Nantes. Die französische Stadt Nantes lädt diesen Sommer erstmals zu einem groß angelegten Kunstfestival ein. Dafür stellen die Festival-Macher die Stadt in der Bretagne auf den Kopf. Aber Nantes ist nicht nur etwas für Kulturinteressierte: Auch Bade-Urlauber und Weinliebhaber kommen auf ihre Kosten.
Der Elefant schnauft und sprüht Wasserdampf aus seinem Riesenrüssel. Das mechanisch angetriebene Riesentier aus Holz, Leder und Metall, 48 Tonnen schwer, zwölf Meter hoch und 20 Meter lang schleppt sich als High-Tech-Ungetüm anderthalb Stunden lang durch das ehemalige Werftgelände, in Nachbarschaft zum barocken Zentrum. Und obendrauf sitzen 50 Passagiere und staunen. Willkommen in Nantes.
Seit fünf Jahren zieht der Elefant mit 450 Pferdestärken seine Bahnen auf der Insel zwischen den beiden Flussarmen der Loire. Über ein Terrain, das nach dem Aus für die letzten Schiffswerften vor 25 Jahren verödete, in letzter Zeit aber mit spektakulären Kunstmaschinen belebt wird. Das stampfende Ungetüm mit gewaltigen Stoßzähnen mauserte sich gar zum Wahrzeichen der einstigen Hafenmetropole, die nun mit gigantischen, aber spielerischen Objekten neues Selbstbewusstsein erringt sowie Touristen anlockt.
Auf den Kopf gestellt
In Nantes ist alles nah: Es ist ein Gebiet, in dem Kunstinteressierte, Weinliebhaber oder Bade-Urlauber auf ihre Kosten kommen – mit Frankreichs größtem Anbaugebiet für den Muscadet an der Loire sowie mit Saint Nazaire und dem benachbarte Badeparadies La Baule mit einem Neun-Kilometer-Strand.
Zunächst aber Nantes, das in diesem Sommer erstmals zu einem großangelegten Kunstfestival einlädt: Mehr als 50 Gebäude sowie surreale Objekte und Skulpturen versetzen den Flaneur in einen wahren Kunstrausch. „Le voyage à Nantes“ nennen die Macher den Parcours der Kunst im weiteren Sinn. Und stellen die frühere Residenzstadt der mächtigen Herzöge der Bretagne „mit Kunst auf den Kopf“. Weniger museal gehen sie vor, sie regen vielmehr die Fantasie und den Spieltrieb von Kindern und Erwachsenen an.
Das gelingt ihnen mit monumentalen Kletterfelsen aus Kunststoff mitten im Zentrum, mit aus mittelalterlichen Mauern schießenden Monumental-Gebilden, mit surrealen Minigolf-Anlagen und erfundenen Sportarten in einer alten Keksfabrik und mit dem 25 Meter hohen „Karussell der Meereswelten“.
„Grüne Hauptstadt Europas“
Auf vier Ebenen steigen junge und reife Abenteurer in hölzerne Krabben, knallbunte Drachen, sich schlängelnde Seeungeheuer und kreisen durch eine beflügelnde Fantasiewelt. Sie erinnert an Dada und an Science-Fiction-Wesen aus „20.000 Meilen unter dem Meer“ von Jules Verne, der 1828 im alten Reeder-Viertel von Nantes zur Welt kam.
Nächstes Projekt der 50 Kreativ-Ingenieure in den Maschinenhallen: ein 35 Meter hoher „Baum der Reiher“ mit beweglichen Armen und einem Café in der Krone des Baums. Möglicher Einweihungstermin: 2018.
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Frankreichs sechstgrößte Stadt, die wegen der Verbindung von wirtschaftlichem Wachstum und Umweltschutz 2013 zur „Grünen Hauptstadt Europas“ gekürt wird, will Kultur- Zentrum werden. Davon zeugt auch der erweiterte Parcours „Estuaire“, durch die Loire-Mündung. Während einer Bootsfahrt kann man die Ästhetik von antiken Schiffskränen bewundern sowie Biotope und – ähnlich wie im Ruhrgebiet – alte Industrieruinen.
Historische Stadt
Neben französischem Savoir Vivre, Shopping-Malls (La Pommeraye) und Restaurants im Belle Epoque Stil (wie das „La Cigale“) bietet Nantes reichlich Historie. So öffnete gerade das renovierte Renaissance-Schloss wieder seine Pforten: Hier lebte die legendäre Herzogin Anne de Bretagne, die durch die Ehe mit Louis XII. auch Königin von Frankreich wurde. Hier dokumentiert man aber ebenso den Ursprung bürgerlichen Wohlstands – die Historie der Dynastien von Reedern und Kaufleuten, die ihr Geld im 18. Jahrhundert auch mit Sklavenhandel machten. Vor diesem dunklen Kapitel kann kein Nanteser mehr die Augen verschließen. Dafür sorgt ein kürzlich errichtetes stilles Mahnmal mit Leuchtschrift mitten im Zentrum.