Lima. Noch pilgern “nur“ rund 1.800 Menschen pro Tag zum Weltkulturerbe Machu Picchu. Der Bau einer Autobahn allerdings könnte den Touristenstrom in die “Verlorene Stadt der Inka“ dramatisch erhöhen - sehr zum Ärger von Archäologen und der Unesco.

Während Peru den 100. Jahrestag der Entdeckung von Machu Picchu feiert, warnen Archäologen vor den Folgen des stetig ansteigenden Stroms der Besucher in die "Verlorene Stadt der Inka". 1.800 Menschen pilgern im Durchschnitt pro Tag in die Ruinen, eine Zahl, die derzeit noch unter den von den Behörden erlaubten 2.500 liegt. Doch der geplante Bau einer Autobahn zur abgelegen Inka-Stadt könnte den Besucherstrom stark ansteigen lassen und - so fürchten Kritiker - irreparable Schäden an dem Weltkulturerbe verursachen. Bis jetzt kann der Ort Aguas Calientes, von dem aus man nach Machu Picchu gelangt, nur mit dem Zug oder zu Fuß erreicht werden, eine Straße gibt es nicht.

Durch den geplanten Bau einer Autobahn wäre die natürliche Regulierung des Besucherstrom durch die Kapazität des Zuges nicht mehr gegeben, sagt Juan Julio Garcia, der örtliche Direktor des peruanischen Kulturministeriums. Bereits jetzt ist aus dem einstigen Bauerndorf Aguas Calientes eine kleine Stadt mit Fünf-Sterne-Hotels und Restaurants geworden. Tourismusunternehmen und lokale Behörden, die argumentieren, dass die Region von der Straße profitieren würde, erhielten im Vorjahr wieder Auftrieb. Als schwere Regenfälle im Januar 2010 die Zugstrecke blockierten, saßen 4.000 Touristen für fünf Tage in Machu Picchu und Aguas Calientes fest. Nahrungsmittel wurden knapp, und die Regierung musste die Touristen mit Hubschraubern in Sicherheit bringen.

UNESCO droht Peru

Vergangen September beschloss der peruanische Kongress schließlich den Bau einer Straßenverbindung nach Machu Picchu und rief damit die UNESCO auf den Plan, die Machu Picchu 1983 zum Weltkulturerbe erklärt hatte. Sie drohte, die Inkastadt auf ihre Liste der bedrohten Kulturstätten zu setzen, wenn das Straßenbauprojekt nicht eingestellt werde; für Peru würde das eine Blamage.

Die lokalen Behörden stehen jedoch weiter hinter dem Projekt, sie wollen das Monopol von PeruRail auf der Strecke brechen, nicht zuletzt weil das Bahnunternehmen im Besitz britischer und chilenischer Investoren ist. Die örtliche Wirtschaft würde dadurch geschädigt, sagt der Gouverneur von Aguas Calientes, Antonio Sinchi Roca. Jahrelang war Machu Picchu durch seine Abgelegenheit von Touristenmassen verschont geblieben, zusätzlich hielt der Konflikt mit der Rebellenorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) bis in die 1990er viele Touristen von einem Besuch Perus ab. Doch seit 1991, als nur 77.000 Besucher nach Machu Picchu kamen, ist die Zahl sprunghaft angestiegen. 2009 - im Jahr vor den Überschwemmungen - waren es bereits 800.000.

Kamerakran fiel auf heiligen Stein

Eine Zahl, die nicht ohne Folgen blieb. 2008 kritisierte die UNESCO die Verwaltung von Machu Picchu scharf. Die Abholzung von Wäldern, unkontrollierter Bau von Häusern und illegaler Zugang zu der Stätte stellten ernste Probleme dar, hieß es. Zu einem Eklat kam es im Jahr 2000, als Filmaufnahmen für einen Werbespot in den Ruinen erlaubt wurden und der Arm eines Krans auf den Intihuatana-Stein fiel, der als heilig gilt. Trotz der Schäden an dem Stein wurde kürzlich auch der Dreh für eine große Bollywood-Produktion in Machu Picchu erlaubt. Der Direktor des archäologischen Parks Machu Picchu, Fernando Astete, wirft lokalen Behörden und Tourismusunternehmen vor, die Inkastadt nur als Marketingthema zu sehen und sich keine Gedanken über die Erhaltung des Weltkulturerbes zu machen.

Schutz der Inkastadt

Die peruanische Tourismusindustrie besteht jedoch darauf, dass sie in erster Linie den Schutz der Inkastadt im Sinn habe. So sollen alle Einnahmen aus dem Tourismus nach Machu Picchu in Zukunft nicht mehr an die Regierung in Lima, sondern direkt in die Erhaltung der Ruinen fließen, erklärt Carlos Zuniga vom regionalen Tourismusbüro in Cuzco. Eine Straße würde diese Einnahmen vermutlich vervielfachen, doch Kritiker warnen, dass man dafür letztlich einen hohen Preis bezahlen könnte. (dapd)