Tabarca. Mit seiner unverbauten Küste und kristallklarem Wasserist die spanische Insel Tabarca der Geheimtipp vor der Costa Blanca. Bisher kommen vor allem spanische Besucher auf die Insel mit der bewegten Geschichte: Die Insel wurde besiedelt, als noch Piraten die Küste unsicher machten.

Das Schiff schwankt. Die Kontiki II taumelt auf dem Wasser wie die Blase in einer Wasserwaage. Die Wellen tragen Schaumkronen. Salvador Díaz steht in seiner Kajüte. In der einen Hand hält er den Steuerknüppel, in der anderen eine Zigarette. Die Gischt spritzt über Deck in die Kabine, doch Díaz steht da wie eine Ölgötze. „Passiert nichts“, sagt er mit seemännischer Ruhe. Díaz, dunkle Hornbrille, warmes Lächeln und Kapitän, macht seinen Job so lange er denken kann. „Vielleicht war es 1970, vielleicht auch früher, als ich angefangen habe.“ Seitdem hat er viele Wetter kommen und gehen sehen, so eine müde Brise bringt ihn da nicht aus der Fassung.

Seit mehr als 40 Jahren steuert Díaz mit seinem Unternehmen Cruceros Kontiki von seiner Heimatstadt Alicante regelmäßig die Insel Tabarca an – elf Seemeilen sind es von Alicante aus dorthin. Das Eiland, das wie ein Goldstück im Meer vor der Costa Blanca liegt, ist bis heute die einzige regelmäßig bewohnte Insel der Provinz Alicante. Seit 1986 gehören die Gewässer um die Insel zum ersten geschützten Meerespark Spaniens.

Schmuggler und Piraten machten die Küste unsicher

Tabarca hat eine lange Geschichte. Einst machten Schmuggler und Piraten die Küste unsicher. Im 18. Jahrhundert ließ König Karl III. deshalb anweisen, die Insel zu befestigen. 1768 siedelte er dort 69 Fischerfamilien aus Genua an, die er aus der Gefangenschaft in der tunesischen Stadt Tabarka befreit hatte. Sie bauten einen rechteckig angelegten Ort mit hohen Mauern, die ihnen Schutz bieten sollten. Die Mauern stehen bis heute nahezu unverändert. Um 1920 lebten auf Tabarca noch 1000 Menschen, heute sind es im Winter gerade mal 70. Doch noch immer tragen viele Familien genuesische Namen: Colomba, Chacopino und Parodi. Eine Straße heißt Carrer Genova.

Info

Anreise: Mit Air Berlin ( 030/34 34 34 34, www.airberlin.com) von Düsseldorf nach Alicante, weiter mit dem Schiff mit Cruceros Kontiki (www.barcosalicantetabarca.com) in 40 Minuten auf die Insel.

Unterkünfte: Das Hotel Boutique Isla de Tabarca (www.hoteltabarca.es) bietet schöne Zimmer in einem alten Fischerhaus: Doppelzimmer ab 110 Euro. Das Hostal Masín (www.hostalmasin.com, DZ ab 50 Euro) ist gut und günstig: Doppelzimmer ab 50 Euro.

Kontakt: Spanien Tourismus, www.spain.info, www.alicanteturismo.com

Im Licht des Vormittags liegt Tabarca so flach da wie ein Badetuch. Vor allem spanische Familien mit ihrem Hofstaat sind es, die zwischen Mai und September auf Tabarca einfallen. Mehrere hundert Besucher zählt die Insel in der Hochsaison jeden Tag: Sie alle kommen mit dem Schiff, alle suchen die goldgelben Sandbuchten und das kristallklare Wasser. Heute ist der Tourismus auf Tabarca der wichtigste Wirtschaftszweig. Aber es gibt noch keine Bananenboote und keine Reihen von Sonnenschirmen.

Tabarca ist vor allem bei Spaniern aus der Region beliebt, bei ausländischen Besuchern dagegen ist die Insel noch weitgehend unbekannt. Und das ist gut so, denn die Insel zählt an schönen Sommertagen beinahe zehnmal so viele Gäste wie Einwohner. Die Restaurants platzen aus allen Nähten. „Anfang der 70er brachten wir 50 Leute am Tag auf die Insel, heute sind es 500 und mehr“, sagt Salvador Díaz. Dennoch ist Tabarca mit seiner unverbauten Küste und den kleinen Badebuchten ein Geheimtipp.

Der Rundgang nimmt nicht viel Zeit in Anspruch 

Wer Tabarca besichtigt, ist schnell durch mit seinem Programm. Der Rundgang führt vom Hafen in wenigen Minuten zur Torre de San José im Herzen der Insel, einst Wachturm und Gefängnis. Von dort geht es weiter vorbei am Leuchtturm zum Friedhof, auf dem einige der genuesischen Fischerfamilien begraben liegen. Das 360-Grad-Panorama zeigt hier nur Wasser. Durch die Puerta de Levante, das von Palmen flankierte Stadttor, gelangt man schließlich in die mauerumsäumte Altstadt des einzigen Ortes der Insel. Über allem thront dabei die mächtige Iglesia de San Pedro. Die weiß gekalkten Fassaden in den rechtwinkligen Gassen sind mit Geranien geschmückt. Tabarca gibt einem das Gefühl, schnell alles gesehen zu haben, und so kann man sich bald kulinarischen Genüssen hingeben.

Auf der Insel gibt es keine glamourösen Restaurants wie an den Hafenmeilen von Torrevieja, Alicante, Dénia und Moraira, doch von den Fischtavernen geht ein ganz eigener Charme aus: Vom Meer weht eine salzige Brise herüber. Es riecht nach Fisch und Olivenöl. Was der Chef empfehle, frage ich den Kellner im „La Alambrada“. Der Besitzer sei gerade ausgeflogen, aber er könne uns „arroz negro“, schwarzen Reis, der statt mit Safran mit Tintenfischsud gefärbt ist, ans Herz legen. Eine Spezialität der Region. Eine Viertelstunde später steht eine Pfanne von der Größe eines Wagenrades auf dem Tisch: Der Reis ist nur mit ein wenig Tintenfisch und Artischocken garniert und so dunkel wie die Nacht – aber ein Gedicht.

Am Nachmittag liegt das Meer so flach da, als ob es niemals ein Lüftchen gegeben hätte. Die Kontiki gleitet ruhig aus dem Hafen. An Bord ist es jetzt richtig voll, weil scheinbar die ganze Welt mit dem letzten Boot zurück ans Festland fahren will. Noch einmal zieht Tabarca vorbei: Etwas schläfrig liegt das Eiland im Nachmittagslicht da. Der Himmel zerfließt honiggelb über den Dächern. Díaz steckt sich eine Zigarette an und blickt hinüber zum Kirchturm.

Dann sagt er: „Tagsüber weißt Du oft nicht, wohin Du vor lauter Menschen gehen sollst. Wenn Du die Insel für Dich allein haben willst, musst Du über Nacht bleiben. Hat das letzte Schiff die Insel verlassen, ist Tabarca ein Juwel.“ Wie kaum ein Zweiter kennt Díaz den Ort. Doch für immer bleiben will der Capitán nicht. „Das wäre mir dann doch zu einsam. Denn dann musst Du Dich ein halbes Jahr lang mit dem Wind und den Wellen unterhalten.“