Berlin. Der Germania-Insolvenzantrag bringt viele Reisepläne für Urlauber durcheinander. Was Betroffene nun wissen und unternehmen sollten.
Es trifft diesmal nicht so viele Reisende wie bei der Air-Berlin-Pleite 2017. Doch auch der Insolvenzantrag der Fluggesellschaft Germania wirbelt etliche Urlaubspläne durcheinander, aktuelle im Februar ebenso wie solche für die Hauptreisezeit im Sommer.
Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) sind "in den nächsten Wochen mehrere Zehntausend Reisende betroffen". Welche Rechte haben diese Verbraucher nun, und wie kommen sie trotzdem an ihr gebuchtes Urlaubsziel oder zurück nach Hause?
Ein entscheidender Punkt dafür ist, ob die Fluggäste ihre Germania -Tickets über einen Reiseveranstalter gebucht haben oder aber völlig eigenständig. Fragen und Antworten dazu in einem Überblick mit vier denkbaren Fällen.
Fall 1: Buchung über Reiseveranstalter, Flug steht kurz bevor
In diesem Fall wird es zwar zu Änderungen kommen, die aber nicht der Urlauber, sondern der Reiseveranstalter veranlassen muss. Abflugorte und -zeiten können sich kurzfristig ändern. Das vom Kunden gezahlte Geld ist allerdings nicht weg, und ausfallen muss der gebuchte Urlaub auch nicht. Denn wenn Flüge zu einem Reisepaket gehören, trägt der Veranstalter ganz allein das Insolvenzrisiko bei Leistungserbringern wie Airlines, erläutert die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.
Zu den Anbietern, die ihre Gäste jetzt "mit Hochdruck" von Germania auf andere Fluggesellschaften wie Condor, Eurowings und Tuifly umbuchen, gehören nach eigenen Angaben die Tui, die Marken der DER Touristik (darunter ITS und Jahn Reisen) und von Thomas Cook (darunter Neckermann und Bucher Reisen) ebenso wie Alltours, FTI und Schauinsland-Reisen. Die Kosten zum Beispiel für eventuell nötige Zusatzübernachtungen am Urlaubsort werden dabei übernommen. "Niemand muss sich Sorgen machen, dass er nicht in den Urlaub fliegen kann oder im Reiseziel festsitzt" - so beschreibt die Tui die Situation.
Fall 2: Individuelle Buchung, Flug steht kurz bevor
Hier liegen die Dinge anders, denn eine - vom Reiseverband ebenso wie von Verbraucherschützern nun erneut geforderte - Insolvenzabsicherung für Fluggesellschaften gibt es bisher nicht. "Für Passagiere, die ihr Flugticket direkt bei Germania gekauft haben, besteht aufgrund der gültigen Gesetzeslage bedauerlicherweise kein Anspruch auf Ersatzbeförderung", schreibt die Fluggesellschaft auf ihrer Website.
Im Klartext: Wer jetzt trotzdem schnell in den Urlaub oder nach Hause will, muss sich bei einer anderen Airline ein neues Ticket kaufen und damit ein zweites Mal bezahlen. Zwar kann man versuchen, diese Kosten später aus der Insolvenzmasse erstattet zu bekommen. Doch Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg ist skeptisch: Eine Rückzahlung solcher Auslagen sei "relativ unwahrscheinlich. Das wissen wir aus vergangenen Pleiten wie bei Air Berlin." Mehrere Airlines, darunter Eurowings, Tuifly, SunExpress und Condor, bieten im Ausland gestrandeten Direktbuchern aktuell Sonderkonditionen für Rückflugtickets, sofern sie freie Kapazitäten in den Maschinen haben.
Auch für Urlauber, die noch nicht gestartet sind, kann der Kauf eines ganz neuen Tickets sinnvoll sein, um nicht noch mehr Geld zu verlieren. Denn Direktbucher haben am Ziel oft weitere Leistungen wie Hotelzimmer oder Mietwagen gebucht. Auch dafür gelten individuelle Buchungsverträge. Die Leistungen stehen dem Gast weiter zur Verfügung und müssten bezahlt werden - auch wenn die Anreise ausfällt. Das Resultat wäre dann nur: Geld verloren und gar keinen Urlaub gehabt.
Fall 3: Reiseveranstalter-Buchung, Germania-Flugtermin später im Jahr
Auch solche Gäste müssen sich auf Änderungen einstellen. Abflugorte und -zeiten können sich ändern, nicht zuletzt an kleineren Flughäfen, an denen die Germania stark vertreten war. Manche Reiseveranstalter hatten bei dem Unternehmen nicht zuletzt Flugkontingente an solchen kleineren Abflughäfen eingekauft - die Tui etwa für Verbindungen von und nach Bremen, Dresden, Nürnberg und Münster/Osnabrück.
Mehrere Veranstalter wiesen darauf hin, sie würden Betroffene "sofort aktiv informieren", sobald es neue Informationen zu Abflugzeiten und -orten gibt. Bei der Vielzahl von Buchungen kann das aber etwas dauern, allein Schauinsland-Reisen sprach von insgesamt 70.000 Gästen, für die bis zum Ende des Sommers nun neue Verbindungen gebucht werden müssen. Tui gehe nach der Reihenfolge der Abflugdaten vor, teilte das Unternehmen mit. Und FTI betonte, das Unternehmen greife "auf das gesamte verfügbare Flugangebot des Marktes zurück".
Ändert sich der Abflugort, muss der Veranstalter auf jeden Fall die Kosten für die Anreise zum neugewählten Flughafen übernehmen, erklärt Verbraucherschützerin Sabine Fischer-Volk. Er muss also zum Beispiel ein Bahnticket organisieren, wenn es nicht mehr von Berlin aus in den Urlaub im sonnigen Süden geht, sondern von Hannover oder Hamburg aus. "Außerdem kann man den Reisepreis dann um fünf Prozent mindern, sagt Fischer-Volk - denn Mängelansprüche an den Veranstalter gebe es "verschuldensunabhängig".
Zumindest in den kommenden Wochen gar nicht an ihr gewünschtes Ziel kommen werden allerdings einige Gäste von Thomas-Cook-Marken, die Reisepakete mit Germania-Flügen nach Paphos auf Zypern oder nach Scharm el Scheich in Ägypten gebucht haben: Thomas Cook werde alle Reisen zu diesem zwei Zielen bis einschließlich 28. Februar "mangels alternativer Flugverbindungen" kündigen, teilte das Unternehmen mit. Thomas Cook bietet neben dem Storno auch kostenfreies Umbuchen an
Fall 4: Individuelle Buchung, Reisezeitpunkt später im Jahr
Wie die kurzfristig betroffenen Direktbucher müssen sich auch solche Reisenden "wohl auf den Totalverlust des Ticketpreises einstellen", prognostiziert die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Und auch hier gilt: Die Verträge für weitere, unabhängig vom Flug individuell gebuchte Leistungen wie Hotelzimmer und Mietwagen bleiben gültig.
Wer auf die Reise nicht verzichten will, muss Tickets bei anderen Airlines kaufen und bezahlen. Allerdings rät Sabine Fischer-Volk hier dazu, nicht sofort loszustürzen und die nächste Buchungsseite einer Fluggesellschaft anzusteuern. Stattdessen könnten Reisende mit Plänen für den Sommer durchaus noch abwarten, was der Insolvenzverwalter zu ihren Buchungen sagt und ob nicht am Ende doch Germania-Tickets von anderen Airlines übernommen werden. So lasse sich verhindern, für dieselbe Reise plötzlich sogar "zwei Flüge an der Backe" zu haben. (dpa)