Berlin. Neonröhren statt wie früher Kronleuchter: Unter den Linden in Berlin-Mitte hat ein Kaffeehaus wiedereröffnet, das spaltet.
Schon wieder ein Kaffeehaus-Kulturschock in der deutschen Hauptstadt: Nachdem das legendäre «Kranzler» am Kurfürstendamm nur noch Hipster-Coffee statt Kännchen-Kaffee anbietet, ist jetzt fast zwei Jahre später auch am Prachtboulevard Unter den Linden ein neues Café-Zeitalter angebrochen.
Im früheren plüschigen Tortentempel «Opernpalais» neben der Staatsoper Unter den Linden herrscht seit Ende September Sichtbeton-Look mit Neonröhren, blanken Glühbirnen und Trendgerichten wie dem Hawaii-Fischsalat Poké auf der Speisekarte. Die Deutsche Bank zeigt neuerdings ihre Kunstsammlung in dem ursprünglich im Rokoko-Stil gebauten Prinzessinnenpalais, das jetzt «Palais Populaire» genannt wird.
Weit weniger Torten im Angebot
Bis Ende 2011 war in den Räumlichkeiten ein Café im Wiener-Kaffeehaus-Stil untergebracht, das berühmt war für seine riesige Kuchenauswahl. Die neue Gastronomie mit dem Namen «Le Populaire» hat ebenfalls Torten im Angebot, allerdings weit weniger.
Das alles spaltet Besucher: Während die einen das neue Ambiente ehrlich und cool finden, sind Nostalgiker sichtlich verstört.
Das im 18. Jahrhundert erbaute Palais war im Zweiten Weltkrieg zerstört und in den 60er Jahren rekonstruiert worden. Dabei wurde so ähnlich vorgegangen wie aktuell beim Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Das neue Gebäudekonzept verschleiert nicht mehr, dass es sich um einen Stahlskelettbau mit historisierender Fassade handelt. Manche Besucher sind damit jedoch unzufrieden, wie zum Beispiel ein älterer Ostberliner, der es wie folgt ausdrückte: «Dit is schwach. Dit is ja annem Flughafen besser.» (dpa)