München. Wintersport mit Handicap ist möglich. Menschen mit Behinderung bieten sich verschiedene Hilfsmittel. So ist die Abfahrt für fast jeden möglich.
Gerda Pamler war nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen. Danach wurde sie Spitzensportlerin. Die 59-jährige Münchnerin ist Weltmeisterin und Paralympic-Siegerin im Monoskifahren, einer Skivariante für Rollstuhlfahrer. Heute betreut sie Nachwuchssportler in ihrer Monoskischule in Bayern. Sie sagt: "Stehend, sitzend oder in Begleitung ist das Skifahren für so gut wie jeden trotz Behinderung möglich."
Tatsächlich ist eine körperliche Einschränkung meist kein Grund, auf Skifahren zu verzichten. Auch für Menschen mit sehr weitreichenden Beeinträchtigungen gibt es Hilfsmittel. "Die einzige Einschränkung gibt es bei Personen, die an einer Beatmungsmaschine hängen oder keine Kopfstabilität mehr haben", erklärt Stefanie Gampersberger vom Verein Freizeit Para-Special-Outdoorsports (PSO) aus Österreich.
Auch geistige Behinderungen sind kein Ausschlusskriterium für den Wintersport: "Skifahren ist auch für Menschen mit Trisomie 21, Autismus, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom sowie anderen Lernbehinderungen möglich", sagt Gampersberger. Bewegungen könnten durch spezielle Hilfen automatisiert werden. Auf diese Weise wird eine Muskelerinnerung aufgebaut. "Der Schüler muss also nicht in der Lage sein, klaren Anweisungen zu folgen."
Die Skivarianten
Welche Skivariante für welchen Sportler geeignet ist, hängt immer von der Art des Handicaps ab. Eine Übersicht:
1. Der Monoski: Es handelt sich hierbei um einen Carvingski mit gefedertem Rahmen, auf dem eine Sitzschale angebracht ist. Der Fahrer hält das Gleichgewicht durch zwei kurze Skistöcke. "Dafür benötigt man eine gute Oberkörperkoordination", sagt Gampersberger. Auch die Rumpfstabilität und Beweglichkeit der Arme und Hände sind wichtig.
Der Monoski ist somit für Personen mit Mobilitätseinschränkungen und Querschnittslähmung bis etwa TH5, also einer Lähmung ab etwa der Brust abwärts, geeignet. Auch Menschen mit Amputationen und der Haltungsstörung Cerebralparese können so selbstständig auf die Piste.
2. Krückenlaufen: Dazu benötigt der Wintersportler Skikrücken. Sie funktionieren wie Skistöcke, nur ist am Ende eine Art Mini-Ski angebracht. Der Fahrer steht damit ganz normal auf zwei Skiern. Das funktioniert, wenn freies Gehen, kurzzeitiger einbeiniger Stand, freies Treppensteigen und Aufstehen aus dem Seitsitz möglich sind.
Personen mit Amputationen, gesundheitlich geschwächtem Körper oder spastischer Lähmung können so Ski fahren. "Viele spastisch Gelähmte können sogar besser Ski fahren als laufen", sagt der Orthopäde Hartmut Stinus, Arzt der deutschen Behinderten-Ski-Nationalmannschaft. Wer Skikrücken mit einer Prothese benutzt, sollte diese durch einen Techniker einstellen lassen.
3. Bi-Ski: Wer nicht alleine auf die Piste kann, weil es seine Behinderung nicht zulässt, kann den Bi-Ski ausprobieren. Das Sportgerät ist ein Sitz mit zwei Skiern, in dem der Fahrer fest angeschnallt wird. Eine zweite Person wird zum Begleiter und kann den Bi-Ski wie einen Rollstuhl über die Piste lenken. Wichtig hier: "Der Begleiter sollte ein guter Skifahrer sein, damit er die Kontrolle halten kann", sagt Pamler.
Die Voraussetzung für den Bi-Ski: Der behinderte Mitfahrer muss angewinkelt sitzen können. Dadurch können sogar Personen mit den schwersten körperlichen und geistigen Behinderungen mit der Unterstützung einer Begleitperson Ski fahren. Eltern können so zum Beispiel gemeinsam mit ihren Kindern die Pisten hinuntersausen.
4. Fahren mit Sehbehinderung: Betroffene brauchen einen Guide zum Skifahren. Diese Person lenkt den Fahrer durch Zurufe die Abfahrt hinunter. "Der Fahrer muss seiner Begleitperson dabei wirklich vertrauen", sagt Stinus. Daher sollte man vorher gemeinsam einen Kurs besuchen, rät Gampersberger. Dort kann man gemeinsam eine individuelle Führungsmethode erarbeiten.
Außerdem sollten Fahrer mit Sehbehinderung ihre Augen vor der UV-Strahlung und Reflexion der Sonne schützen. "Die Augen sind sehr empfindlich und sollten beim Skifahren nicht weiter geschädigt werden", sagt Pamler. Generell sollte natürlich jeder Wintersportler stets eine Skibrille tragen.
Ein Ausgebildeter Skilehrer kann helfen
Wer das Skifahren mit Behinderung ausprobieren will, sollte an einem Skikurs für Menschen mit Behinderung teilnehmen. So hat es auch Gerda Pamler gemacht, bevor sie Profi wurde. Ein ausgebildeter Skilehrer kann bei der Auswahl der passenden Ausrüstung und deren Einstellung helfen. "Die richtigen Maße und Einstellungen der Sportgeräte sind enorm wichtig, um richtig fahren zu können", sagt Pamler.
Das Skifahren sollte natürlich generell behindertengerecht sein. "Die Restfunktionen sollten gestärkt und keine weiteren Schäden durch ein zu hohes Verletzungsrisiko eingegangen werden", sagt Stinus. Eine Sporttauglichkeitsuntersuchung im Voraus ist sinnvoll, um mit einem Facharzt mögliche Probleme und Risiken zu besprechen.
Skikurse für Menschen mit Behinderung
Im österreichischen Schladming kann man beim Verein Freizeit Para-Special-Outdoorsports täglich von Mitte Dezember bis Ostern an Skikursen teilnehmen. Für einen fünftägigen Skikurs mit täglich zwei Einheiten zahlt man rund 830 Euro. Dabei sind der Liftpass und die Ausrüstung inklusive.
Gerda Pamler bietet Skikurse unter anderem in Mitterfirmiansreut, im österreichischen Kaunertal und im Skigebiet Ladurns in Südtirol an. Erwachsene zahlen für einen fünftägigen Kurs mit zwei Tageseinheiten rund 190 Euro. Für 170 Euro können Kinder das Skifahren lernen. "Selbstständig fahren ist mit dem Monoski ab etwa acht bis zehn Jahren möglich", sagt Pamler.
Weitere Kursmöglichkeiten zum Krückenlaufen, Bi-Ski und Skikurse für Menschen mit Sehbehinderungen findet man auf der Webseite www.monoskikurs.de. Beim Deutschen Skiverband (DSV), dem Deutschen Skilehrerverband (DSLV) und dem bayerischen Behindertensportverband (BVS) gibt es weitere Angebote. (dpa)