Dresden. Semperoper, Zwinger und Residenzschloss: Dresden hat einiges an kulturellen Attraktionen zu bieten. Auch zum Shoppen und zum Flanieren zwischen den altehrwürdigen Bauten kommen Touristen aus aller Welt. Allerdings sind die kulturellen Angebote eher auf ein älteres Publikum gemünzt.

Dass Kultur eine der Hauptattraktionen Dresdens ist, zeigt sich schon an der berühmten Altstadtsilhouette. Von der Elbbrücke aus sieht man ganz links die Hochschule für Bildende Künste, weiter rechts das Residenzschloss mit seinen berühmten Kunstsammlungen wie dem Grünen Gewölbe, den Zwinger mit Museen wie der Gemäldegalerie Alte Meister - und dann das Gebäude, das wohl jeder deutsche Fernsehzuschauer aus der Bierwerbung kennt. "Nein, das ist nicht die Radeberger-Brauerei", sagt die Fremdenführerin Susanne Reichelt. "Das ist die Semperoper."

Unschlagbares kulturelles Angebot

Lautes Lachen erfüllt den Reisebus. Natürlich wissen die Insassen, worum es sich bei dem Gebäude mit der geschwungenen Fassade handelt, schließlich wollen sie am Abend noch eine Operngala dort besuchen. Es ist die Kultur Dresdens, die die rund 50 Mitglieder eines Theatervereins aus Quedlinburg zu dem Tagestrip in die sächsische Landeshauptstadt bewogen hat.

Das Kunst- und Kulturangebot ist einer Erhebung von Dresden Marketing zufolge der zweitwichtigste Grund für Besucher, nach Dresden zu kommen, nach den Sehenswürdigkeiten und vor der Architektur und der Geschichte der Stadt. "Die Touristen kommen wegen der Kultur, da hat Dresden schließlich ein unschlagbares Angebot", sagt auch Susanne Reichelt, die seit 17 Jahren als Fremdenführerin in der Stadt arbeitet.

Historische Altstadt

Langsam fährt der Reisebus an den architektonischen Kleinodien der Altstadt vorbei, von denen die meisten erst seit wenigen Jahren wieder in voller Schönheit erstrahlen. Im Februar 1945 fielen die meisten von ihnen Bombenangriffen zum Opfer. Erst 1985 wurde die Semperoper wiedereröffnet, das Historische Grüne Gewölbe, die Kunstschätze-Sammlung des Kurfürsten August des Starken, zog gar erst 2006 zurück in das Residenzschloss.

Trotz des grauen Märztages sind zwischen Schloss, Oper und Zwinger viele Touristen unterwegs. Vor dem Reiterstandbild auf dem Theaterplatz posiert eine Gruppe chinesischer Studenten für ein Foto. Wenn nicht gerade auswärtige Studenten die Stadt erkunden, sind junge Kulturtouristen in Dresden eher rar: "Der typische Kulturtourist ist älter", sagt Susanne Reichelt. Dresden Marketing zufolge sind drei Viertel von ihnen über 40 Jahre alt, gut die Hälfte ist älter als 50.

Wenig Angebote für junges Publikum

Für junge, nicht so kulturinteressierte Besucher habe Dresden eher wenig zu bieten, meint die Fremdenführerin. Wer Action erleben wolle, komme in der Altstadt wohl nicht auf seine Kosten.

Freizeit-Spaßangebote gibt es nur wenige, so kann man im Sommer etwa in "Grillbooten", runden Schlauchbooten mit Grill in der Mitte, über die Elbe schippern oder mit "Conference Bikes", fahrradähnlichen Gefährten für mehrere Personen, über das Kopfsteinpflaster rumpeln. Auch Shopping ist beliebt: Ein Fünftel der Besucher kommt extra dafür in die Stadt.

Besonders Russen und Tschechen schätzen Dresden als Shopping-Paradies. Doch auch für viele von ihnen gehört ein Besuch in Oper, Theater oder Museum dazu. So bildeten sich im Januar lange Schlangen vor der Gemäldegalerie Alte Meister, weil Hunderte russischer Touristen eine Sonderausstellung zu Raffaels Sixtinischer Madonna sehen wollten. Das Gemälde mit den berühmten grübelnden Engelchen feiert 2012 seinen 500. Geburtstag, eine zweite Jubiläumsausstellung folgt ab Mai.

"So hässlich ist die doch nicht"

Die Busfahrt führt nun aus der Altstadt heraus, entlang der Elbwiesen. Kurz nachdem die Altstadt hinter einer Flussbiegung verschwunden ist, taucht vor dem Bus eine große Baustelle auf: Die Waldschlößchenbrücke, wegen der das Dresdner Elbtal 2009 den UNESCO-Weltkulturerbetitel aberkannt bekam. "Kann ich gar nicht nachvollziehen, so hässlich ist die doch nicht", sagt einer der Quedlinburger.

"So reagieren viele Besucher", erklärt die Fremdenführerin. Viele Auswärtige dächten, die Brücke sei imposanter oder liege direkt an der Altstadt. Vor der Aberkennung des Titels hatte es erbitterten Protest gegen die Brücke gegeben. Der befürchtete Gästeschwund danach sei aber ausgeblieben, sagt Susanne Reichelt. Die Statistik gibt ihr recht: Seit Jahren steigen die Touristenzahlen, 2011 kamen knapp 1,8 Millionen Besucher, so viele wie nie zuvor.

Heikles Thema Neubauten

Neubauten sind im barocken Dresden, das so stolz ist auf seinen Beinamen "Elbflorenz", stets ein heikles Thema. Zeitgenössische Bauten werden skeptisch beäugt - so auch die 2001 eröffnete Gläserne Manufaktur von Volkswagen am Rande des Stadtparks "Großer Garten". Inzwischen hätten sich die Dresdner mit dem Glaskasten versöhnt, sagt Susanne Reichelt, nicht zuletzt dank der jährlichen Open-Air-Konzerte der Sächsischen Staatskapelle, die auf der Wiese vor dem Luxuskarossen-Montagewerk zum kleinen Preis angeboten werden.

Die Gläserne Manufaktur ist in Dresden nur einer von zahlreichen ungewöhnlichen Kultur-Orten: Vor allem im Krieg zerstörte Gebäude werden genutzt, wie das riesige verfallene Schlachthofareal, auf dem jedes Jahr das Festival für zeitgenössische Kunst "Ostrale" stattfindet, oder die Kirchenruine St. Pauli, die ein Theaterverein mit Aufführungen belebt. Da erscheint das jährliche "Classic Open Air"-Konzert zu Füßen der wiedererrichteten Frauenkirche auf dem Neumarkt schon fast konventionell.

Ein "Schälchn Heeßn" und Eierschecke zum Abschluss

An diesem Platz endet die Fahrt der Besucher aus Quedlinburg. In einem Café in einem der zahlreichen barocken Bürgerhäuser, die den Neumarkt seit einigen Jahren wieder säumen, kehren sie ein, auf ein "Schälchn Heeßn", wie der Sachse die Tasse Kaffee nennt, und vielleicht ein Stück Dresdner Eierschecke. Die Kuchenspezialität gehört mindestens ebenso sehr zu einem Dresden-Besuch dazu wie Oper, Theater und Museen. (dapd)