepôlle. Sanft schaukeln uns die Wellen in den Schlaf. Ein Schwarm Möwen macht es unserem Schiffchen nach und lässt sich für die Nacht auf dem See nieder.

Etwas Respekt haben wir schon vor dem Prinses-Margriet-Kanal. „Befahren streng verboten!“, hat man uns bei der Einweisung erklärt. Auf unserer Karte ist die Wasserstraße denn auch mit einem dicken roten Strich gekennzeichnet. Kreuzen aber dürfen (und müssen) wir, denn unser nächstes Etappenziel ist Sneek.

Schwankende Planken locken nach Landgang

Bis fast ins Zentrum der Kleinstadt mit 33 000 Einwohnern fahren wir. Dann sind es nur ein paar Schritte zur Stadtmitte. Hier gibt es alles, sogar einen C&A – kein Wunder: In Sneek haben die Gebrüder Brenninkmeyer 1841 ihr Unternehmen gegründet. Aber das Treiben kommt uns nach dem geruhsamen Vagabundentum auf dem Wasser hektisch vor und wir gehen wieder an Bord.

Besser als Sneek gefällt uns Joure, ein Städtchen, das einst einen Ruf als niederländisches Uhrenzentrum hatte. Auch hier hat übrigens ein Konzern seine Wurzeln: Douwe Egberts, das friesische Kaffee-Imperium. Davon merkt man kaum etwas beim Schlendern durch die Midstraat, in der sich Lädchen an Lädchen reiht. Die typischen Marken-Shops, die sonst die Innenstädte beherrschen, fehlen hier fast völlig. Durch den schönen Stadtpark geht es zurück zum Hafen. Komisch: Schon nach gerade zwei Stunden an Land locken uns die schwankenden Planken wieder.

Und dann ist unsere Woche schon um. Als wir durch die Bojen auf der Beulaker Wijde auf den Heimathafen zutuckern, streckt uns von weitem die Freiheitsstatue ihre Fackel entgegen. Allerdings hat die grüne Miss Liberty nicht einmal ein Zehntel der Größe des Originals. Macht nichts, uns weist sie den Weg. Wir vertäuen längsseits an der „Far“, einem Schwesterschiff der „Dolte“. Und dann sagen wir dem Leben auf dem Boot adé. Vorerst zumindest.