Mae Klong. “Schienen betreten verboten“ – das kennt man ja von Bahndämmen. Zu gefährlich, wenn der Zug heranrauscht. In Mae Klong in Thailand gilt das nicht: Eine Tuchfühlung mit der Diesellok ist für die Marktbesucher hier täglich Brot. Und die Verkäufer kennen seit über 100 Jahren die Routine.

Gemüse, Obst, Fisch, Fleisch, Suppen, Säfte und Gegartes, dazu Gedränge, Geschrei und gackernde Hühner – auf dem Markt in Mae Klong 70 Kilometer südwestlich von Bangkok pulsiert das Leben. Aber achtmal am Tag findet hier ein einzigartiges Spektakel statt: Die Marktständler müssen in Windeseile ihre Auslagen einpacken, weil mitten durch das Marktgelände Bahngleise führen.

Wenn die Lok sich mit ohrenbetäubendem Gehupe ankündigt, ziehen sie routiniert die Ware zurück, und der Zug gleitet im Abstand von wenigen Zentimetern an Fisch und Gemüse vorbei. "Talad Rom Hoop" - auf Deutsch etwa "Schirm-klapp-weg"-Markt - heißt die Touristenattraktion.

Einkaufen auf den Schienen:
Einkaufen auf den Schienen: "Talad Rom Hoop" - auf Deutsch etwa "Schirm-klapp-weg"-Markt - heißt die Touristenattraktion. © Charubutr Asavaroengchai | Charubutr Asavaroengchai

Rechts hat eine Frau grüne und gelbe saftige Mangos zu Pyramiden aufgeschichtet. "Hier, probier" deutet sie an, und hält Besuchern ein Obststückchen auf dem Zahnstocher entgegen. Daneben bieten zwei junge Mädchen Pitahaya, die lilafarbenen Drachenfrüchte, an. Die nächste Frau hat frische Riesengarnelen wie eine Spirale auf ein Blechtablett drapiert. Überall wird begutachtet, befühlt, gefeilscht und abgewogen.

Furchteinflößende Lok

Der Markt ist lang und schmal. Die Stände drängeln sich auf beiden Seiten entlang von Häuserwänden, dazwischen verlaufen die Schienen. Wenn die Sirene einen nahenden Zug ankündigt, springen die Standbesitzer auf. "Zurück!" schreit ein Aufseher, der vorsichtshalber noch in die Trillerpfeife bläst. Mit geübten Griffen schieben die jungen Mädchen ihre eigens auf Rollen gebaute Auslage zurück, die Marktfrau schnappt sich das Garnelentablett, und ihr Vater wuchtet an den Seilen, um die ausgefranste Markise zurückzuziehen.

Kaum ist der Zug durch, schließt sich die schmale Gasse wieder: Markisen runter, Sonnenschirme auf, Auslagen nach vorne und das Geschäft geht weiter.
Kaum ist der Zug durch, schließt sich die schmale Gasse wieder: Markisen runter, Sonnenschirme auf, Auslagen nach vorne und das Geschäft geht weiter. © Charubutr Asavaroengchai | Charubutr Asavaroengchai

Warnend dröhnt die Zughupe, dreimal, dann schiebt der Hunderte Tonnen schwere Koloss sich durch die schmale Gasse zum nahen Bahnhof. Nicht schnell, aber auf Tuchfühlung ist eine vier Meter hohe Lok auch in Kriechgeschwindigkeit furchteinflößend. Die dröhnende Hupe, die in einer weiten Landschaft vielleicht heimeliges Reisefieber weckt, dringt im Zentimeterabstand zur Zugwand durch Mark und Bein.

Fotografieren durchs Zugfenster

Kaum ist der Zug durch, schließt sich die schmale Gasse wieder: Markisen runter, Sonnenschirme auf, Auslagen nach vorne, und das Geschäft geht weiter. Warum findet der Markt ausgerechnet hier statt? "Warum nicht? Meine Großeltern haben hier schon verkauft," übersetzt ein Thailänder die Antwort der Fischverkäuferin. Die Bahnstrecke gibt es seit mehr als 100 Jahren, den Markt vermutlich auch.

Jemand sagt, die Verkäufer brauchten hier auf dem Bahngelände keine Standgebühr bezahlen. Bahn und Bauern haben sich arrangiert: Niemand regt sich über den "Schirm-Klapp-Weg"–Markt auf. Niemand hat je etwas von einem Unfall gehört. Auf der Strecke von Ban Laem nach Mae Klong sind heute oft Besucher unterwegs, die das Spektakel vom Zugfenster aus fotografieren wollen. (dpa)