Kuba. In San Diego auf Kuba wurden 1632 Heilquellen entdeckt. 1844 setzte dort ein regelmäßiger Gesundheitstourismus ein. Das Geschäft mit der Gesundheit boomt auch heute noch. Inzwischen gibt es wohl keine Krankheit, die auf Kuba nicht behandelt wird.
Lang hat er angehalten, der große Kuba-Boom rund um die Helden des Buena Vista Social Club. Er war ja auch zu schön, der wahr gewordene Traum von der späten Weltkarriere, der sich mehr oder minder zufällig für eine Hand voll kubanischer Musiker erfüllte. Jetzt, nachdem die Kuba-Welle abgeflaut ist, setzen Castros Tourismus-Manager wieder auf die Anfänge ihres Tourismus, auf ganz alte Tugenden: Wellness, Anti-Aging, Gesundheitstourismus im Allgemeinen. Dass sich Fußball-Star Diego Maradona ausgerechnet auf der karibischen Zuckerinsel in Kokain-Entzug begab, hilft dem Marketing natürlich gewaltig.
Wir wissen zwar nicht, wo genau in Kuba sich der stämmige argentinische Fußballheld mit dem großen Ché Guevara-Tattoo auf dem Oberarm behandeln ließ, wir versuchen es jedenfalls erst mal im Gesundheitszentrum San Diego de los Baños im Westen der Insel. Was nicht das Geringste mit dem Vornamen des Kickers zu tun hat, sondern damit, dass es bei uns nicht um so Gravierendes wie Kokainsucht geht, sondern nur um ganz profane Verspannungen.
Hände wie aus Stahl
Und so werden wir nach ein paar Vorgesprächen an Valvidia weiter geleitet. Valvidia ist klein und zierlich, aber sie hat Hände wie aus Stahl. Entschlossen greifen ihre Finger um meinen Hals. Der Raum ist dunkel und kalt. Ich höre meinen Herzschlag. Und Valvidias schweren Atem. Ihre Hände wandern in Richtung meiner Schulterblätter und greifen entschlossen zu. „Das sind die Partien, die bei Dir am meisten verspannt sind.“ Ich lasse sie gewähren; eine andere Chance habe ich ohnehin nicht.
San Diego ist ein wunderbar kleiner und verschlafener Ort in der Nähe der großen Tabakplantagen von Pinar del Rio, ungefähr eineinhalb Stunden von Havanna entfernt. Nur 3700 Einwohner, etliche Eselskarren in Zeitlupentempo, spielende Kinder, irgendwo kräht ein Hahn. Aber San Diego hat etwas, was andere kubanische Orte nicht haben: Heilquellen.
Wasser gegen Rheumatismus
Im Jahr 1632 hat man sie entdeck und kurz darauf kamen die ersten Kranken. Seit 1844 gibt es einen regelmäßigen Gesundheitstourismus hier – deshalb auch das große Zentrum mit dem direkt angeschlossenen Hotel „Mirador“. Ein 150-Zimmer-Domizil, das den Charme der Vergangenheit atmet, auch wenn man kürzlich einiges renoviert und verbessert hat.
„Wir haben mehr als zehn Ärzte hier und jeder einzelne ist hoch spezialisiert“ freut sich Dr. Luis Rodriguez Morales, der Chef. „Außerdem 15 Krankenschwestern, zwölf Physiotherapeuten und einen Zahnarzt. Unser Wasser hilft gegen Rheumatismus, Hautkrankheiten, Neurodermitis und Alterskrankheiten aller Art. Es enthält Sulfat, Magnesium, Kalzium, Silizium und etliches mehr.“
Lange Tradition der Naturheilkunde
Der Gesundheitstourismus auf Kuba wird organisiert und geleitet von einer staatlichen Organisation namens Servimed. Sie gehört zur großen Gruppe Cubanacan – einem Monstergebilde, das für alles zuständig ist, was irgendwie mit Tourismus zu tun hat.
Naturheilkunde hat auf Kuba eine sehr lange Tradition. Die Leute trauen ihr einfach mehr zu als den teuren Medikamenten aus dem Labor. Und da diese auf Grund des immer noch bestehenden US-Embargos außerdem nur sehr schwer oder überhaupt nicht zu bekommen sind, hat fast jeder Landarzt seinen eigenen kleinen Heilkräutergarten. Und dass das Ausbildungsniveau der Mediziner auf Kuba im weltweiten Vergleich ganz hoch anzusiedeln ist, das ist tatsächlich mehr als bloße Revolutionspropaganda.
Hoher Qualitätsstandard
Es gibt wohl keine Krankheit, die auf Kuba nicht behandelt wird; die ganze Insel ist mit Gesundheitszentren übersät. Es gibt sie in Havanna, Santiago de Cuba, Camagüey, Trinidad, Cienfuegos, Matanzas, Pinar del Rio und sogar in den Touristenghettos Cayo Coco und Varadero. Die staatliche Kontrolle sorgt für einen hohen Qualitätsstandard und sozialistischen Schlendrian gleichzeitig. Aber als Devisen bringender Ausländer ist es in Ordnung, kann man damit wirklich gut leben.
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Der Karibik-Zauber geht natürlich auch an den zahlreichen Gästen eines Gesundheitszentrums nicht ganz spurlos vorbei. Vom Strandausflug über Städtereisen und Konzerten bis hin zum Mega-Absturz in der Mojito-Bar mit Salsa und Rum ist wirklich alles geboten. Und der Diätdoktor muss ja nicht unbedingt etwas von diesen Ausschweifungen erfahren.
Zahlen muss man selber
Inzwischen gibt es auch Angebote im Bereich der kosmetischen Operationen, vom Fettabsaugen bis zur Brust-OP, je nach Bedürfnis und Spleen. Auch viele US-Amerikaner kommen in dieser Angelegenheit hier her, besonders Prominente. Denn Kuba wahrt ihre Anonymität und garantiert, dass sie von Paparazzis völlig unbehelligt bleiben. Was man bei all den Angeboten nicht vergessen darf: Zahlen muss man auf Kuba selber. Kaum eine deutsche Krankenversicherung darf da einspringen. Kuba ist immer noch Feindesland, daran konnte auch US-Präsident Obama bislang nichts ändern.
„So, fertig!“ Wie nach einer gewonnenen Schlacht reinigt die zierliche Valvidia ihre Hände vom Massageöl und lässt mich wie ein frisch erlegtes Tier auf der Massagebank liegen. Erst nach langen Minuten bin ich wieder in der Lage, irgendetwas zu tun oder gar zu sagen: „Puh!“ Unser Kumpel Javier aus Havanna, der uns nach San Diego begleitet, lacht sich schlapp, hört gar nicht mehr auf: „Ich hab’ dir doch gesagt, dass in Kuba richtig massiert wird, nicht so lasch wie bei Euch zu Hause.“