Essen. Die besten Garnelen kommen fangfrisch aus dem Meer. In Belgien in der Fischhalle am Nieuwpoorter Fischerhafen wird früh morgens der frische Fang an Fischhändler versteigert und dann für die normalen Bürger ausgelegt. Für Belgier hat gutes und frisches Essen einen hohen Stellenwert.
Linda würde niemals Fisch im Supermarkt kaufen. „Das geht auf keinen Fall“, sagt die kritische Kundin. Lieber geht die Mitarbeiterin der Touristinformation Oostende vor Dienstbeginn zur Vistrap, zur Fischtreppe am Fischerkai, um schon mal das Abendessen für die Familie zu kaufen. Ab 7 Uhr kann man hier auf dem Fischmarkt fangfrische Garnelen bekommen. „Wirklich frische Garnelen müssen rascheln, wenn man mit den Händen hindurchfährt“, erklärt die erfahrene Touristikfach- und Hausfrau. Bei ihrem Fischhändler kann sie den Einkauf sogar in der Kühltruhe deponieren, um ihn dann nach Feierabend abzuholen. „Man darf es nur nicht vergessen“. Linda spricht aus Erfahrung.
Gutes Essen genießt einen hohen Stellenwert in Belgien. Klar, dass an der Küste Fisch und Meeresfrüchte aller Art, vor allem Nordsee-Garnelen, ganz oben auf der Speisekarte stehen. Je frischer umso besser.
In der Fischhalle am Nieuwpoorter Fischerhafen, dem Pendant zum stetig expandierenden Yachthafen, ersteigern die Händler den Fang der letzten Nacht. Am Abend sind die beiden Nieuwpoorter Garnelenfänger hinausgefahren. Bis zum Morgengrauen haben die Fischer vor der Küste die graue Nordseegarnele, „grijze Garnaal“ gefangen. Sie ist dank ihres feinen Aromas bei Feinschmeckern sehr beliebt.
Garnelenversteigerung am Morgen
Noch am Bord kochen die Männer ihren Fang. Die ursprünglich grauen Schalentiere wechseln beim Garen die Farbe zu einem appetitlichen Lachsrosa. Um 7 Uhr in der Früh kommt erst der Fisch unter den Hammer – rein symbolisch natürlich. Und zur Saison, von April bis Oktober, werden ab 8 Uhr die Garnelen versteigert, und zwar mittlerweile auf elektronischem Wege. Die Frühaufsteher unter den Urlaubern können übrigens hinter der Glasscheibe bei der Auktion zuschauen.
Ein Verkauf am Boot ist in Nieuwpoort nicht erlaubt. Mit dieser Regelung will man die Existenz der rund 25 Fischhändler der Stadt sichern. Aber nach der Auktion wird für jeden einsehbar ausgehängt, welcher Händler am Morgen Krabben ersteigert hat. Bereits ein, zwei Stunden nach Auktionsende locken die Garnelen in den Auslagen der Fischhändler, am Hafen oder in der Nieuwpoorter Altstadt, die gar nicht so alt ist, wie sie aussieht. Die im Ersten Weltkrieg zerstörten Häuser wurden im Stil der flämischen Renaissance wieder aufgebaut.
In Koksijde, zwei Orte weiter Richtung französische Grenze, werden Garnelen hoch zu Ross gefangen. Bei Ebbe reiten die Krabbenfischer mit ihren Pferden hinaus. Die robusten Kaltblüter ziehen riesige Netze durch die Nordsee-Brandung. So weit, bis ihnen das Wasser bis zum Halse steht. Die Koksijder halten diese Tradition in erster Linie als Inszenierung für Touristen aufrecht. Und die Gäste, allen voran die Kinder, scharen sich regelmäßig um Eddy und seine Fischerkollegen, wenn diese die Schleppnetze am Ufer ausleeren und die begehrten Garnelen und sonstiges Getier zwischen Tang und Algen herausklauben. Mit einem Pferdewagen transportieren die Fischer ihren Fang zum Hof, wo die Krabben gepult und gekocht werden.
Gute Qualität ist überall zu finden
Die schmackhaften Schalentiere serviert man in den zahlreichen Restaurants an der Küste in vielerlei Variationen, mal als Tomatenterrine mit Garnelendressing, als Garnelenkroketten oder als Garnelensuppe, die aus den Panzern gekocht wird. Das Angenehme: Gute Qualität ist nicht nur in der gehobenen Gastronomie – mit gehobenen Preisen – zu finden. Da viele Belgier Wert auf frische Zutaten legen und in der eigenen Küche hohe Maßstäbe ansetzen, bleibt den Köchen nicht anderes übrig als sich ins Zeug zu legen.
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Was sie auch tun. Ein Beispiel: das „Triton“, in bester Lage an der Strandpromenade in Blankenberge. Hier kocht Thierry Mistiaen, jüngst vom Michelin mit dem Bib Gourmand ausgezeichnet, ein exzellentes Drei-Gang-Menu mit Garnelen, Muscheln, Kabeljau in Petersilienkruste und ein wunderbares Potpourri verschiedener Desserts für 35 Euro – ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, wo doch vielerorts eine einfache Pizza schon zwölf Euro kostet.
Meerestiere auf höchstem Niveau genießt der Gast im „Ostend Queen“, dem Restaurant auf dem Dach des Oostender Casinos am Monacoplein. Die Aussicht von dort oben ist mindestens so verlockend wie der marinierte Seebarsch. Große französische Küche wird in der ehemaligen Zisterzienser-Abtei in Koksijde serviert. Meisterkoch Iain Wittevrongel führt im Wohnbereich des Abts das über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Restaurant „Ten Bogaerde“.
Und sogar im „Oberbayern“ isst man Fisch, und zwar unterm röhrenden Hirsch. Seit 49 Jahren behauptet sich das skurrile Lokal am Leopoldpark in Blankenberge. Früher stand hier Schweinshaxn mit Sauerkraut auf der Karte. „Das war dann irgendwann nicht mehr gefragt“, sagt Oswald Croes, der den Laden von seinen Eltern übernommen hat.
Er bringt nunmehr hauptsächlich Fisch und Muscheln auf den Tisch. Und auch Froschschenkel, aber die seien bei deutschen Gästen weniger beliebt.