Babelsberg. Babelsberg, ein Mythos: die Dietrich im „Blauen Engel“, „Münchhausen“ auf der Kanonenkugel. Vor dem Krieg „Metropolis“.
Babelsberg, ein Mythos: die Dietrich im „Blauen Engel“, „Münchhausen“ auf der Kanonenkugel. Vor dem Krieg „Metropolis“. Im Krieg: Durchhaltestreifen. Nach dem Krieg: ein anderer Staat.
Die DDR kam und mit ihr die Zauberpantoffeln des kleinen Muck. Die vielen Geschichten dieser kleinen großen deutschen Filmstadt, sie drängen sich nicht auf. Nicht einmal dann, wenn man als Einstieg den Bahnhof nimmt, an dem damals alle ausgestiegen sind. „Babelsberg-Ufa-Stadt“ hieß er. Heute S-Bahn, Bescheidenheit in historischem Gemäuer, Name: „Griebnitzsee“.
Man kann einfach so loslaufen – und geht damit vielleicht fast vorbei. Am Johann-Strauß-Platz 11 vielleicht. Erich Kästner hat hier auf der Terrasse gesessen, um das Drehbuch für „Münchhausen“ zu schreiben. „Die Zeit ist kaputt“, sagt Hans Albers in der Titelrolle einmal in diesem Film. Sie war es: Kästner hatte Berufsverbot, aber Goebbels brauchte ihn eben doch.
Herberge für Chuchill, Stalin und Truman
Die Villa gehörte Brigitte Horney, Kästner war ihr Gast und schrieb, während Deutschland unterging, vom Ritt auf der Kanonenkugel. Ein paar Straßen weiter wohnten Marika Rökk oder Max Schmeling. Und gleich nach dem Krieg: Churchill, Stalin – und Truman. Sein Befehl für Hiroshima, er erging von hier.
Das Villenviertel Neubabelsberg, in dem nur wenige neue Bausünden bis heute ein charmantes Ensemble flankieren, ist eine der schönen Schlenker, die Berlin-Touristen machen können. Der Spaziergang – in Herbst und Winter noch ein bisschen verwunschener als sommers – ist Filmgeschichte.
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Film u n d Geschichte: Sie wuchern mühelos übereinander. Tom Cruise, der hier die „Operation Walküre“ ausrief, gehört so dazu wie die langen Finger von Fritz Langs schaurigem Nosferatu. Die Rote Armee befreit Leningrad, da lachen die Menschen über Heinz Rühmanns „wänzigen Schlock“ aus der Feuerzangenbowle. Auch „dies Gesöff“: ein Babelsberger Produkt.
Vom kleinen Glashaus zur großen Traumfabrik
Traumfabrik? Am Anfang ist alles ganz klein. Als am 12. Februar 1912 in einem hastig errichteten Glashaus die ersten Scheinwerfer angehen, ahnt niemand, dass hier Geschichte geschrieben wird. Doch sie wurde: von Ernst Lubitsch und Zarah Leander, von Gojko Mitic, dem sozialistischsten aller Indianer, und von Lenin, wenn auch erst zum „Good Bye“.
2011 schlendert man über die Marlene-Dietrich-Allee und staunt, dass dieses Babelsberg es wieder und wieder geschafft hat. Nicht der Würgegriff der NS-Propaganda, nicht das „staatliche Spielfilmstudio der DDR“, nicht die Treuhand haben den Geist des Films in die Knie zwingen können.
Natürlich sind sie darauf stolz, dass die Welt heute auf Babelsberg blickt: Quentin Tarantino haben sie unlängst eine Straße gewidmet, er drehte seine „Inglorious Basterds“ hier. Auf der Tarantino-Straße wohnt niemand. Sie führt durchs Gelände der Babelsberg Studios.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Nicht alles ist hier großes Kino. Täglich werden „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ produziert und die Fans dieser Produktion sind auch immer noch und wieder da. Wer hingegen Film von Innen sehen will, meldet sich für Führungen an.
Für die in den Fundus zum Beispiel. 250 000 Kostüme, vieles aus DEFA-Tagen ist dabei. Wer in der Nähe wohnt, deckt sich hier für Fasching ein. Eine Million Stücke zählt der Requisitenfundus, vieles liebevoll gearbeitet, anderes bis neulich noch genutzt. Als hier „Das Leben der Anderen“ entstand, da war die Einrichtung eines Stasi-Büros für die Babelsberger keine Kunst. Für den Oscar-gekrönten Film lieferte man sage und schreibe 5459 Requisiten.
Es herrscht sanfter Tourismus. Mit Glück erspäht man einen Blick, wenn Orlando Bloom beim Dreh zu den „Drei Musketieren“ in seinen Wohnwagen steigt oder Matt Damon Ruhe sucht zwischen zwei Kämpfen, gegen das Böse natürlich.
Auch an Regentagen interessant
Regentage verbringen Filmfreunde im Reitstall der Preußenkönige. Er steht in Potsdam und beherbergt das Filmmuseum. Wer mehr Amusement sucht, wird den „Filmpark“ bevorzugen. Kinos, Kulissen, Mitmachschminken, die echte GZSZ-Straße, das Sandmännchen – und und und. Ein Filmpark wie jeder andere ist der Babelsberger nicht. Es wimmelt von Zeitzeugen. In den Werkstätten gibt es den altern Herrn, der einst Loriots „Pappa ante Portas“ ausgestattet hat. Loriots Widmung hängt immer noch in seinem Atelier.
Auch Waltraud Stockfisch gehörte eine Ewigkeit dazu. Jetzt ist sie 81. Ganz früher war sie DEFA-Friseurin. Bis 2006 hat sie ihre legendären Führungen geleitet. „Sie kannte sie alle“, sagen ihre Kollegen. Gerard Depardieu hat sie mal so gedrückt, dass sie fast ein bisschen Angst hatte – „so groß wie der war“.
Was Babelsberg ist? „Auf alle Fälle meine Heimat!“ Frau Stockfisch wohnt immer noch in Studionähe, „und wenn ich auf den Bus warte, da kann ich einfach nicht anders, da gucke ich ‘rüber und sage „Hallo, liebes Studio!“