Leverkusen. Für Autofahrer ist das die Hölle: Rund 135.000 Gesamtkilometer Stau gibt es jährlich in Nordrhein-Westfalen. Die Verkehrszentrale in Leverkusen soll den Stillstand möglichst schnell auflösen.

Morgens um 08.30 Uhr: Rushhour auf den Autobahnen in Nordrhein-Westfalen. Insgesamt gibt es 160 Kilometer Stau - der werktägliche Wahnsinn. Von der Verkehrszentrale in Leverkusen wird er gesteuert. Auf dem Bildschirm von Sascha Grieger werden die langsamen Fahrzeuge zu roten Linien. Das bedeutet Stau. Je heller das Streckennetz wird, desto weniger Fahrzeuge sind unterwegs. Bei grün ist die Bahn frei. Grieger ist sogenannter Operator und überwacht mit seinen Kollegen die Verkehrssituation in NRW. Vor zwei Wochen ist die einheitliche Verkehrszentrale für das Bundesland in Betrieb gegangen.

Wie ein großes Cockpit wirkt der Raum, in dem die Operatoren arbeiten. Die Mitarbeiter thronen hinter jeweils zwölf Bildschirmen. Fenster gibt es keine. "Auf der A3 zwischen Dellbrück und Mülheim staut es sich", sagt der 32 Jahre alte Grieger. Vor ihm steht eine leere Kaffeetasse. Seit sechs Uhr in der Früh sitzt er bereits an seinem Arbeitsplatz.

60.000 Staus in NRW pro Jahr

"Wir sprechen von Stau, wenn die Fahrzeuge ein Tempo unter 35 Stundenkilometer fahren", erklärt der Leiter der Verkehrszentrale, Hanno Bäumer. Davon gibt es in NRW fast 60.000 im Jahr mit einer Gesamtlänge von etwa 135.000 Kilometern. Verkehrsdetektoren - Drähte, die im Asphalt installiert sind - erfassen die Anzahl und Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Mit diesen Daten arbeiten dann die Mitarbeiter der Verkehrszentrale.

Während draußen der Verkehr tobt, herrscht in der Zentrale kaum Hektik. Die Blicke sind konzentriert auf die Monitore gerichtet. Es bedarf nur weniger Klicke auf die Computermaus, und schon kann Grieger die Anzeigen auf dynamischen Informationstafeln steuern. Sie sind über der Fahrbahn angebracht und weisen Autofahrer auf mögliche Gefahren hin oder wünschen auch einfach mal eine "Gute Reise".

"Eben habe ich beispielsweise auf eine mögliche Umleitung hingewiesen. Dann hätten die Autofahrer einen Stau umfahren können", sagt Grieger. Auch durch Tempovorgaben könne der Operator in den Verkehrsfluss eingreifen. "Manchmal merkt der Autofahrer gar nicht, dass wir ihm geholfen haben." Wenn Grieger oder einer seiner Kollegen das Tempo herunterreguliert, hat sich der Stau häufig schon aufgelöst, wenn der Autofahrer zur ursprünglichen Staustelle gelangt.

Autobahnkontrolle per Webcam

Plötzlich tut sich etwas auf einem der Monitore: Aufnahmen der Webcam zeigen die orangenen Fahrzeuge des Betriebsdienstes. Sie bewegen sich langsam über den linken Fahrstreifen. "Die haben gerade angerufen. Sie führen Grünpflegearbeiten durch", sagte eine Mitarbeiterin. Es dauert nur wenige Sekunden und schon hat sich ein kleiner Stau gebildet. "Jetzt können wir über den Standstreifen umleiten, damit es wieder schneller vorangeht", sagt Grieger. "Mir macht mein Beruf viel Spaß, weil man das Gefühl hat, ich kann den Leuten so die Fahrt angenehmer gestalten, ihnen helfen."

Neben der Temporegulierung und den Umleitungsempfehlungen, kontrollieren Grieger und seine Kollegen auch Teilabschnitte der Autobahn per Webcam. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist dabei immer sehr eng. Das gesamte Streckennetz in NRW können die Operatoren allerdings nicht beeinflussen. Nicht alle Fahrbahnen sind mit elektronischen Anzeigen ausgestattet.

Die Situation entspannt sich

Prof. Dr. Andreas Knie, Mobilitätsforscher und Geschäftsführer des Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) sagt: "Wir haben ein stetiges Wachstum an Fahrzeugen und ein großes Problem mit der Bereitstellung der Infrastruktur. Die Situation ist geradezu dramatisch." Eine Verkehrszentrale helfe da nur bedingt. "Sie reagiert lediglich auf Informationen und ein Verkehrsaufkommen, das bereits vorhanden ist." Ein Lösungsvorschlag: "Generell gilt die Formel: Je mehr Menschen zu unterschiedlichen Verkehrsmitteln greifen, desto schneller ist die Stadt." Deshalb sollte nicht immer jeder ins eigene Auto steigen.

Es ist kurz vor 10.00 Uhr: Die Farben auf der Straßenkarte haben sich größtenteils grün gefärbt. "Hast du die Vier zugemacht", fragt eine Kollegin. Sie meint den Standstreifen, der wegen eines Staus geöffnet worden war. Das ist jetzt nicht mehr notwendig. "Langsam ist alles wieder entspannt", sagt Grieger. (dpa)