Hamburg. Erkältung, Seekrankheit, Herzinfarkt: Die Bordhospitäler auf den großen Kreuzfahrtschiffen gelten zwar als gut ausgestattet, aber es geht an Bord vor allem um die Erstversorgung.
Krank auf der Kreuzfahrt? Das kann teuer werden. Denn auf See wird bis zum neunfachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet. Mit Auslandskrankenversicherung kein Problem, könnte man denken.
"Immer mehr Versicherungen sind aber nicht bereit, solche oftmals unbegründet hohen Behandlungskosten zu begleichen", sagt Christian Ottomann, Chirurg, langjähriger Schiffsarzt und Leiter der Schiffsarztbörse, die Ärzte für Einsätze auf See schult und vermittelt. Im Zweifel müssen Passagiere bei Erkrankungen tief in die Tasche greifen.
Krank auf dem Kreuzfahrtschiff, was nun?
Medizinische Versorgung im Bordhospital
Große Kreuzfahrtschiffe werden gern "schwimmende Dörfer" genannt. Mit Blick auf die medizinische Versorgung geht es den Passagieren aber deutlich besser als in so manchem Dorf. Bei Norwegian Cruise Line (NCL) teilen sich drei Ärzte und drei Krankenschwestern die Arbeit auf Ozeanriesen mit bis zu 4000 Passagieren.
"In unserem Bordhospital arbeiten zwei Ärzte und zwei Krankenschwestern sowie eine medizinische Assistentin", erklärt Johannes Babilas. Er ist leitender Schiffsarzt auf der Mein-Schiff-Flotte von Tui Cruises. Labordiagnostik, Sonographie und digitale Röntgentechnik gehören da zum Standard. Zwei Betten stehen zur Behandlung und zwei für die intensivmedizinische Behandlung bereit. "Zudem haben wir zwei Sprechzimmer mit einer Behandlungsliege, einen OP und eine sehr gut ausgestattete Apotheke."
Zuweilen hapert es an der Zusatzausbildung
Laut Ottomann statten andere Reedereien ihre Schiffe ähnlich gut aus. "Nicht jeder Schiffsarzt kann die elaborierte Medizintechnik aber auch bedienen", kritisiert der Experte. Zuweilen hapere es an der Zusatzausbildung der Allgemeinmediziner.
Andererseits hat Tui Cruises eine telemedizinische Verbindung zum Universitätsklinikum Hamburg (UKE). Und die Ärzte bei Aida Cruises können sich bei Bedarf über Satellit fachlichen Rat gleich von mehreren Krankenhäusern an Land holen.
Erkältungen und Seekrankheit
Als häufigste Anlässe, den Schiffsarzt aufzusuchen, nennen die Reedereien Erkältungen und Atemwegsprobleme sowie Seekrankheit und kleinere Verletzungen. Bei Zahnproblemen können Schiffsärzte zwar mit Schmerzmitteln helfen, zur Behandlung müssen die Patienten aber einen Zahnarzt an Land konsultieren. Und wenn der Fuß umknickt oder das Bein gebrochen ist? "Da die Ärzte notfallmedizinisch ausgebildet sind, ist eine ordentliche Erstversorgung an Bord immer gesichert", sagt Berthold Petutschnigg von der Universität Graz. Der Chirurg und leitende Notarzt ist ärztlicher Berater von Tui Cruises und gehört der Akademie des Centrums für Reisemedizin (CRM) an.
Ausschiffung im nächsten Hafen
Ob, wo und wann ein Patient ausgeschifft wird, wägt der Arzt aufgrund von medizinischen Kriterien ab. Aber auch Ort und Wetterlage spielen eine Rolle. "Nicht jedes Krankenhaus in der Karibik ist beispielsweise in der Lage, die Patienten nach gewohntem westlichen Standard weiter zu versorgen", erläutert Petutschnigg. Es sei schon vorgekommen, dass den Patienten an Land geraten wurde, sich besser zu Hause weiterbehandeln zu lassen. Er musste als Schiffsarzt auch schon einen Intensivpatienten 30 Stunden lang intubieren, weil in der Nähe kein gutes Hospital zur Verfügung stand.
Ein offener oder komplizierter Beinbruch würde zur Ausschiffung im nächsten Hafen führen, ein einfacher nicht unbedingt, wenn der Schiffsarzt Chirurg ist. Typische Anlässe, die Patienten nach der Erstversorgung an Land zu bringen, sind Herzinfarkte und Schlaganfälle oder schwere Verletzungen. Da die Kreuzfahrten sehr oft in Landnähe unterwegs sind, werden die Erkrankten in der Regel im nächsten Hafen ausgeschifft. Kooperierende Agenturen stehen den Patienten dann zur Seite und kümmern sich auch um deren Heimreise. "Dass ein Helikopter einen Schwerkranken abholt, weil das Schiff sich gerade auf hoher See befindet, kommt höchst selten vor", erklärt Ottomann. (dpa)