Parma. . Jährlich im Oktober feiert Parma den Geburtstag Giuseppe Verdis mit einem einmonatigen Festival. Der italienische Komponist erlangte schon zu Lebzeiten großen Ruhm mit seiner Oper “Nabucco“. Mit dem Rad lässt sich das Städtchen gut erkunden.

Wie praktisch: Im Schlafgemach von Verdis Frau Giuseppina Strepponi hängt ein Glöckchen unter der Decke. Die daran befestigte, goldfarbene Kordel endet im Nebenzimmer am Bett des Komponisten. „Wenn er was bestimmtes wollte, dann läutete er“, sagt Francesca Celato, die Radtour-Leiterin. Nanu, der Maestro – ein triebgesteuerter Macho?

Nein, nein, beschwichtigt Francesca. Und erzählt beim Gang durch Verdis Riesenvilla, seinen Weinkeller und die Kutschengarage, wie der Mann mit Schal und Hut hier gelebt hat, auf dem Landgut Sant’ Agata außerhalb seiner Geburtsstadt Busseto. „Opernbauer“ nennt er sich Mitte des 19. Jahrhunderts selbst, züchtet Pferde, pflanzt Wein und lässt noch heute existierende Teiche in Form seiner Anfangsbuchstaben G und V anlegen. 200 Angestellte arbeiten für ihn, allein 16 davon im parkähnlichen, sieben Hektar großen Garten.

Genervt und ausgebrannt zog sich der Komponist 1851 auf den Landsitz zurück, nachdem er Opernerfolge wie „Nabucco“ und „Rigoletto“ geschrieben hatte. Vor allem aber verärgert, weil seine Heimatstadt die zunächst wilde Ehe mit der Sängerin Guiseppina nicht tolerierte. Sie wurde regelrecht geschnitten. „Verdi aber zahlte es Busseto heim“, sagt Francesca. Wo – das will sie ihren Radel-Gästen nun zeigen. Auf gut ausgeschilderten Wegen und Straßen fast ohne Autos geht’s durch grüne Ausläufer der Po-Ebene ins Theater des 7000 Einwohner-Städtchens. „Diese Mini-Ausgabe der Mailänder Scala mit 400 Plätzen, knarrendem Holzboden und Pappmaché-Verzierungen an den Wänden bauten die Stadtväter zu Ehren Verdis und boten ihm auch eine Loge an“, erzählt Francesca. Der Komponist hat sie für 10.000 Lire gekauft, aber nie betreten. „Vor der Eröffnung ließ Verdi mitteilen, er könne nicht kommen, sei noch zur Kur im nahen Tabiano.“ Dem Nachbarort Villanova stiftete er alsbald ein Krankenhaus – komplett ohne Fenster in Richtung Busseto. Begründung: Die Patienten sollen nicht die kranken Menschen dieser Stadt sehen.

Veni, vidi, Verdi

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Von DerWesten

Nachtragend aber sind sie nicht in Busseto. Denn heute, stets rechtzeitig zu Giuseppes Geburtsmonat Oktober, gilt hier: „Veni, vidi, Verdi“: Kommen, sehen und garantiert Verdi treffen. Beim haushohen Denkmal vorm Theater sowieso, an jedem Laternenmast auf Bannern, auf Plattenhüllen im Schaufenster des Bäckers oder historischen Plakaten bei „Haushaltswaren Buzetti“. Nur ein Geschäft unter den Arkaden der Via Roma – der Blumenladen – wagt es, hinter dem Türglas nicht den Maestro anzukündigen, sondern einen Gymnastikkurs.

Francesca lässt ihre Gruppe kurz zu einem ihrer Geheimtipps radeln – dem Hotel „I due Foscari“. Benannt nach einer Verdi-Oper, langjährig geleitet vom Tenor Carlo Bergonzi, wirkt es wie eine Theaterkulisse: In der Halle die mächtige Treppe mit rotem Läufer, plüschige Brokat-Vorhänge rahmen die Fenster, und beim Frühstück sitzt man auf Chaiselounge- und Biedermeier-Stühlen unter schwerer Kassettendecke. Manchmal singen Kellner die Speisekarte vor – Gesangsschüler, die sich als Servicekräfte mit lautstarker Zusatzqualifikation ihr Taschengeld aufbessern.

