Berlin. Eine Profitsteigerung anlässlich der Fußball-EM 2012 erhoffen sich die Hoteliers in den Gastgeberländer Polen und der Ukraine. Vielerorts haben die Übernachtungspreise so stark angezogen, dass der ukrainische Vize-Regierungschef ausländischen Fans jetzt zur direkten Heimreise nach den Spielen rät.
Für diejenigen deutschen Fans, die sich die Gruppenspiele der DFB-Mannschaft in Charkow (gegen die Niederlande) und Lemberg (gegen Portugal und Dänemark) anschauen möchten, dürfte die Reise in die Ukraine zu einem teuren Vergnügen werden. Für ein einfaches Hotelzimmer, bei dem sich der Fan noch die Toilette und das Bad mit anderen Gästen teilen muss, müssen schon mal 180 Euro pro Nacht aufgebracht werden.
In der Ukraine während der EM keine Ausnahme. Dort sind die Übernachtungspreise für die Wochen der EM so sehr in die Höhe gestiegen, dass sogar der ukrainische Vize-Regierungschef Boris Kolesnikow die Hoteliers kritisierte. "Gier macht arm", ließ dieser die Hotelbesitzer wissen und riet den ausländischen Fans, nach den Spielen gleich wieder in die Heimat zu fliegen.
Wie eine nun veröffentlichte Untersuchung des polnischen Online-Reiseunternehmens eSKY.pl zeigt, die die Hotels mit drei bis fünf Sternen in den vier polnischen Gastgeberstädten unter die Lupe nahm, sind die Hotelzimmerpreise aber nicht nur in der Ukraine angestiegen. Auch in Danzig, Posen, Breslau und Warschau sind diese für die vier Turnierwochen so sehr in die Höhe gesprungen, dass manche Hotelzimmer in Polen während der EM teurer sein werden als in London während der Olympischen Spiele.
Preisanstiege von 900 Prozent
Den größten Preisanstieg verzeichneten die Reisedienstleister in der niederschlesischen Metropole Breslau. Dort wird ein Hotelzimmer während der EM durchschnittlich 1.699 Zloty kosten, rund 425 Euro. Dies bedeutet einen Preisanstieg von 970 Prozent. Nicht viel billiger werden die Übernachtungen in Posen sein. Dort kostet ein Hotelzimmer normalerweise im Durchschnitt 196 Zloty, umgerechnet knapp 50 Euro. Während des Turniers verlangen die Hoteliers durchschnittlich jedoch 1803 Zloty, was einen Preisanstieg von 919 Prozent bedeutet.
Tief in die Tasche greifen müssen deutsche Fans, wenn sie die EM in der Nähe der DFB-Auswahl verbringen wollen. In Danzig, wo die Mannschaft von Jogi Löw während des Turniers leben und trainieren wird, und nach einer erfolgreichen Gruppenphase auch ihr Viertelfinalspiel austragen könnte, sind die Hotelpreise um 822 Prozent gestiegen. Durchschnittlich 1.933 Zloty (ca. 480 Euro) wird ein Hotelzimmer pro Nacht in der Geburtsstadt der legendären Solidarnosc kosten. Normalerweise sind es 235 Zloty.
Den geringsten Preisanstieg gibt es nach Angaben von eSKY.pl in Warschau, wo das Übernachtungsangebot von allen polnischen Gastgeberstädten am reichhaltigsten ist. Dort sind die Hotelpreise für die Zeit der Gruppenspiele um 398 Prozent gestiegen, auf durchschnittlich 1.138 Zloty (ca. 285 Euro). Während des Halbfinalspiels müssen für eine Übernachtung in der polnischen Hauptstadt durchschnittlich 1.407 Zloty bezahlt werden, umgerechnet 350 Euro.
"Besser wenig als gar nichts verdienen"
Dass der enorme Preisanstieg zu einem Problem werden könnte, ist den polnischen Organisatoren des Turniers bewusst. "Wir erklären des Hotelbesitzern, dass die EM nicht die erste und letzte Gelegenheit für den Besuch ausländischer Gäste in unserem Land ist. Vielmehr muss man die ausländischen Touristen dazu ermutigen, auch nach dem Turnier nach Polen zu reisen", erklärte die polnische Sport-, und Tourismusministerin Joanna Mucha vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Warschau.
Ob dieses Argument bei den polnischen Hotelbesitzern Gehör findet, scheinen aber selbst die polnischen Verantwortlichen zu bezweifeln. "Das Gastgewerbe ist ein privates Geschäft und wir können keinen zu etwas zwingen", sagte Marcin Herra, der Vorsitzende des polnischen Organisationsbüros PL.2012 auf der selben Veranstaltung. "Wir haben die Hoteliers aber darüber informiert, was in Portugal geschah. Während der EM 2004 waren die Übernachtungspreise in manchen Städten so hoch, dass viele Fans im benachbarten Spanien übernachtet haben.
Vielleicht haben diese nun verstanden, dass es besser ist weniger zu verdienen als gar nichts", so Herra weiter. Doch ob das wirklich der Fall ist, kann man momentan bezweifeln. Um den ausländischen Fans günstigere Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, kündigte Sportministerin Joanna Mucha bessere Transportmöglichkeiten in von den Turnierorten 20 bis 100 Kilometer entfernte Städte an. Doch auch in diesen Städten hofft das Gastgewerbe auf das große Geschäft. Wie aus der Analyse von eSKY.pl hervorgeht, sind auch in den entfernteren Orten die Übernachtungspreise um 902 Prozent gestiegen. Eine Nacht für 750 Zloty, rund 187 Euro, ist dort noch eines der billigsten Angebote. (dapd)