Salzburg. Der Pfarrer und Komponist Josef Mohr hat 1792 die Idee für ein Lied, das wohl zu den populärsten der Welt gehört. Die Melodie zu seinem Text über die stille und heilige Nacht kommt von Volksschullehrer Fanz Xaver Gruber. Am Heiligen Abend 1818 wird das Lied zum ersten Mal in der Kirche gesungen.
Armer Josef Mohr. Der Gitarre spielende und singfreudige Salzburger hatte allemal das Zeug zum Gipfelstürmer internationaler Charts. Sein Pech: 1792 kam er für eine Karriere als Superstar 200 Jahre zu früh auf die Welt. Damals gelingt dem Pfarrer mit „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ ein Weihnachtslied, das heute – mehr oder weniger texttreu – Menschen in 150 Sprachen singen.
Die Melodie zu Mohrs Strophen fiel einem anderen Österreicher ein: Franz Xaver Gruber war Volksschullehrer, Organist und zusammen mit Mohr einen Winter lang eine Art Lennon/McCartney des 19. Jahrhunderts. Ihr Weihnachts-Song wurde am 24. Dezember 1818 zum ersten Mal in einer Kirche im Salzburger Land angestimmt. In Salzburgs Altstadt wurde Mohr in der Steingasse 31 geboren, jede stimmungsvolle Reise zu den Ursprüngen des Weihnachtsliedes in beginnt Arnsdorf, Hallein, Mariapfarr, Oberndorf und Wagrain.
Immer wieder umgeschrieben
Oberndorf, Heiligabend 1818: Es ist klirrend kalt. Niemand würde in dieser eisigen Winternacht sein Haus verlassen, riefen ihn nicht Glocken zur Christmesse. Flackernde Feuer vor der St. Nikolaus Kirche zeichnen Schatten der mit flinken Schritten in das Gotteshaus huschenden Menschen auf den Schnee. Nach der Messe treten Mohr und Gruber noch einmal vor die Gemeinde. Weil die ramponierte Orgel ihren Dienst versagt, hatte sich der Pfarrer an Gruber gewandt: „Ich hab’ da ein Gedicht, mach’ du mal eine Melodie für Gitarrenbegleitung dazu.“ Vor einer Krippe schlägt Mohr den ersten Akkord an. Herr Pfarrer singt Tenor, Schulmeister Gruber die Bassstimme. Schulter an Schulter mit wärmenden Kerzen in den Händen stehen die Dorfleute in der kalten Kirche und lauschen der Botschaft vom himmlischen Frieden.
Auch interessant
Richtig berühmt wird das Lied aber erst, als 1825 ein Tiroler Orgelbauer das Meisterstück mit ins Zillertal nimmt. „Ei schoans Liad“, urteilte damals auch die „Tiroler Sängergesellschaft“. Sie erweiterte ihr Repertoire mit der hitverdächtigen Komposition und sang sie als „Tiroler Volkslied“ auf Konzerttourneen in Europa und Übersee. Ende des 19. Jahrhunderts ist „Silent Night!“ bereits in den USA und in Afrika zu hören – wenn auch oft in verkitschten Bearbeitungen.
„Bis zu der heute bekannten Melodie sind immer wieder mal ein paar Noten etwas umgeschrieben worden“, bestätigt Max Gurtner. In Arnsdorf ist Gurtner „Hausherr“ der als Museum eingerichteten Wohnung von Franz Xaver Gruber, der vor 150 Jahren starb.
Ein Leben in Wohlstand
Vom Flur führt eine Holztreppe ins Erdgeschoss zu Österreichs ältester einklassiger Schule. Vor der Tür hängen an einer Kleiderwand Mäntelchen und putzige bunte Filzhüte. So hat es hier schon zu Grubers und Mohrs Zeit ausgesehen. Das museale Lehrerpult steht immer noch auf festen Holzbeinen und die Lernwerkzeuge sind fast so alt wie die Schulprotokolle oben im Museum.
Der Wechsel von Arnsdorf nach Hallein gestatte Gruber bis zu seinem Tod 1863 ein finanziell ertragreicheres und musikalisch kreativeres Leben. Nur einen Schneeballwurf von der Pfarrkirche entfernt steht – zum „Stille Nacht Museum“ umgebaut – sein ehemaliges Wohnhaus. Zwischen Schaustücken bürgerlicher Wohnkultur fällt der Blick auf ein Instrument. Ist das die Gitarre von Josef Mohr? „Joa, scho!“, versichert die Museumsdame. Beweise gebe es dafür aber nicht.
Nur zweimal im Leben getroffen
Für Pfarrer Rohmoser bedarf es keiner Beweise. In der Kirche in Mariapfarr öffnet der Mann des Glaubens die Tür zu einer Kammer. In dem kargen Stübchen soll seinem „Vorgänger“ die „Stille Nacht“ aus der Feder geflossen sein, bevor er nach Oberndorf ging. Dann zeigt der Pfarrer auf ein Altarbild mit dem Jesuskind als blond gelockten Knaben. Rohmoser ist überzeugt: Diese Szene hat Mohr zu seinem heiligen Wiegenlied inspiriert. Mohr starb 1848 im Alter von 56 Jahren an Lungenlähmung. In Wagrain, nahe der zehn Jahre vorher von ihm gebauten Schule, befindet sich sein Grab. Er ging so arm, wie er gekommen war.
Oberndorf, Dezember 2013: An Stelle der Nikolaus Kirche steht seit 1937 auf einem Trümmerhügel eine einfache kleine Kapelle mit großer Anziehungskraft. Zur Weihnachtszeit werden auch dieses Jahr Besucher aus aller Welt zu der in feierliches Licht getauchten Gedenkstätte kommen. Draußen vor der Tür zaubert der Frost wieder Glasdeckel auf die Pfützen. Und wie an jedem Heiligen Abend werden wieder zwei Sänger vor Tausenden von Menschen den Evergreen der zwei frommen Komponisten singen, die sich in ihrem ganzen Leben nur zweimal gesehen haben.