Bogotá. Die kolumbianische Hauptstadt Bogata ist trotz aller Reformen immer noch zweigeteilt. Während im Südwesten die Armen wohnen, zeigt sich der Norden als lebensfrohes, modern-urbanes Terrain der Mittel- und Oberschicht. Und die Touristen kommen - trotz des angekratzten Images.

"Amor, Amor“, ruft ein Halbnackter den Namen des altgriechischen Liebesgottes. Nur mit einer textilarmen Toga umschürzt, tänzelt er herbei. Ein zweiter spielt Schalmei, ein dritter wirft Blütenblätter über einem überraschten Pärchen herab. In diesem heiteren Moment wird in der Hölle der „Kurioseste Gast“ gewählt.

„Inferno“, die Hölle, heißt der angesagte Nachtclub an der Calle 82 im Norden Bogotás. Ein Tanztempel in der Hauptstadt Kolumbiens, der mit Dance- und Salsa-Hits sowie feurigguter Küche ein meist wohlhabendes Publikum unterhält. Hübsche oder prominente Gäste – oder eben vermeintliche Liebespärchen – werden in jeder Nische des Club-Restaurants von der quirligen Performance-Truppe überrascht und mit viel Tamtam beehrt.

Kostümbildner, Drehbuchschreiber, Cutter, einige jüngere Komparsen und selbst einer der Hauptdarsteller der erfolgreichen Telenovela „La Pola“ ist mit von der Partie an der langen Tafel, inmitten der vom Discolicht und guter Laune geschwängerten Atmosphäre.

Ensemble isst, tanzt, lacht

Das Ensemble isst, tanzt, lacht zusammen und allesamt reden sie unaufhörlich im schnellen Spanisch aufeinander ein. Morgen dreht die Crew in der Altstadt Szenen für die kolumbianische Fernsehserie, die das Leben der historisch verbrieften Nationalheldin La Pola in epischer Länge, mit viel Liebe zum Dramatischen nacherzählt.

„Ein großer Erfolg“, erzählt Antonio Varel, der zum besser verdienenden Teil der 46 Millionen Kolumbianer zählt. Die Eltern machen in Solartechnik. Schon bald wird der junge Ehemann, der eine Ingenieurausbildung in Deutschland genossen hat, die Geschicke des zukunftsträchtigen Unternehmens führen. Heute Nacht jedoch wird gefeiert, zusammen mit nationalen TV-Größen.

Nachtlokale, Gay-Bars, Discos, Restaurants

Draußen vor dem großen Backsteingebäude zieht eine vergnügte Clique weiter. Höchstwahrscheinlich hinaus in das auf Touristen-Karten als „Zona Rosa“ gekennzeichnete Stadtgebiet. In der Umgebung der Chapinero Alto reihen sich Nacht-Lokale, Gay-Bars, Disco-Clubs und Restaurants aneinander.

Bei einer Fahrt durch Bogotá ändern sich die vorbeiziehenden Bilder schlagartig. Die Stadt ist trotz der fortschreitenden sozialen Reformen zweigeteilt. Im Südwesten die Armen, im Norden zeigt sich Bogotá als ein lebensfrohes, modern-urbanes Terrain der gehobenen Mittel- und der reichen Oberschicht.

"Der Kühlschrank Kolumbiens“

"Der Kühlschrank Kolumbiens", so betiteln Kolumbianer ihre Hauptstadt. Winters wie sommers übersteigen die Temperaturen kaum die 20 Grad Celsius. Zu kalt für Varella, der in der Karibik-Region lebt und deshalb als echter „Costero“ gilt: „Die Leute in Bogotá sind deshalb steif“, verrät er, und dass in seiner Heimatstadt gerne mal über die schicken „Cachacos“ aus dem kühlen Süden gelästert wird.

