Deutsche Hochwasserregionen werben verzweifelt um Touristen
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Leipzig. Nach dem verheerendem Hochwasser in Nord- und Ostdeutschland haben zahlreiche Urlauber ihre Reisen in die Gebiete storniert. Viele wissen jedoch nicht, dass nicht alle Sehenswürdigkeiten Schaden genommen haben. Vielerorts wird daher mit speziellen Marketingaktionen um Touristen geworben.
Das Wasser hat sich weitestgehend zurückgezogen, die milliardenschwere Aufbauhilfe soll bald fließen - doch das ganze Ausmaß der Flutkatastrophe ist noch längst nicht absehbar. Vielerorts bleiben nun auch noch die Urlauber weg, was den ohnehin gebeutelten Hotels, Gaststätten, Kultureinrichtungen und Kleinbetrieben wachsende Sorge bereitet.
Sogar Gebiete wie der Harz, die von den Wassermassen gar nicht betroffen waren, klagen über Stornierungen. Mit Appellen und Marketingaktionen wird nun verstärkt um Touristen geworben. So wirbt Sachsen-Anhalt, wo die Elbeflut ganze Landstriche unter Wasser setzte, mit Riesenplakaten um Aufmerksamkeit.
Das Land sei "gerade jetzt eine Reise wert", heißt es auf den überdimensionalen Werbeflächen, die seit Freitag in Essen hängen und ab kommender Woche auch in Berlin, Dortmund, Düsseldorf und Köln. Seht her, so die Botschaft, die meisten touristischen Highlights sind intakt.
Urlauber wollen nicht als "Hochwasser- touristen" gelten
Zum Beispiel Halle: Die örtlichen Hotels klagen über Umsatzeinbußen von 20 bis 100 Prozent, obwohl Sehenswürdigkeiten wie das Händel-Haus nicht gelitten haben, wie Isabel Hermann vom Stadtmarketing berichtet. Nach Angaben von Rene Kauschus vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Sachsen-Anhalt sind in dem Bundesland rund 300 der über 1100 Hotels und Gaststätten von den Fluten beschädigt oder stark von einem Rückgang der Gästezahlen betroffen. "Viele wissen nicht, wie sie die kommenden Wintermonate überleben sollen", berichtet er.
Hochwasser-Helfer schleppen Sandsäcke von Deichen
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Auch Michael Pirl kämpft mit einer Stornierungswelle. "Der Schaden ist nicht zu ermessen", klagt der Inhaber des Ringhotels "Zum Stein" in Wörlitz. Das angrenzende Dessau-Wörlitzer Gartenreich blieb von der Flut verschont. Dennoch bleiben die Touristen weg, ausgerechnet in jenen Wochen, wo laut Pirl "der meiste Umsatz gemacht wird". "Es ist schwer für die Menschen, die Bilder von der Flut wieder aus den Köpfen zu bekommen", sagt er. So manch einer storniere, um nicht als Hochwassertourist zu gelten. "Aber das ist gerade falsch. Wir brauchen die Urlauber", sagt der Hotelier.
Entlang des Elbradwegs gibt es Einschränkungen
Mit Sorge beobachten auch die kommunalen Spitzenverbände und der Deutsche Tourismusverband die Urlauberflaute. Für die betroffenen Gebiete seien Urlaubsgäste "die beste Fluthilfe überhaupt", betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt der Deutschen Zentrale für Tourismus jetzt sogar 250.000 Euro für eine Sonder-Marketingkampagne im Ausland zur Verfügung, um zu zeigen, "dass Deutschland als Reiseland nichts von seiner Attraktivität verloren hat".
Freilich gibt es mancherorts, etwa entlang des Elberadwegs, noch Einschränkungen. Auch haben einige Hotels und Gaststätten noch geschlossen. Das meiste funktioniert aber längst wieder. 95 Prozent der mehr als 2000 Gästeunterkünfte in Sachsen und auch die meisten Sehenswürdigkeiten seien problemlos erreichbar, heißt es bei der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen. Die sächsische Staatsregierung will die Nachfrage nun ankurbeln und hat rund 600. 000 Euro unter anderem für die Werbung in überregionalen Zeitungen bereitgestellt.
Tagesetappe auf Radlerpass abstempeln lassen
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wirbt eindringlich für sein Bundesland. "Seien Sie zu Gast bei den Helden der vergangenen Tage, die ihre Heimat gegen die Fluten geschützt haben", appellierte er am Freitag in einer Videobotschaft.
Der Tourismusverband Prignitz in Brandenburg hat sich indes eine ganz besondere Idee für Elberadler ausgedacht. Sie können sich in Hotels und Pensionen die Tagesetappe auf einem speziellen Radlerpass abstempeln lassen. Für jeden Kilometer gehen zwei Cent, die sich der Tourismusverband und die Herberge teilen, als Spende an die Flutopfer. (afp)
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