Ein Raum für jede Oper

Weiter geht’s per Rad ins „Casa Barezzi“, das Stadtpalais eines Bussetaner Kaufmanns und Verdi-Entdeckers. Antonio Barezzi nahm den jungen Giuseppe hier im Alter von zehn Jahren in seine Philharmonische Gesellschaft auf, ließ ihn unterrichten und half finanziell. Ebenfalls lohnend: Das mit bedeutungsschwangerem Titel versehene „Nationale Verdi-Museum“ am Rande Bussetos, direkt am Verdi-Radweg gelegen. Nahezu jede der 27 Verdi-Opern hat ihren eigenen Raum in dieser prächtigen Villa Pallavicino bekommen.

Auf zur längsten Etappe dieser Radtour – der zu Verdis Geburtshaus im nahen Weiler Roncole. Francesca führt ihre Gäste über frisch geteerte Wege hin, oft entlang an Entwässerungsgräben. „Hier wäre die Karriere Verdis fast zu Ende gewesen, noch ehe sie richtig begann“, erzählt sie: „Zu Fuß war der junge Giuseppe von Busseto nach Roncole unterwegs, um dort im Gottesdienst Orgel zu spielen. Unterwegs geriet er in dichten Nebel, stürzte in einen dieser Gräben und wäre wohl ertrunken, hätte ihn nicht eine alte Dame herausgezogen.“ Heute ist Verdi ein Nationalheiliger und die kleine Orgel in der Kirche von Roncole ein National-Denkmal.

Ein Star seit 1842

50 Meter weiter das Geburtshaus, im Jahre 1813 eine Poststation, gepachtet von Giuseppes Eltern, die hier als Wirtsleute arbeiteten. Nachbildungen der damaligen Einrichtung lassen ahnen, in welch kargen Verhältnissen der Komponist aufwuchs. „Erhalten geblieben ist das windschiefe Haus nur, weil die Gemeinde Roncole es Verdi später partout nicht verkaufen wollte“, erzählt Francesca auf der Heimfahrt. Grund: Der grimmige Komponist hatte vorschnell angekündigt, es anschließend sofort abreißen zu lassen, weil er genau das nicht wollte, was diese Radtour so anschaulich bietet: Pilgerfahrten zu den Stätten seines Lebens – eine berechtigte Befürchtung schon Mitte des 19. Jahrhunderts.

Seit seinem Erfolg mit „Nabucco“ 1842 ist Verdi ein Star in Italien: Die Leute schwärmen für Hüte und Schals á la Verdi in den Salons der feinen Gesellschaft, überall redet man über diesen neuen Komponisten, seine riesigen Chöre, die enorm hohen Frauenstimmen und die übermütig tutenden Holzbläser.

"Das ist unerhört"

Das ist „unerhört“, denn bis dahin in Opern so nicht vorgekommen. Ebenso unerhört sind seine Honorare, die er für folgende Kompositionen verlangt und bekommt. Der Gipfel: „Aida“. Angeblich 750.000 Euro verlangte Verdi 1871 vom ägyptischen Vizekönig für die von ihm bestellte Monumental-Oper.

Dennoch: Im Mai 1872 erhielt Verdi den Brief eines Opernbesuchers. Der hatte „Aida“ gesehen und war enttäuscht. Um in seinem Urteil sicher zu sein, habe er sich die Oper sogar ein zweites Mal angeschaut, sie aber immer noch schlecht gefunden und verlange darum von Verdi sein Eintrittsgeld zurück. Der Komponist schickte ihm die Summe, verbunden mit einer Auflage: „Sie dürfen nie wieder eine meiner Opern besuchen!“