Essen. . Durch Naturgewalten und Taifune sind tausende Philippinos obdachlos geworden. Es ist scher eine neue Wohnung oder ein Dach über dem Kopf zu finden, hinzu kommt die Armut vieler Anwohner. Doch die Menschen haben ihre Lebensfreude nicht verloren. Eine Rundreise.
Die Braut lächelt. Sie lächelt für den Fotografen und auch noch, als eine Horde von Touristen mit Kameras auf sie zustürmt, um sie abzulichten. „Wir Philippinos liefern Bilder“, sagt Marlyn, die 28-jährige Fremdenführerin, die in Deutschland aufgewachsen ist. „Wir lächeln auch über die Krisen hinweg.“ Auf unserer Reise durch die Philippinen begegnen wir diesem „philippinischen Krisenlächeln“ immer wieder.
Manila – die Hauptstadt
Die Stadt ist ein Moloch, 626 Quadratkilometer groß, 17 Millionen Einwohner, eine Wolkenkratzer-Skyline und der größte Slum der Welt. Immer wieder suchen Taifune die Philippinen heim und machen Tausende obdachlos. Viele schlafen bis heute auf der Straße. Wer Glück hat, findet des Nachts Zuflucht im Rizal-Park, der an den philippinischen Nationalhelden Jose Rizal erinnert. Das Standbild Rizals wird rund um die Uhr von vier Soldaten bewacht. Sie drücken beide Augen zu, wenn nach Einbruch der Dunkelheit die obdachlosen Familien in den Park strömen. Ein Dach über dem Kopf finden sie hier auch nicht.
Da sind diejenigen besser dran, die im chinesischen Friedhof ihr Zuhause haben. Dort, wo die Toten in Marmormausoleen ruhen, oft luxuriös mit Küche, Bad und Klimaanlage. „Den Toten geht es hier besser als den meisten Lebenden“, sagt Gerry de los Reyes bitter. Für den Philippino mit dem schrägen Haarschnitt ist es nur Recht und billig, dass arme Leute auf dem Friedhof ihren Lebensunterhalt finden. In einem der großen Mausoleen poliert eine Großmutter mit ihrer Enkelin den Grabstein. Sie lebt seit 37 Jahren auf dem Friedhof und ist hier alt geworden. So wie ihre Mutter vor ihr und irgendwann einmal wohl auch ihre Enkelin.
Die Arbeit wird an die Nachkommen vererbt
Auch wenn die Arbeit mit gerade mal 300 Pesos kärglich entlohnt wird, wird sie von Generation zu Generation weiter vererbt. Wo sonst kann man in Manila so angenehm wohnen? Die Mieten sind horrend, vor allem Downtown. Oft teilen sich zwei bis drei Familien eine 60-Quadratmeter-Wohnung. Denn bei einem Durchschnittsverdienst von 380 bis 420 Pesos am Tag (zwischen sechs und acht Euro) kann man keine großen Sprünge machen. Und trotzdem lächeln die Menschen.
Bohol – Die grüne Insel
Bohol ist grün – grün wie die Hoffnung. Marlyn lebt gerne hier mit ihren zwei Kindern. „Wir werden nicht reich“, sagt die kleine, rundliche Philippina mit dem kecken Pferdeschwanz. „Aber wir haben alles, was wir brauchen. Auf Bohol muss niemand verhungern.“
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Am Straßenrand wechseln sich teure Villen ab mit kleinen Katen, nicht größer als Garagen. In Dauis ist die steinerne Kirche Mariä Himmelfahrt Zentrum des Ortes. „Familie, Kirche, Hahnenkampf“, sagt Marlyn, das sei der Sonntag auf Bohol. Und die Kirche ist wichtig: 82 Prozent der Philippinos sind Katholiken. Entsprechend rigide sind die Gesetze. Es gibt keine Empfängnisverhütung und auch keine Scheidung.
Die Menschen leben von der Hand in den Mund und machen selbst Abfall zu Geld. Das ist wohl Erfindungsreichtum: Alte Gummireifen werden zu Blumentöpfen, Zäunen und Gartenstühlen, Getriebestangen von Lastwagen zu Messern. In den Gärten gedeihen die süßesten Früchte, die Fische im Meer gehören sowieso allen und die Touristen bringen gutes Geld. Wohl auch deshalb stellen sich die fünf Jungs in ihren gelben Schuluniformen gleich feixend in Fotopose, als die ersten mit Kameras behängten Ausländer aus dem Bus klettern.
Grasgrüne Hügel gleichen Schokoküssen
Auf Bohol gibt es viel zu fotografieren. Das beliebteste Motiv sind die Chocolate Hills, 1776 grasbewachsene, rundkuppige Hügel. Aber weil das Gras unter der Sonnenglut oft ausgedörrt ist, sind die Hügel außerhalb der Regenzeit braun wie Schokoküsse. Daher auch der Name. Jetzt runden sie sich grasgrün bis zum Horizont, so wie vielleicht die Hügel in Tolkiens Auenland. Auf dem Aussichtspunkt lächeln Einheimische und Touristen um die Wette – für die Fotografen, die diese märchenhafte Landschaft in einen wahren Fotorausch versetzt.
Boracay – Die Urlauber-Insel
„Alles was man machen will, kann man in Boracay tun“, sagt Marisette (41), unsere mütterliche Reisebegleiterin: Restaurant reiht sich am berühmten White Beach an die Disco, Kneipen wechseln mit Läden. Es gibt ein Hobbit House, wo Kleinwüchsige bedienen, einen mongolischen Grill, Heidiland Deli und natürlich Starbucks und McDonalds. Überall dröhnt Musik. Man schlendert von einem Ort zum anderen, trinkt da mal ein Bier und dort einen Cocktail. Oder man liegt am weißen Sandstrand und schaut hinaus aufs smaragdfarbene Meer, in dem fröhliche Kinder planschen.
Auch Marlon freut sich. Der fesche Bootsmann mit dem Mozartzopf kennt die schönsten Tauch- und Schnorchelgründe von Boracay. Natürlich finden wir Nemo und viele andere Fischchen mehr. Dazu kornblumenblaue Seesterne, fliederfarbene Anemonen und pastellfarbene Korallen. Alles zum Greifen nah, ein Wunderland. Marlon lächelt befriedigt, als wir wieder an Bord gehen – und wir, ein Häufchen tropfnasser, aber sehr glücklicher Touristen, lächeln zurück