Paris. Seit dem 1. Juli müssen Frankreichs Autofahrer einen Alkoholtester dabei haben. Doch das Angebot ist knapp: In vielen Apotheken sind die Tester ausverkauft. Nichts spricht dafür, dass die Regale schnell wieder aufgefüllt werden. Gut, dass das Bußgeld erst im November eingeführt wird.
Zuerst das Warndreieck, dann die grelle Warnweste und jetzt das gesetzlich vorgeschriebene Puste-Röhrchen. Seit 1. Juli müssen alle Autofahrer auf Frankreichs Straßen einen Alkoholschnelltester mit sich führen. Doch in den allermeisten Handschuhfächern sucht man die umstrittenen Röhrchen vergeblich. Weil die Hersteller mit der Produktion arg hinterherhinken, müssen die meisten Kaufwilligen vertröstet werden.
Der freundliche Apotheker in der Rue Popincourt im 11. Pariser Arrondissement zuckt ratlos mit den Schultern: „Alkoholtester? Die gibt’s schon seit zwei Monaten nicht mehr und auch in den nächsten vier Wochen werden wir keine reinbekommen.“ Weil die Lager der Grossisten komplett geräumt sind, seien die Röhrchen auch bei allen anderen Pariser Kollegen Mangelware, fügt er mit einem gequälten Lächeln hinzu.
Lieferung verzögert sich
Wer nun glaubt, im Internet schneller zum Zuge zu kommen, wird ebenfalls bitter enttäuscht. Der Online-Händler „securimed.fr“ bietet das 10er-Paket zwar für günstige 15,50 Euro an, vertröstet seine Kunden jedoch mit einem Hinweis in roten Lettern: „Lieferung in 15 Tagen“.
Die Puste-Röhrchen-Pflicht gilt für alle Kraftfahrer – egal, ob sie einen Lastwagen, ein Auto, ein Motorrad oder einen Traktor steuern. Sie gilt selbstverständlich auch für jene Ausländer, die nur einige Tage in Frankreich Urlaub machen oder das Land im Transit Richtung Spanien oder England durchqueren. Deutsche Urlauber stöhnen schon seit Wochen über die nervige und erfolglose Suche nach einem „Ethylotest“, wie die Röhrchen in Frankreich genannt werden.
Erfreulich immerhin: Angst, von einem unerbittlichen französischen Gendarmen zur Kasse gebeten zu werden, muss sich vorerst noch niemand machen. Das 11-Euro-Bußgeld wird erst nach einer Einführungsphase am 1. November, fällig.
Das Verkehrsministerium in Paris will trotz der Hiobsbotschaften nichts von einem akuten Lieferengpass wissen. Es gebe halt eine stark erhöhte Nachfrage und spätestens Anfang November, so das Kalkül der „Sécurité Routière“, der Verkehrssicherheit, seien die erforderlichen 100 Millionen Röhrchen unters Volk gebracht.
Es war Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der sich angesichts der allzu lockeren Trinkgewohnheiten seiner Landsleute für die Alkoholtester im Handschuhfach stark machte. Gewissermaßen als erzieherische Maßnahme: Wer ein Puste-Röhrchen im Auto hat, soll sich vor Fahrbeginn selbst davon überzeugen, dass er bei der feucht-fröhlichen Familienfeier oder dem ausgiebigen Abendessen das entscheidende Gläschen zu viel getrunken hat. Wie in Deutschland gilt auch in Frankreich die 0,5-Promille-Grenze.
Bei jedem dritten tödlichen Unfall war 2010 Alkohol mit im Spiel
Die jährliche Unfallstatistik belegt immer wieder aufs Neue, dass sich Franzosen viel zu oft beschwipst ans Steuer setzen. Mit schlimmen Folgen: Im Jahr 2010 war bei jedem dritten tödlichen Verkehrsunfall Alkohol im Spiel, in Deutschland hingegen „nur“ bei jedem zehnten.
Trotz dieses gravierenden Missstandes pfeifen Kritiker auf die ungeliebten Alkoholtester. Britische Zeitungen etwa sehen in der Röhrchenpflicht eine gemeine Touristen-Abzocke. Auch Chantal Perrichon, die Präsidentin der „Liga gegen die Gewalt auf der Straße“, bezweifelt, dass sich ihre Landsleute vom „Ethylotest“ umerziehen lassen. Sie findet die Puste-Röhren-Pflicht sinnlos: „Davon profitiert allein die Industrie, die solche Tester herstellt.“ Das Röhrchen als freiwillige Selbstkontrolle? „Nein danke“, erwidert Chantal Perrichon. Sie verlangt stärkere mobile Polizeikontrollen, besonders an Wochenenden und spät nachts.
Hinzu kommen Zweifel an der technischen Zuverlässigkeit der Röhrchen, die sich bei zu hohem Alkoholgenuss Grün färben sollen. Viele Autofahrer begehen darüber hinaus einen verhängnisvollen Fehler: Kaum ist das letzte Glas heruntergekippt, pusten sie drauf los. Dabei vergehen mindestens 30 Minuten, ehe der Alkohol übers Blut in die Atemluft gelangt ist.