Zur Sommerfrische ins Warme fuhren damals wie heute wohlhabende Hauptstädter ins malerische Villa de Leyva hinunter – auf immerhin noch hochalpine 2149 Höhenmeter. Während des Ausflugs verschweigt der Jungunternehmer Varela die Schattenseiten seiner Heimat nicht. Die blutigen Fehden der Kokain- und Smaragdclans sind jedoch größtenteils beigelegt worden. Und das Land ist groß: Auf einer Fläche von 1.140.000 Quadratkilometern, gibt es für Touristen viel zu entdecken – auf friedlichen Pfaden.

Ein vielseitiges Land mitvielen Möglichkeiten

Das Tourismusministerium geht indes ironisch mit dem angekratzten Image um: „Kolumbien: Das einzige Risiko ist, dass Du bleiben willst“, lautet der neueste Werbe-Claim.

Kolumbien hat sich gewandelt – und die Touristen kommen. Von den karibischen Küstenstädten wie Cartagena im Osten, dessen malerische Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt worden ist, über Bogotá zur gigantisch großen, unterirdischen Salz-Kathedrale Zipaquiera, weiter in die Kaffeeregion Alcalá bis ins Tal von Cocora in über 3000 Metern Höhe erleben Besucher weiße Sandstrände, grüne Plantagen, eisig glitzernde Gletscher oder riesenhafte Wachspalmen: Beim Schnorcheln, Reiten, Wandern und Staunen.

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Flackerndes Licht tüncht abends das Städtchen Villa de Leyva in romantische Stimmung. Damen in Stöckelschuhen stolpern über Granitsteine, die seit Jahrhunderten den Boden zur Straße machen. Die ist gesäumt von schicken Restaurants mit europäisch geprägter Feinkost-Küche.

Auf der Flaniermeile tobt das Leben

Bereits seit dem 16. Jahrhundert gilt das steinerne Bilderbuch-Dorf als Kurort. Seifenoper-Fan Tony Varela schwärmt: „Dort hinten wurden jüngst tolle Szenen für „La Pola“ gedreht.“ Die legendäre Dame bewohnte hier während des Unabhängigkeitskrieges auch im echten Leben ein Sommerhaus. Filmreife Kulissen bieten sich zuhauf, nicht nur auf dem Land, sondern auch in Bogotá. Südlich der Gourmetzone verläuft die Carrera Séptima. Die Flaniermeile markiert die Grenze von Alt- und Neustadt. Dort tobt das Leben. Immer wieder wird der ganze Boulevard wegen Volksfesten für Autos gesperrt.

„Die Straßenkünstler, die da auftreten, leben hier ums Eck“, erzählt Varela. Etwas weiter drängt sich schon wieder La Pola ins Bild – in Gestalt von Komparsen, die in historischen Uniformen am Außenministerium beim Theater Colón warten.

"Ein bisschen wie im Schanzenviertel"

„Die drehen ununterbrochen im ganzen Land“, erzählt Varela. Er passiert ein schickes Hotel im Kolonialstil. Im nächsten Augenblick bestimmen Graffiti auf marodem Mauerwerk die Szene. „Ein bisschen wie im Schanzenviertel“, findet der Kolumbianer, der bis vor zwei Jahren in Hamburg studierte.

Kreative und Studenten hätten das Quartier vor über zehn Jahren unterhalb des 3152 Meter hohen Berges Monsterrate belebt. Die nahen Universitäten und das historische Zentrum machten die Gegend begehrt. „Heute steigen die Mieten rasant“, erklärt der Geschäftsmann die Gentrifizierung des Bezirks beim Flanieren entlang der Fassaden mit verspielt verzierten Balkonen.

Alternativer Lebensstil im Künstlerquartier

Ein alternativer Lebensstil bestimmt noch das Künstler-Quartier entlang der Jiménez de Quesada: Punkfrisuren, Ponchos, Piercings schmücken die Gäste in urigen Cafés und chaotisch wirkenden Kunstgalerien, die das großstädtische Flair mit exotischer Würze bestimmen. Die zum Greifen nahen Berge bilden die natürliche Stadtgrenze. Die Straßen tragen – statt Nummern wie in der Neustadt – klangvolle Namen berühmter Persönlichkeiten, „die auch in La Pola auftauchen“, weiß Varela.

Reise-Weisheiten

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