Alte Werte, moderne Marke: Wie die Hessischen Heilbäder den Mythos „Kur” neu beleben wollen

Tagsüber Fango-Packungen oder Moorbäder, vielleicht eine Runde Wassergymnastik und abends ein Tänzchen mit dem Kurschatten – das Image der deutschen Heilbäder und Kurorte wirkt mitunter etwas angestaubt. Dessen ungeachtet will der Hessische Heilbäderverband der guten alten Kur wieder zu neuem Schwung verhelfen, dabei aber ganz bewusst nicht auf den Begriff „Kur” verzichten. Wir sprachen mit Almut Boller, Geschäftsführerin des Hesssischen Heilbäderverbands, über die Renaissance der Kur.

Eine Neupositionierung erfolgt meistens dann, wenn es nicht ganz so gut läuft. Wie ist es um die Kurorte und Heilbäder Hessens bestellt?

Boller: Wir haben natürlich massive Rückgänge zu beklagen gehabt. Wir mussten uns umstellen und müssen es auch weiterhin. Das bedeutet: sich dem Privatgast zuwenden. Und da sehe ich für Hessen gute Chancen. Wir haben vielfältige und sehr gute Angebote im medizinischen Bereich. Und etwas ganz Besonderes: die natürlichen Heilmittel, wie die Heilquellen, aber auch das Heilklima oder Moor. Unseren hohen Anspruch an Qualität geben wir gerne an die Gäste weiter.

Obwohl Sie verstärkt den Privatgast umwerben, wollen Sie dies ausgerechnet mit dem Begriff „Kur” tun. Ist dies nicht ein Widerspruch?

Boller: Jeder verbindet mit dem Begriff „Kur” sicherlich etwas Anderes, aber wir agieren weiterhin als Heilbäder und Kurorte. Für uns ist der Begriff nach wie vor aktuell. Aber wir wollen ihn mit neuen Inhalten füllen: eine angenehme Atmosphäre, Erholung, Entspannung – das alles soll die neue Marke Kur werden.

Ist es überhaupt noch legitim von Kur zu sprechen, wenn die Aufenthaltsdauer sich in der Realität drastisch verkürzt?

Boller: Ich denke schon. Ob Sie jetzt nur einen Tag, ein Wochenende oder gleich drei Wochen bei uns bleiben, das ist uns alles recht. Denn letztendlich bleibt es das, was wir weitergeben wollen: Kur, Gesundheit, Erholung und Entspannung – das ist das Wichtigste.

Sie haben angekündigt, den „Mythos Kur” wieder stärker zu beleben. Was ist geplant?

Boller: Auf unserem neuen Internetauftritt www.hessische-heilbäder.de gibt es viele Informationen und dort arbeiten wir an dem Begriff „Mythos Kur”. Es gibt neue Rubriken, die von witzigen Sagen aus den Heilbädern und Kurorten erzählen. Zum Beispiel hat ein Riese die Heilquellen in Wiesbaden entdeckt. Oder Geschichten über berühmte Gäste, wie die russische Zarenfamilie oder den Schrifsteller Friedrich Hölderlin. Diese Geschichten und Traditionen wollen wir bewahren und unsere Angebote darauf aufbauen und organisieren.

Und wie gehen Sie mit der privatwirtschaftlichen Konkurrenz im Bereich Wellness um?

Boller: In Sachen Wellness gibt es ganz viele ansprechende und seriöse Angebote. Aber wie in jedem Bereich natürlich auch schwarze Schafe. Deshalb wollen wir uns von Wellness-Angeboten ganz klar abgrenzen und uns vielmehr auf den Bereich Gesundheit konzentrieren. Und das funktioniert. Denn die natürlichen Heilmittel machen es möglich.

Trotzdem ist Wellness insgesamt positiv besetzt, während den klassischen Kurorten oft pauschal ein gewisser Modernisierungsstau vorgeworfen wird. Ein falsches Vorurteil?

Boller: Ich finde schon. In Hessen gibt es zahlreiche und vielfältige Programme, Veranstaltungen und auch Angebote in Sachen Kur und Gesundheit. Ein ganz wichtiger Bereich sind die Thermen. Beispielsweise eröffnet in Bad Orb am 2. Mai die Toskana Therme mit dem Programm „Baden in Licht und Musik”. Aber auch zahlreiche schon bestehende Thermen wie die Werratal Therme in Bad Sooden-Allendorf oder die Weser Therme in Bad Karlshafen, machen einen Aufenthalt lohnenswert. Die Thermen sind für uns ein ganz wichtiger Aspekt. Des Weiteren gibt es bereits sehr viele interessante Angebote im Veranstaltungsbereich und eine ganze Reihe an kulturellen Möglichkeiten im Umland oder am Kurort selbst.